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WIESBADEN/ Maifestspiele: SALOME

04.05.2019 | Oper

Staatstheater Wiesbaden, Salome, Vorstellung vom 03.05.2019

Maifestspiele 2019

 Bildergebnis für wiesbaden salome
Foto: Karl & Monika Forster, Im Vordergrund Herodes (Frank van Aken), das Fernrohr ist auf den Mond gerichtet

Das Künstlerkollektiv  „Le Lab“, verantwortlich für die szenische Ausarbeitung

Inszenierung: Jean-Philippe Clarac, Olivier Deloeuil, Licht: Christophe Pitoiset, Oliver Porst, Video: Jean-Baptiste Beïs, künstlerische Mitarbeit: Lodie Kardouss, Dramaturgie: Regine Palmai, Luc Bourrousse

In der Salome prallen viele Gegensätze aufeinander, die einen wesentlichen Bestandteil der Handlung darstellen. Vor allem sind es die verschiedenen fundamentalen Glaubenslehren und unterschiedlichen Gesellschaftssysteme, die einen großen Einfluss auf die Dramaturgie ausüben. 

 

Wie der Mond heute Nacht aussieht!

 

Die Regie thematisiert in subtiler Form die psychologischen Zusammenhänge der Personen und setzt handlungsrelevante Textaussagen in die Darstellung ein. Herodes Antipas zieht aus dem Aussehen des Mondes gewisse Rückschlüsse, die eine Vorahnung auf das zukünftige Geschehen darstellen, allerdings wird dies von seiner Umgebung angezweifelt.

 

Die kreisförmige Bühne, die ein wenig an eine Arena erinnert, besteht aus wenigen Gegenständen, um genug Platz für die Personenführung zu haben. Neben dem auf den Mond gerichtetes Fernrohr, einigen Sitzgelegenheiten, beeindruckt ein großer Container, der sich zuweilen ringförmig bewegt. Es ist das Verlies von Jochanaan. Im Hintergrund werden Videoeinblendungen gezeigt, die teils das Geschehen auf der Bühne in Großformat wiedergeben, aber auch auf die farblichen Veränderungen des Mondes hinweisen. 

 

Herodes der Tetrarch

Die Regie zeichnet vor allem ein genaues Charakterbild des Herodes, das man häufig in anderen Inszenierungen vermisst. Während der Prophet Jochanaan von den “Flügel des Todesengels” spricht, die im Palast rauschen, hört Herodes aus dem Wind ein “seltsames Rauschen wie von mächtigen Flügeln”, das gleichzeitig orchestral untermalt wird. Es besteht eine gewisse Affinität zu Jochanaan, daraus erklärt sich auch sein heftiger, aber letztendlich vergeblicher Widerstand, die Hinrichtung von Jochanaan verhindern zu können.  Auch besteht ein liebloses Verhältnis zu Herodias, die ihm seine niedere Herkunft vorwirft und ihm in verächtlicher Weise, ihre königliche Abstammung entgegenhält. Sie negiert permanent die Aussagen ihres Mannes.

 

Die Regie zeichnet eine moderne, realistische Handlung, ohne auf die markanten Charaktereigenschaften der Personen zu verzichten. Der geschichtliche Hergang ist teilweise zeitgemäß, erkennbar an den Statisten, die mit ihrem modernen Outfit in Partylaune neugierig das Geschehen betrachten, während die Darsteller in historischen Kostümen auftreten. Wichtige Szenen werden zusätzlich detailliert auf Video übertragen.

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Foto: Karl & Monika Forster, Videoproduktion mit Sera Gösch in der Premiere, aufgenommen im Foyer des Hessischen Staatstheaters

 

Der Tanz der Salome in doppelter Funktion

 

In der Premiere sang Sera Gösch die Titelfigur. Die Videoaufnahmen, die im Foyer des Hauses aufgenommen wurden, zeigen den meist durch Mimik aufgeführten Tanz in Großaufnahme auf der hinteren Videoleinwand. Bei den Maifestspielen wurde die Partie mit der herausragenden deutschen Sopranistin, Gun-Brit Barkmin besetzt. In Abänderung der Premiere interpretierte sie zusätzlich auf der Bühne den Schleiertanz, der immer im Einklang mit der Musik stattfand. Im Gegensatz zu den meist klassischen Varianten war ihr Tanz nicht dem Herodes gewidmet, sondern vornehmlich für den Jochanaan gedacht. Dies war nur möglich, weil der Container ein großes Fenster hatte, durch das Jochanaan neugierig den Tanz verfolgte, eine verblüffende, aber auch in gewisser Weise, logische Auffassung.  

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Foto: Karl & Monika Forster, im Vordergrund Frank van Aken als Herodes und auf der hinteren Videoleinwand Sera Gösch als Salome

 

Und das Geheimnis der Liebe ist größer als das Geheimnis des Todes

 

Diese Worte bestätigen das unglaubliche, irrationale und abnormale Verhalten der Titelfigur. Für die Regie ist sie vor allem eine junge erotische und selbstbewusste Frau, die mit ihren tänzerischen Bewegungen, trotz ihrer Forderung nach dem Haupt des Jochanaan, einen gewissen Charme auf ihr Umfeld und auf das Publikum ausstrahlt. In dieser Inszenierung wird der Salome anstatt des Hauptes gleich der ganze Körper des Propheten präsentiert, allerdings ist der Kopf mit einer silbrigen Flüssigkeit überzogen. In der Staatsoper Berlin werden in der Inszenierung von Neuenfels mehrere Dutzend aufgereihte Prophetenköpfe gezeigt, wahrlich ein schockierendes Bild.  

 

Mit dieser spannenden, immer im Einklang mit der Musik stimmigen Darstellung, ist der Regie eine neue und plausible szenische Gestaltung gelungen, die am Ende zusammen mit der musikalischen Ausführung vom Publikum mit Ovationen bedacht wurde.

 

Das Orchester des Hessischen Staatstheaters unter der Leitung des GMD Patrick Lange

Diese farbenreiche Partitur, die an vielen Stellen spannungsgeladen wirkt, aber  auch große Melodienbögen beinhaltet, die besonders beim Schlussgesang der Titelfigur zur Geltung kommen, verlangt vom Orchester eine enorme Übereinstimmung der einzelnen Orchesterteile mit genauer Präzision. Schwierig auch die Stellen zu konzipieren, die das Tor zur „Moderne“ aufmachen. 

Patrick Lange hat gezeigt, dass er diese Vorgaben meisterlich umgesetzt hat. Die Klangwelten aus dem Graben waren vermischt mit einem Forte von großem Ausmaß, aber auch die lyrischen Stellen waren feingliedrig ausgearbeitet. Er war immer darauf bedacht, dass nicht der enorme Orchesterschwall die Sänger zudeckte, eine große Leistung vom Dirigenten und dem Orchester.

Die Sängerdarsteller mit den Gästen Gun-Brit Barkmin als Salome und Thomas J. Mayer als Jochanaan

Gun-Brit Barkmin bewältigte diese darstellerisch und sängerisch schwierige Partie mit Bravour. Ihre jugendlich dramatische Stimme besitzt eine sichere Höhe, ist ausdruckstark und überzeugt mit  stimmlicher Erotik. Bis zum Ende wirkte die Stimme frisch, stimmstark und  textverständlich, nach Aussage des Komponisten von großer Bedeutung.

Thomas J. Mayer in der Rolle des Jochanaan hatte an diesem Abend mit großen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen und wurde bei den Stellen, die der Prophet unsichtbar in seinem Container verbringen musste, von dem Bariton Simon Bailey ersetzt, der früher ein Ensemblemitglied der Oper Frankfurt war. Während der bekannte Heldenbariton Thomas J. Mayer trotz Indisposition mit Stimmgewalt seine Rolle ausfüllte, setzte dann Simon Bailey mit eher lyrischer Stimme die Rollengestaltung fort. Ein Lob gilt deshalb beiden Sängern, die an diesem Abend für einen reibungslosen Verlauf der Vorstellung sorgten.

Herodes (Frank van Aken) und Herodias (Andrea Baker)

Der Heldentenor Frank van Aken, der den Tannhäuser schon in Bayreuth gesungen hat, besitzt eine  voluminöse Bruststimme mit einer sicheren Höhe, gab dem Herodes auch darstellerisch das nötige Profil, einer der Höhpunkte an diesem Abend.

Andrea Baker, die ihren Mann stets widerspricht und in einem günstigen Augenblick sogar den Ring vom Finger des Herodes entwendet, gestaltete mit ihrem Mezzo diese Figur glaubwürdig.

Die übrigen Sänger:

Narraboth: Simon Bode, ein Page: Silvia Hauer, zwei Nazarener: Young Doo Park und Daniel Carison, 5 Juden: Rouwen Huther, Erik Biegel, Christian Rathgeber, Ralf Rachbauer, Philipp Mayer

Bei vielen Zuschauergesprächen taucht immer wieder die Frage auf, warum die Beurteilung in den Medien so unterschiedlich ausfällt. Die Fallhöhe reicht von großer Begeisterung, bis hin zu negativ ausfallenden Begründungen.

Natürlich sind sämtliche verschiedene Aussagen dem Grunde nach richtig, denn die Erwartungshaltung und der Anspruch an ein Werk wird unterschiedlich bewertet. Letztendlich entscheidet nur der einzelne Zuschauer über eine Bewertung, die er am Ende spontan akustisch von sich geben kann.

Franz Roos

 

 

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