WIESBADEN/ Kurhaus: Musikalische Brillanz aus der Schweiz
Foto: Ansgar Klostermann
Am 25. Mai 2023 fand im wunderschönen Kurhaus Wiesbaden ein beeindruckendes Sinfoniekonzert statt, das die Zuhörer mit einem vielfältigen Programm begeisterte. Unter der Leitung des sehr talentierten Dirigenten Pierre Bleuse und mit dem Solisten Behzod Abduraimov am Klavier bot das Sinfonieorchester Basel einen intensiven Abend voller musikalischer Höhepunkte aus Spanien, Russland, Frankreich und England. Pierre Bleuse ist ein französischer Dirigent, der international anerkannt ist und sowohl im Bereich der Oper als auch im sinfonischen Repertoire tätig ist. Geboren im Jahr 1979, begann er seine musikalische Ausbildung als Geiger, wirkte sodann als Konzertmeister bevor er sich auf das Dirigieren konzentrierte. Zu seinen Lehrern zählt vor allem Jorma Panula. Bleuse hat mit renommierten Orchestern auf der ganzen Welt zusammengearbeitet, darunter das London Philharmonic Orchestra, das Orchestre de Paris, das NDR Elbphilharmonie Orchester, das Sinfonieorchester Basel und viele andere. In Bezug auf das Repertoire ist Bleuse vielseitig und führt Werke von Komponisten verschiedener Epochen auf. Er hat sich besonders für französische Musik engagiert und hat in diesem Bereich eindrucksvolle Interpretationen geliefert, so auch an diesem Abend.
Das Konzert begann mit der Suite Nr. 2 aus „Der Dreispitz“ von Manuel de Falla. Ein zauberhaftes Werk mit endloser melodischer Kreativität und herrlichsten Farben. Es ist unbegreiflich, warum dieses Meisterwerk so selten zu hören ist. Umso größer war daher die Freude, Auszüge aus diesem Stück in Wiesbaden zu erleben. Die Suite Nr. 2 aus „Der Dreispitz“ entstand im Jahr 1919 und basiert auf dem gleichnamigen Ballett von Manuel de Falla. Die Komposition ist ein Paradebeispiel für die Verbindung traditioneller spanischer Musik mit modernen Elementen des frühen 20. Jahrhunderts. De Fallas Suite besteht aus einer Reihe von charakteristischen Tänzen, die die Atmosphäre und die Handlung des Balletts widerspiegeln. Rhythmischen Klänge und melodische Wendungen erzeugen eine leidenschaftliche und lebhafte Stimmung. Manuel de Falla verwendet in dieser Suite gekonnt spanische Volksmelodien und verbindet sie mit modernen, harmonischen Elementen. Das Ergebnis ist eine farbenfrohe und mitreißende Musikkombination, die die Zuhörer in die Welt des spanischen Tanzes entführt. Unter der Leitung von Pierre Bleuse gelang dem Sinfonieorchester Basel ein musikalisches Ausrufezeichen, da es ausgezeichnet verstand, die leidenschaftliche Atmosphäre dieser Musik bestechend einzufangen. Die Klangfarben waren klar, vielschichtig, und die dynamischen Kontraste wurden mit selbstsicherer Offensive vorgetragen. Zu erleben war ein Orchester, was sofort in die Vollen ging und durch seinen mitreißenden Elan das Wiesbadener Publikum begeisterte. Maßgeblichen Anteil daran hatte der Dirigent Pierre Bleuse, der mit viel Energie und rhythmischen Drive das Orchester zu losgelöstem Spiel motivierte.
Foto: Ansgar Klostermann
Als Nächstes wurde das berühmte Klavierkonzert Nr. 1 in b-Moll op. 23 von Pjotr Tschaikowski aufgeführt. Das Werk wurde im Jahr 1874 uraufgeführt und zählt zu den beliebtesten Klavierkonzerten. Es ist herausfordernd, technisch anspruchsvoll und stellt den Solisten in den Mittelpunkt. Behzod Abduraimov, ein überreich begabter Pianist aus Usbekistan, trat als Solist auf und euphorisierte das Publikum mit seinem virtuosen Spiel und seiner intensiven Interpretation. Abduraimov demonstrierte eine imposante technische Beherrschung des Klaviers. Seine Finger flogen leicht und mühelos über die Tasten, während er die anspruchsvollen Passagen des Konzerts mit Leichtigkeit meisterte. Seine Technik war von außergewöhnlicher Präzision, was es ihm ermöglichte, jede Note klar und deutlich zu spielen. Sein Anschlag war kontrolliert und gleichzeitig kraftvoll, wodurch er sowohl in den energischen Passagen des ersten Satzes als auch in den lyrischen Momenten des zweiten Satzes eine beeindruckende Klangqualität erzeugte. Abduraimov beherrschte auch die Feinheiten der Dynamik und setzte sie meisterhaft ein, um musikalische Spannung aufzubauen und Emotionen zu vermitteln. Er variierte geschickt zwischen leisen, zarten Stellen und kraftvollen, dramatischen Ausbrüchen. Besonders bemerkenswert war seine Gabe, subtile Schattierungen in den leisen Passagen zu erzeugen, und die dramatischen Höhepunkte mit einer packenden Klangintensität zu präsentieren. Seine Phrasierung war von intensiver musikalischer Sensibilität geprägt. Abduraimov gestaltete die melodischen Linien mit Eleganz und Ausdruckskraft, wodurch er die emotionalen Nuancen der Musik ideal heraus arbeitete. Jeder musikalische Bogen wurde sorgfältig geformt, und seine interpretatorischen Entscheidungen verliehen dem Konzert eine betont persönliche Note. Der Tastenanschlag von Abduraimov war sehr facettenreich. Er verstand es, Klangfarben und Nuancen zu erzeugen, indem er die Tasten mit unterschiedlichem Gewicht und differenzierter Artikulationen anschlug. Von zarten und singenden Abschnitten bis hin zu kraftvollen Akkorden und brillanten Läufen beherrschte er die Kunst, jedem Ton die richtige Betonung zu verleihen. Abduraimovs Klavierspiel war ein wahrer Höhepunkt des Konzertabends. Seine technische Brillanz, sein feines Gespür für Dynamik und Phrasierung sowie sein einfühlsamer Tastenanschlag verliehen der Interpretation des Klavierkonzerts von Tschaikowski eine außergewöhnliche Qualität. Das Publikum wurde von seiner fesselnden Darbietung begeistert und bedachte ihn mit jubelndem Applaus. Das Sinfonieorchester Basel begleitete ihn mit immenser Klanggeste und großer Aufmerksamkeit, wodurch ein harmonisches Zusammenspiel entstand. Die Dialoge zwischen Solist und Orchester waren wunderbar ausbalanciert und sorgten für ein mitreißendes Musikerlebnis. Herrlich gelangen die Soli im zweiten Satz und ebenso fulminant die gewaltigen Orchesterausbrüche. Auch hier war Dirigent Pierre Bleuse eine fabelhafte Wahl, der seinen Solisten bestens begleitete und das Orchester zur Höchstleistung motivierte. Behzod Abduraimov blieb auch bei seiner Zugabe bei Tschaikowski und spielte aus dessen „Schwanensee“ einen herrlichen „Spanischen Tanz“.
Nach der Pause präsentierte das Sinfonieorchester Basel unter der Leitung von Pierre Bleuse die beiden Stücke „Gigues“ und „Rondes de printemps“ aus Claude Debussys „Images pour Orchestra“. Die beiden Stücke sind Teil von Claude Debussys Orchesterwerk „Images“, das zwischen 1905 und 1912 entstand. „Gigues“ ist von traditionellen britischen Volkstänzen inspiriert und vermittelt eine tänzerische und lebhafte Atmosphäre. „Rondes de printemps“ hingegen ist eine Darstellung des fröhlichen Treibens im Frühling und zeichnet sich durch seine lebendigen Rhythmen und Farben aus. Debussy schafft es, durch seine harmonischen und orchestralen Innovationen eine reichhaltige, impressionistische Klangwelt zu erschaffen, die die Zuhörer in eine faszinierende musikalische Landschaft entführt. Das Orchester verstand es mustergültig, die verschiedenen Klangschichten und Kolorierungen dieser Musik äußerst sensibel zu entfalten. Die Holzbläser glänzten mit ihren filigranen Soli, und die Streicher erzeugten eine schwebende Aura. Pierre Bleuse dirigierte mit großer Genauigkeit und ließ das Orchester in harmonischer Einheit spielen. Die Klangqualität war ein Erlebnis.
Den Schlusspunkt dieses Konzertes markierte der unverwüstliche „Boléro“ von Maurice Ravel. Entstanden im Jahr 1928, zeichnet sich das Werk durch seine repetitive Struktur und den stetigen Aufbau an Spannung aus. „Boléro“ ist ein Meisterwerk der instrumentalen Farbgebung und der orchestralen Dynamik. Ravel schafft es, durch subtile Veränderungen in den Klangfarben und der orchestralen Dichte eine kontinuierliche Steigerung der Spannung zu erzeugen. Das Stück gipfelt schließlich in einem kraftvollen und mitreißenden Finale, das das Publikum stets in seinen Bann zieht. Das Sinfonieorchester Basel unter der Leitung von Pierre Bleuse gelang es, den Zauber dieses Stücks perfekt einzufangen. Die einzelnen Instrumentengruppen wurden nacheinander in den Fokus gerückt, und die Spannung wurde kontinuierlich gesteigert. Faszinierend war die Qualität der Solobeiträge, die deutlich individuell gerieten. Bleuse wählte ein ruhiges Tempo und ließ den „Boléro“ aus einem kaum hörbaren Pianissimo entstehen. Klasse, wie gekonnt der Solotrommler den Rhythmus artikulieren konnte. Die überaus genaue Koordination und das dynamische Zusammenspiel bis zur gewaltigen finalen Steigerung des Orchesters sorgten für einen weiteren Höhepunkt des Konzerts, der das Publikum völlig in seinen Bann zog. Pierre Bleuse führte das Orchester mit brennender Energie und Bildhaftigkeit. Die Musikerinnen und Musiker setzten seine Vision mit konzentrierter Hingabe um. Der stehende Jubel im Kurhaus Wiesbaden war gewaltig und nicht enden wollend. Und dann griff Pierre Bleuse ein weiteres Mal in die musikalische Wunderkiste und zauberte mit dem immer noch vorbildlich engagierten Sinfonieorchester Basel eine tief berührende Zugabe hervor: Edward Elgars zu Herzen gehende Nimrod-Variation aus den „Enigma Variations“. Getragen im Tempo, sehr kantabel in der Melodieführung, enorm in der Gefühlstiefe, ein großes Erlebnis!
Insgesamt war das Sinfoniekonzert im Kurhaus Wiesbaden ein spektakulärer Abend voller musikalischer Genüsse. Das Sinfonieorchester Basel unter der Leitung von Pierre Bleuse zeigte eine eindrucksvolle Beherrschung der verschiedenen Stile und Epochen sowie seine hohe Klangkultur. Die Musikerinnen und Musiker des Orchesters boten eine mitreißende Darbietung, bei der Klangfarben und Dynamik bestens abgestimmt waren. Das Publikum belohnte die Darbietungen mit intensivstem Applaus.
Dirk Schauß, 26. Mai 2023
Besuchtes Konzert im Kurhaus Wiesbaden am 25. Mai 2023
Manuel de Falla Suite Nr. 2 aus „Der Dreispitz“
Pjotr Tschaikowski Klavierkonzert Nr. 1 b-Moll op. 23
Claude Debussy Gigues & Rondes des printemps aus „Images pour Orchestra“
Maurice Ravel Boléro
Behzod Abduraimov, Klavier
Sinfonieorchester Basel
Pierre Bleuse,Leitung