Otello, Maifestspiele des Hessischen Staatstheraters Wiesbaden vom 1. Mai 2018
Rossini-Otello mutiert zum Verdi-Otello
Foto Karl & Monika Forster
Das Team für die szenische Ausrichtung:
Regisseur: Uwe Eric Laufenberg, Bühne: Gisbert Jäkel, Kostüme: Jessica Karge, Licht: Andreas Frank, Dramaturgie: Regine Palmai.
Es handelt sich um eine Wiederaufnahme der Premiere aus dem Jahre 2015.
Der Eifersuchtvirus ist bei Otello schon im Unterbewusstsein vorhanden und entfaltet sich durch die Intrigen Jagos, um sich dann als Selbstläuer bis zur Eskalation zu steigern.
Dies hat die Regie dem Besucher in beeindruckender Weise vermittelt. Hier entsteht eine Symbiose zwischen darstellender Personenführung und ausdrucksvoller Gesangskunst. Man hat das Gefühl, dass sich hier die Sängerdarsteller selbst verwirklichen können. Beispielsweise das Credo wird von Jago äußerst überzeugend dargestellt. Hier wirkt nichts aufgesetzt bei der spielerischen Darstellung.
Das mehr oder weniger durchgängige Einheitsbühnenbild ist funktional und ohne besondere Überraschung. Dazu dienen die Säulen des nahegelegenen Kurparks, welche später in veränderter Form präsentiert werden. Leider sind die Umbauten zwischen den Akten zu lang, hier wäre eventuell der Einsatz der Drehbühne besser gewesen, damit die vorhandene Spannung nicht verloren geht.
Foto Karl & Monika Forster
Musikalische Umsetzung mit dem Orchester des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden unter der Leitung von Daniela Musca.
Der Sturm im Orchester und der Chor mit Extrachor unter der Leitung von Albert Horne, gleich zu Beginn, war so heftig, dass sich manche Besucher zwangsläufig auf den Sitzplätzen festhielten und erst beim “Esultate” sich wieder entspannen konnten, wohl wissend, dass später der seelische Sturm, genau so heftig, einbrechen wird und erst am Ende zum erliegen kommen wird. Primär kommt es bei diesem Sturm auf die zu erzielende Wirkung an, wie etwa die Hilferufe des Chores und die orchestrale Lautstärke, verbunden mit den entsprechenden Tempi und nicht so sehr auf präzise Interpretation.
Die Gesamtverantwortung hatte die junge Dirigentin, Daniela Musca, die auch das berühmte Bläserensemble der Staatsoper Berlin leitet. Daniela Musca hat die schwierige Partitur gut interpretiert, wenn man von einigen Ungenauigkeiten im “Holz” absieht, das man durchaus vernachlässigen kann.
Foto Karl & Monika Forster
Gute und überzeugende gesangliche Leistung der Sängerdarsteller
Desdemona, Olesya Golovneva, konnte mit ihrem kraftvollen Sopran vor allem in den dramatischen Szenen überzeugen, das Gleiche kann man vom Jago, Aleksei Isaev, behaupten, der sowohl darstellerisch, als auch gesanglich einen hervorragenden Eindruck hinterließ und übrigens kürzlich in der Semperoper als Enrico in “Lucia di Lammermoor” erfolgreich debütierte. Die übrigen Interpreten:
Cassio, Aaron Cawley, Roderigo, Joel Scott, Lodovico, Young Doo Park, Emilia, Silvia Hauer, Montano, Alexander Knight.
Gregory Kunde ein überragender Otello
Ohne die Leistung der übrigen Gesangssolisten zu schmälern, übertrifft der amerikanische Tenor, Gregory Kunde, mit seiner darstellender, aber vor allem sängerischen Interpretation alle Erwartungen. Bekanntlich sollte man die nötige Verantwortung bei der Beurteilung eines Interpreten zeigen, aber hier darf man bedenkenlos das Wort “Superlativ” gebrauchen. Diese äußerst schwierige Partie gehört zu den anspruchvollsten Tenorpartien von Verdi und erfordert in allen vier Akten eine enorme stimmliche Präsenz, die äußerst Kräfte raubend ist. Es gibt nur wenige Künstler, die diese Partie erfolgreich ausüben und Gregory Kunde ist in der Tat einer von ihnen. Nach dem erfolgreichen Übergang vom Belcanto-Fach, hauptsächlich in französischen und italienischen Rollen, wie beispielsweise Otello von Rossini, in das dramatische Spinto-Fach, ist er auch in den großen Häusern zuhause. Augenblicklich singt er sehr erfolgreich in der Semperoper den Don Alvaro in La forza del destino. Er besitzt eine unglaublich glanzvolle Höhe und eine ausdruckstarke Mittellage und mit seiner überzeugenden Bühnenpräsenz zieht er das Publikum in seinen Bann.
Bei der Gesamtbeurteilung muss man immer bedenken, dass das Hessische Staatstheater Wiesbaden, ähnlich wie die anderen Theater dieser Größe, ständig unter den Subventionskürzungen leiden und gegenüber den großen Häusern, die ein Vielfaches an finanzielle Hilfe bekommen, klar im Nachteil sind. Unter dieser Prämisse kann man dem Staatstheater Wiesbaden für ihre erfolgreichen Produktionen ein großes Kompliment aussprechen.
Franz Roos