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WIESBADEN/ Maifestspiele/ Gastspiel / Teatro Communale di Bologna/Maifestspiele: TOSCA – Langeweile pur

17.05.2024 | Oper international

WIESBADEN/Gastspiel Bologna/Teatro Communale: Langeweile pur – Bolognas „Tosca“ kocht auf Sparflamme. 16.5.2024

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Foto: Copyright by Andrea Ranzi

Am 16. Mai brachte das renommierte Teatro Communale di Bologna im Rahmen der internationalen Maifestspiele des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden eine Aufführung von Giacomo Puccinis zeitlosem Meisterwerk „Tosca“ auf die Bühne. Dieses Gastspiel war Teil einer langen Tradition des Teatro Communale, das seit seiner Gründung im Jahr 1763 zu den führenden Opernhäusern Italiens zählt. Mit einer reichen Geschichte und einem breiten Repertoire hat das Teatro Communale zahlreiche bedeutende Künstler und Produktionen hervorgebracht und sich einen festen Platz in der Welt der Oper erobert.

„Tosca“, uraufgeführt im Jahr 1900, ist eines der bekanntesten Werke Puccinis und ein spannungsgeladener Thriller der Operngeschichte. In den letzten Jahrzehnten wurde das Werk auf vielfältige Weise inszeniert, doch die Wiesbadener Aufführung bot eine überraschend konventionelle Darbietung. Die Regie von Giovanni Scandella hielt sich strikt an das Libretto und setzte auf klassische Einfachheit, was weniger einer durchdachten Inszenierung als einem dürftigen Arrangement gleichkam. Eine sinnvolle Personenführung war kaum zu erkennen, und das Ensemble agierte weitgehend nach eigenem Ermessen. Das Protagonisten-Trio enttäuschte dabei leider auf ganzer Linie, sodass die Aufführung phasenweise in quälender Langeweile versank. Einige Szenen streiften gar die Grenze zur Parodie, etwa wenn der stets adrett frisierte Cavaradossi aus der Folterkammer zurückkehrt, als habe er lediglich eine leichte Fußverstauchung erlitten.

Die Bühnenbilder von Manuela Gasperoni waren auf das Nötigste reduziert, was den Eindruck einer provisorischen Tournée-Produktion verstärkte. Luci Daniele Naldos Beleuchtung war stimmungsvoll, konnte jedoch nicht die fehlende Tiefe der Inszenierung kompensieren. Stefania Scaraggis Kostüme hingegen waren ein visuelles Highlight, detailreich und zeitlos elegant, und trugen maßgeblich zur Charakterisierung der Figuren bei. Von Toscas edler Robe bis zu Scarpias finsterem Anzug spiegelten die Kostüme authentisch Persönlichkeit und sozialen Status wider.

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Foto: Copyright by Andrea Ranzi

Carmen Giannattasio verkörperte die Titelrolle der Tosca. Sie war vokal eine moderne Tosca, die stimmlich leichtgewichtig wirkte, insbesondere wenn man an frühere Sängerinnen der Titelpartie bei den Maifestspielen denkt, wie z.B. Ghena Dimitrova oder Eva Marton! Mit ihrem angenehm timbrierten lyrischen Sopran wurde die Traumpartie aller Soprane ein sängerischer Grenzgang für Giannattasio, der ihre ganze Aufmerksamkeit erforderte. Die Stimme der Sängerin wäre besser beraten, in ihrem Stamm-Repertoire mit Partien wie Mimi oder Violetta zu verbleiben, da dramatische Partien wie Tosca oder jüngst sogar die Gioconda die Stimme zu sehr strapazieren. Giannattasio konnte zwar alle Töne realisieren, doch musste sie dafür immer wieder maximalen Aufwand betreiben. Im „Vissi d’arte“ zeigten zudem leichte Eintrübungen in der Intonation und kurze Phrasen, dass dieses Fach nicht wirklich ihre Domäne ist. Auch darstellerisch wirkte sie erstaunlich flach und neben der Rolle stehend. Sie war weder Diva noch darstellerisches Zentrum. Viel mehr wirkte sie wie die jüngere Schwester von Floria, auf der Suche nach Selbstfindung. Die heftigen Gefühlsschwankungen konnte sie darstellerisch nicht beglaubigen. Ihr Timing für musikalische oder szenische Akzentuierungen wirkte zufällig und oftmals verfrüht. Der Mord an Scarpia erfuhr so eine eigentümlich anmutende Routine, so als würde diese Tosca durchaus bereits einmal zum Messer gegriffen haben….

Roberto Aronica zeigte als Cavaradossi eine für heutige Verhältnisse kraftvolle Stimme. Eine echte Spinto-Stimme und kein Nemorino-Tenor, was eine Wohltat war. Aronica gab somit seinem Mario vergleichsweise viel stimmliche Dominanz, was heute eher selten zu erleben ist. Allerdings geriet auch seine musikalische Umsetzung erschreckend einfallslos. In Einheitslautstärke sang er sich rustikal durch seine Partie, ohne dabei dynamisch zu gestalten. In den eher glanzlos erreichten Höhen musste er sich zuweilen deutlich mühen. Darstellerisch blieb er sehr blass.

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Foto: Copyright by Andrea Ranzi

Gabriele Viviani verkörperte den skrupellosen Scarpia mit einer Mischung aus Eleganz und Bösartigkeit. Seine charakteristische Baritonstimme füllte den Raum mit Präsenz und verlieh der Figur eine beunruhigende Überlegenheit. Viviani’s Darstellung von Scarpia wirkte durch seine bedrohliche Aura und die Düsternis der Figur auf eindringliche Weise. Klug wusste er, sprachliche Akzente zu setzen. Stimmlich konnte er mit seinem Bariton nur bedingt überzeugen, da seine Stimme in der Tiefe nur über wenig Substanz verfügte. Es ist befremdlich, wenn an seiner Seite der Tenor des Spolettas in der tiefen Lage mehr Sonorität aufbieten kann, als der Bariton.

Die Nebenrollen waren ungewöhnlich stimmstark besetzt. So war der Spoletta von Paolo Atognetti vokal raumgreifend, was auch für Christian Barone als kraftvoller Angelotti gilt. Paolo Orecchia war als Sakristan skurril, ohne dabei in Klamauk abzudriften.

Der Chor des Teatro Communale di Bologna unter der Leitung von Gea Gatti Ansini war ein guter Aktivposten der Aufführung. Mit seiner tadellosen Stimmführung und einem beeindruckenden Klangvolumen füllte der Chor den Raum und trug maßgeblich zur atmosphärischen Dichte des Stücks bei.

Das Orchester des Teatro Communale di Bologna, unter der musikalischen Leitung von Oksana Lyniv, präsentierte sich in prächtiger Form und spielte sehr kultiviert. Lediglich das sehr reduzierte Schlagzeug ertönte, wie bei einer Anspielprobe. Lynivs Dirigat blieb insgesamt blutleer. Sie konzentrierte sich auf einen reibungslosen Ablauf und eine ausgewogene Balance zwischen Bühne und Orchestergraben, vermochte jedoch keine Leidenschaft zu entfachen. Ihr akademisches Dirigat ließ die farbenreiche Meisterpartitur Puccinis verkümmern. Dabei lebt gerade dieses Werk von der unendlichen Farbigkeit. Da auch Lyniv dem Abend eine interpretatorische Aussage schuldig blieb, geriet dieses Gastspiel zu einer höchst ambivalenten Angelegenheit.

Am spannendsten war da der überraschende Feueralarm, der kurz vor Beginn des zweiten Aktes, das Publikum den Saal verlassen ließ. Glücklicherweise hielt es sich dabei um eine Fehlaktion, sodass niemand zu Schaden kam.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Produktion von „Tosca“ des Teatro Comunale di Bologna trotz kleinerer Wirkungsmomente zu deutlich hinter den Erwartungen zurückblieb. Die sängerischen Leistungen waren durchwachsen, die Inszenierung banal und das Dirigat uninspiriert. Ein Abend, der mehr versprochen hatte, als er letztlich halten konnte.

Dirk Schauß, 18. Mai 2024

Gastspiel des  Teatro Communale di Bologna mit Puccinis „Tosca“ bei den Maifestspielen in Wiesbaden. Besuchte Vorstellung am 17. Mai 2024.

 

 

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