WIESBADEN/ Kurhaus: Hessisches Staatsorchester Wiesbaden Alexandra Scott, Kontrabass Roberto Forés Veses, musikalische Leitung am 26.2.2025
Italienische Klangfarben im Kurhaus Wiesbaden
Roberto Forés Veses – Copyright by Josep Gresa
Der Februar neigt sich dem Ende zu, und während draußen noch die letzten Spuren des Winters verweilen, öffnete sich im Wiesbadener Kurhaus eine Tür in den Süden. Es war, als würde die Musik selbst den Frühling ankündigen. Das Hessische Staatsorchester Wiesbaden, unter der Leitung von Roberto Forés Veses, entfachte ein klangliches Feuerwerk, das Italien in all seinen Facetten erlebbar macht. Auf dem Programm: Alfredo Casellas Suite Nr. 1 aus „La Donna Serpente“, Giovanni Bottesinis zweites Kontrabasskonzert und Richard Strauss’ „Aus Italien“ – drei Werke, die nicht nur geografisch, sondern auch stilistisch eine faszinierende Reise durch die musikalische Welt des Südens ermöglichten.
Zum Auftakt: Alfredo Casella. Ein Komponist, dessen Name heute nicht mehr so oft fällt wie der seiner Zeitgenossen, dabei war er einer der wichtigsten Erneuerer der italienischen Musiktradition. „La Donna Serpente“ (Die Schlangenfrau), seine Oper aus den Jahren 1928 bis 1931, erzählt eine Märchengeschichte nach Carlo Gozzi – voller Magie, Transformationen und expressiver Klangwelten. Casella selbst stellte aus der Partitur eine Orchestersuite zusammen, die einige der spannendsten musikalischen Momente in konzertanter Form präsentiert.
Und genau diese Momente brachte Roberto Forés Veses mit dem Hessischen Staatsorchester Wiesbaden eindrucksvoll zur Geltung. Der Klang war schillernd, greifbar – als würde man in ein Prisma blicken, das in unzähligen Farben bricht. Die Musik schwankte zwischen zartem Impressionismus und mechanischer Präzision: Flirrende Streicherfiguren stiegen auf, nur um von gleißenden Blechbläsern konterkariert zu werden. Die Schlagwerker setzten pointierte Akzente und verliehen den rhythmisch komplexen Passagen eine federnde Vitalität. Forés Veses hielt das Ganze mit klarer Struktur zusammen, gab der Musik aber gleichzeitig Raum zum Atmen. Die Zuhörer wurden in eine Welt voller Spannung, Dramatik und orchestraler Farbenpracht mitgerissen. Das Hessische Staatsorchester zeigte sich bereits hier von seiner besten Seite, ausgewogen und klanglich kultiviert.
Alexandra Scott – Copyright by Geoffroy Schied
Dann betrat Alexandra Scott die Bühne – und mit ihr ein Instrument, das man nur selten im Mittelpunkt eines Konzerts erlebt: der Kontrabass. Dass dieses große, tief tönende Instrument auch singen und tanzen kann, verdanken wir dem legendären Giovanni Bottesini. Der Italiener, geboren 1821, war nicht nur ein brillanter Bassist, sondern auch ein geschätzter Komponist und Dirigent. Sein zweites Kontrabasskonzert, entstanden um 1845, ist eine Virtuosenschlacht, in der das Instrument über sich selbst hinauswächst – und Alexandra Scott bewies eindrucksvoll, dass sie dieser Herausforderung mehr als gewachsen ist.
Schon mit dem ersten Ton wurde klar: Hier steht eine Musikerin, die ihr Instrument nicht nur technisch bestens beherrscht, sondern ihm eine Stimme gibt. Der erste Satz, voller motorischer Energie und fliegender Läufe, ließ keinen Zweifel daran, warum Bottesini als der „Paganini des Kontrabasses“ gilt. Scott meisterte die irrwitzigen Passagen mit einer Leichtigkeit, die fast unwirklich schien. Ihr Bogen glitt mit geschmeidiger Eleganz über die Saiten, jeder Ton saß, und selbst in den schnellsten Passagen blieb ihr Spiel klar und differenziert.
Dann das Herzstück des Konzerts: der langsame Satz. Hier offenbarte sich die ganze lyrische Kraft des Kontrabasses. Sanft leuchtende Töne, eine kunstvolle Vibrato-Gestaltung, feinste dynamische Abstufungen – es war, als würde das Instrument atmen. Scott entlockte ihm eine beinahe menschliche Kantabilität, warm, voller Gefühl, getragen von einem samtigen, fast schwebenden Ton.
Und schließlich der letzte Satz – ein wahres Feuerwerk an Virtuosität! Doch Scott ließ sich von den Anforderungen nichts anmerken. Souverän, voller Charisma, brachte sie den Satz zum Funkeln und setzte mit einem strahlenden Schlussakkord einen furiosen Schlusspunkt. Das Publikum? Begeistert! Viel Zuspruch auch für das aufmerksame Hessische Staatsorchester und den Dirigenten Roberto Forés Veses, der seine Solistin auf Händen trug.
Nach der Pause ging die Reise weiter – diesmal mit einem jungen Richard Strauss, der sich 1886 auf den Weg nach Italien machte. Mit gerade einmal 22 Jahren suchte er nach seiner musikalischen Identität und ließ sich von der Landschaft, der Geschichte und der Kultur des Südens inspirieren. Das Ergebnis: „Aus Italien“, eine symphonische Fantasie, die zwischen spätromantischer Klangpracht und impressionistischer Leichtigkeit oszilliert.
Diese Partitur verlangt einem Orchester einiges ab – nicht nur in technischer Präzision, sondern auch in der Gestaltung atmosphärischer Kontraste. Das Hessische Staatsorchester Wiesbaden zeigte hier eine herausragende Leistung, indem es Strauss’ musikalische Impressionen mit Farbigkeit und klanglicher Bandbreite zum Leben erweckte.
Der erste Satz, „Auf der Campagna“, entfaltete sich weit und ruhig, mit sanften Holzbläserthemen und einer von den Streichern gewebten Klangfläche, die sich wie ein weiter Horizont ausbreitete. Forés Veses ließ die langen Phrasen mit natürlicher Weite atmen und schuf eine warme, pastellartige Farbgebung.
Der zweite Satz, „In Roms Ruinen“, forderte besonders die Blechbläser, die mit schmetternden Fanfaren den Eindruck monumentaler Architektur in Klang übersetzten. Das Orchester formte hier ein gewaltiges Klangbild – kraftvoll, markant, mit feinen dynamischen Abstufungen, die den Satz vor einem bloß massiven Klang bewahrten.
„Am Strande von Sorrent“, der dritte Satz, lebte von schwebenden Holzbläsermelodien und wellenartig fließenden Streicherbewegungen. Forés Veses sorgte für einen transparenten, leichten Klang, in dem sich impressionistische Schattierungen fein ausformten.
Dann das große Finale: „Neapolitanisches Volksleben“. Ein prasselnder Beckenschlag riss das Publikum aus der träumerischen Stimmung des dritten Satzes – und sofort ging es hinein in einen rhythmisch pulsierenden, fast übermütigen Tanz auf der Basis der berühmten Kanzone „Funiculi, Funiculà“ von Luigi Denza. Hier war das Hessische Staatsorchester Wiesbaden besonders gefordert: Die verzahnten, oft hektischen rhythmischen Figuren, das schnelle Wechselspiel zwischen Blech und Holz, die unaufhaltsame Energie der Streicher, das viel geforderte Schlagzeug – all das meisterte das Hessische Staatsorchester Wiesbaden mit Präzision und unbändiger Spielfreude. Forés Veses hielt das Tempo straff, ließ aber genug Flexibilität für die tänzerische Leichtigkeit, die diesem Satz seine mitreißende Lebendigkeit verleiht.
Mit diesem Konzert bewies das Hessische Staatsorchester Wiesbaden erneut seine Qualität: klangliche Ausgewogenheit, Farbenreichtum, stilistische Vielfalt. Und über all dem schwebte die beeindruckende Solistin Alexandra Scott, die mit ihrer Kunstfertigkeit und ihrem ausdrucksstarken Spiel bewies, dass der Kontrabass weit mehr kann, als nur in der Begleitung zu verharren. Dieses Konzert war eine klangliche Reise nach Italien, voller Leben, Farben und orchestraler Pracht. Ein schöner Abend.
Dirk Schauß, 26. Februar 2025
Kurhaus Wiesbaden, 26. Februar 2025
Hessisches Staatsorchester Wiesbaden
Alexandra Scott, Kontrabass
Roberto Forés Veses, musikalische Leitung