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WIESBADEN/ Maifestspiele: DAS RHEINGOLD – Start zum letztmaligen Durchlauf des „Rings“ – mit Michael Volle

26.05.2024 | Oper international

„Das Rheingold“ mit Michael Volle bei den internationalen Maifestspielen Wiesbaden

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Foto: Monika und Karl Forster

Das Hessische Staatstheater Wiesbaden eröffnete am 25. Mai mit Richard Wagners „Das Rheingold“ einen letztmaligen Durchlauf seines „Ring des Nibelungen“. Unter der Regie des scheidenden Intendanten UweEric Laufenberg präsentierte sich die Inszenierung als solides Erzähltheater, das auch Neulingen im „Ring“-Kosmos einen einfachen Zugang ermöglichte. Laufenberg bot dem Publikum eine reichlich konventionelle, dennoch gefällige Darstellung. Die Bühnenbildgestaltung von Gisbert Jäkel fügte sich harmonisch in diese Erzählweise ein und schuf eine Atmosphäre, die die epische Natur von Wagners Werk unterstrich. Die Kostüme verliehen den Charakteren eine eigenwillige Note, indem Wotan und sein Gefolge als Edel-Beduinen mit Turbanen dargestellt wurden, während die Riesen elegante Kleidung im muselmanischen Stil trugen. Visuell ansprechend zeigte sich die Inszenierung, wenn auch nicht immer gelungen in der Personenführung. Mancher Auftritt, wie z.B. jener von Erda, geriet so beiläufig, dass dieser eine unbeabsichtigt komische Note bekam. So betritt die Urmutter in Ulrica-Gestalt flotten Schrittes die Bühne von der Seite, als habe sie ihre Einkaufstasche vergessen. Wotans Einzug in Walhall wird durch ein fortwährend arbeitendes Möbelräum-Kommando gestört, was in den Schlussmomenten alle Umzugskisten von der Bühne schafft. Unnötig und überflüssig. Eine besondere Note erhielt die Inszenierung durch die Verwendung von Videotechnik, die jedoch nicht immer eindeutig in ihrer Umsetzung war und zuweilen banal wirkte, z.B. wenn bei Alberichs Verwandlung in einen Riesenwurm Donald Trump zu sehen ist.

Bemerkenswert war die Qualität der musikalischen Einstudierung. Das gesamte Sänger-Ensemble bestach durch eine vorbildliche Textverständlichkeit und eine weit überdurchschnittliche Expressivität in der Gestaltung der vorzutragenden Worte. Dies ist selten und schon lange nicht mehr in Bayreuth anzutreffen. Somit erhielt diese Vorstellung eine besonders intensive Wirkung.

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Thomas Blondelle (Loge). Foto: Monika und Karl Forster

Im Mittelpunkt des Interesses stand Michael Volle als Wotan, der diesen impulsiv, mit stimmlicher Präsenz und einer Vielfalt an Nuancen gestaltete. Seine Interpretation zeugte von einer eindrucksvollen physischen Präsenz auf der Bühne. Von leisen, nachdenklichen Momenten bis hin zu kraftvollen Ausbrüchen beherrschte Volle das gesamte Spektrum der Emotionen. Seine Stimme, von einem warmen, hellen Bariton geprägt, füllte mühelos den gesamten Raum. Kritisch anzumerken bleibt, dass Volle in seinem Spiel doch sehr an seinen unvergleichlichen Hans Sachs erinnerte. Seine Körpersprache wirkte oft privat und beiläufig, wie sie für Hans Sachs adäquat erscheinen mag. Das Göttliche konnte Volle in seiner Charakterisierung nicht beglaubigen. Dies zeigte sich auch in der gesanglichen Anlage seiner Wotan-Gestaltung, die auf üppige und ausladende Legatobögen verzichtete und sich sehr auf die Klarheit der Sprache konzentrierte, was gut gelang. Allerdings sei auch hier angemerkt, dass Volles Wotan noch in der Entwicklung ist und noch nicht die gestalterische Qualität seines Hans Sachs besitzt. Deutlich in den Schatten wurde Volle von dem hervorragenden Sänger des Loge gestellt. Thomas Blondelle verkörperte einen perfekten Feuergott mit einer faszinierenden Mischung aus Schärfe und Geschmeidigkeit. Seine Stimme glänzte durch ihre Flexibilität und ihre Fähigkeit, subtilste Emotionen punktgenau auszudrücken. Blondelle brachte Loges hinterlistige Natur auf überzeugendste Weise zum Ausdruck und schuf damit eine facettenreiche und fesselnde Darstellung, die beispielhaft war. Fabelhaft war seine dynamische Bandbreite, sein Wortwitz. Eine großartige Leistung eines Wort-Ton-Akrobaten! Kammersänger Thomas de Vries begeisterte als Alberich mit einer beeindruckenden Intensität und Präsenz. Sein Gesang war von einer dunklen, bedrohlichen Qualität geprägt, die Alberichs düsteres Wesen perfekt einfing. de Vries‘ Interpretation vermittelte gut die inneren Konflikte seiner Figur. Seit der Premiere hat de Vries seinen Alberich weiterentwickelt und zeigte an diesem Abend einen deutlichen Zugewinn an textbezogener Expressivität.

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Thomas de Vries (Alberich). Foto: Monika und Karl Forster

Die übrigen Mitglieder des Ensembles boten ebenfalls starke Leistungen, darunter Joachim Goltz als stimmstarker Donner, Jussi Myllys als Froh und Paul Kaufmann als Mime. Besonders erwähnenswert waren die ausgezeichneten Riesen. Timo Riihonen zeigte als passionierter Fasolt eine breite Gefühlsskala und vermochte mit besonders innigen Tönen als Verliebter zu berühren. Bedrohlich und verschlagen war der Fafner von Young Doo Park. Katrin Wundsam war als Fricka szenisch sehr präsent und präsentierte dazu viel Sopranfarbe, was eher ungewöhnlich ist. Betsy Horne war eine engagierte Freia und Helena Köhne eine resolute Erda mit ihrer eindrucksvollen Alt-Stimme. Die Rheintöchter wurden sehr gut von Anastasiya Taratorkina (Woglinde), Fleuranne Brockway (Wellgunde) gesungen. Stark fiel dagegen leider Louise Fenbury (Flosshilde) ab, deren Stimme recht säuerlich und kehlig zu vernehmen war.

Michael Güttler am Pult des Hessischen Staatsorchesters führte das Ensemble zu einer ausgewogenen Interpretation von Wagners Werk. Seine klugen Akzente und schlüssigen Tempi trugen maßgeblich zur stimmigen Atmosphäre bei. Das Orchester präsentierte sich in guter Verfassung und realisierte einen transparenten Orchesterklang, der das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinriss. Güttlers Leitung war geprägt von einer feinen Abstimmung zwischen den verschiedenen Orchestergruppen und einer klaren Linie in der musikalischen Gestaltung.

Die knapp besetzten Streicher des Hessischen Staatsorchesters entfalteten eine warme und ausdrucksstarke Klangfülle, die den lyrischen Passagen des Werks eine besondere Intensität verlieh. Besonders hervorzuheben waren der Nuancenreichtum und die feine Dynamik, mit der die Streicher die emotionale Tiefe der Musik zum Ausdruck brachten. Die Blechbläser beeindruckten mit ihrem kraftvollen Spiel, das besonders in den heroischen Momenten des Stücks zur Geltung kam. Die Hörner, oft gefordert, lieferten eine gute Leistung mit ihrem kräftigen und dennoch nuancierten Klang, von kleineren Patzern abgesehen. Fein ausgewogen gefielen die Holzbläser. Gut abgestimmt mit vielerlei Farben agierte das Schlagzeug, wobei lediglich die Pauke zu zurückhaltend war. Insgesamt zeigte das Orchester unter der Leitung von Michael Güttler eine gute Beherrschung des komplexen musikalischen Materials und trug maßgeblich zur emotionalen Wirkung der Aufführung bei.

Die Inszenierung von „Das Rheingold“ bot eine solide, wenn auch nicht besonders innovative Darstellung des Wagner’schen Meisterwerks. Trotz einiger Schwächen in der Inszenierung gelang es dem Ensemble, das Publikum zu begeistern und den Auftakt zu einem vielversprechenden „Ring des Nibelungen“ zu setzen. Die visuelle Umsetzung mag nicht immer überzeugend gewesen sein, doch die herausragenden Gesangsleistungen und die mitreißende Orchesterbegleitung machten dies mehr als wett. Mit Spannung darf man nun den weiteren Verlauf des „Rings“ in Wiesbaden erwarten, in der Hoffnung auf weitere Höhepunkte. Viel Jubel.

 

Dirk Schauß, 26. Mai 2024

 

Besuchte Vorstellung am Hessischen Staatstheater Wiesbaden am 25. Mai 2025

Richard Wagner
Das Rheingold

Michael Güttler, Leitung

 

 

 

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