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WIESBADEN/ Kurhaus: „BEHZOD ABDURAIMOV – URAL PHILH. ORCHESTRA – DMITRY LISS“ (Tschaikowsky)

01.07.2019 | Konzert/Liederabende

Wiesbaden / Kurhaus: „BEHZOD ABDURAIMOV – URAL PHILH. ORCHESTRA – DMITRY LISS“  –  30.06.2019

Zum Auftakt der Konzerte im Kurhaus im Rahmen des Rheingau-Musik-Festival 2019 gastierte einer der jungen pianistischen Senkrechtstarter Behzod Abduraimov und entfachte wiederum Stürme der Begeisterung. Begleitet wurde der Pianist vom Ural Philharmonic Orchestra dem exzellenten Klangkörper aus Jekaterinburg unter der Leitung seines Chefdirigenten Dmitry Liss und weilten  nun schon zum zweiten Mal in Folge als gefeierte Gäste beim RMF.

Nun hatte ich schon mehrmals das Vergnügen den jungen Usbeken zu erleben, heute interpretierte der grandiose Pianist das „Erste Klavierkonzert“ von Peter Tschaikowsky.

Inzwischen wurde der Fixstern am russischen Klavierhimmel 28 Jahre alt, schlagartig fasziniert nahm man gewahr, dass hier Außergewöhnliches geschah, denn der junge Pianist verlieh dem oft gehörten Ohrwurm Tschaikowskys besondere markante Züge.

Nach den prägnanten einleitenden orchestralen Hornrufen riss der versierte Solist in einem Hagel von Akkorden das Spiel an sich und gestaltete den Solopart mit einer derart kontrollierten Virtuosität und genuinen Musikalität, ich kam aus dem Staunen nicht heraus.

Impressionabel näherte sich Behzod Abduraimov dem Allegro con spirito und offenbarte in erregenden Anklängen das Hauptthema. In bezwingend hochkarätiger Brillanz durchleuchtet sprudelten die Solokadenzen, hier wurde kein Tasten-Donner zelebriert sondern bewusst punktuell in handwerklicher Perfektion glitzernde Arabesken in atemberaubende Finessen zum Andante semplice serviert.

Dmitry Liss am Pult des Ural Philharmonic Orchestra schien die Partitur sehr gut zu kennen, denn nie ging der Solist im Jubelton manch euphorischer Orchesterpassage unter keineswegs, der hervorragend musizierende Klangkörper schwelgte in instrumentaler Dominanz und formte sich zu imposanten Steigerungen, deren Timing einfach bestach.

Hymnisch, emphatisch leuchtend in vortrefflicher Klang-Balance krönte der junge Tastenkünstler in bravouröser Technik das finale Allegro con fuoco und ließ trotz aller Rasanz, hier saß jeder dramatische Akzent, jedes fein ausgeformte Detail hatte seinen Bezug zum Ganzen und ließ dennoch die emotionelle russische Seele durchschimmern.

Das Publikum ließ seiner Begeisterung freien Lauf und wurde von dem sympathisch-bescheidenen Solisten mit einem wunderbar elegisch gespielten  Lied aus „Kinderalbum“ (Tschaikowsky) beschenkt.

Nach der Pause erklang die „Vierte Symphonie“ Tschaikowskys in einer man kann schon sagen authentischen Lesart ohne Effekthascherei in transparent schwelgerischer Tonalität. Entstand das Werk im Jahre 1877 während einer Zeit, deren Lebensumstände zu den schwierigsten des Komponisten zählten und in seiner Tendenz programmatisch dessen Schicksal symbolisiert.

Das einleitende Andante sostenuto enthält den Keim der ganzen Symphonie ohne Frage ihren Hauptgedanken und spiegelt das Fatum jene Schicksalsgewalt, welche das Streben, das sehnsüchtige flatternde Glück und eingeholt von der realen Wirklichkeit widerspiegelt und gleich einem Damokles-Schwert über allem schwebt.

In präziser Artikulation formte Dmitry Liss mit den exzellenten Blechfraktionen des Ural P.O. die wuchtigen Fanfaren, brennend grub sich die instrumental intonierte Hoffnungslosigkeit der musikalischen Aussage ein, in ungezügelter Gewalt unterstrichen die orchestralen Eruptionen die Macht des Schicksals. Erschien so manche Sequenz schier überproportioniert, nahm man die wuchtigen Klangmassen dennoch als präzise gesteuerte Akkuratesse gewahr.

Emotionell voll Wehmut erklang das Andante di Canzona in süßherben Anklängen, in liedhaft-schlichter Gestik voll Melancholie. In Harmonie schwelgten die Streicher, vereinten sich mit Holzbläsern und dem gesamten Instrumentarium zum wohlgefälligen Musizieren. Ein Schwall von Erinnerungen des Glücks brach herein, die Melodien stilisieren die Phase der Sehnsucht.

Launige Arabesken, unfassbare Figuren intonierten das Scherzo Pizzicato welches ich in derart rasant Zupftempi der Streicher selten erlebte, unterbrochen vom kecken Ruf der Flöten. Visionen zogen vorüber beflügelten flüchtig die Phantasie, die Seele unseres musikalisch-biografischen Erzählers scheint sich im Schwebezustand zu befinden. Aus der Ferne ertönte eine Parade in unzusammenhängenden Bildern, sie haben nichts mit der Wirklichkeit gemein und wirkten seltsam fremdartig beziehungslos.

In kontrollierten Tempi mobilisierte Liss nochmals sein prächtig disponiertes Orchester zu klar prägnanter Formation des finalen Allegro con fuoco, in akustisch-plastischer Tiefenschärfe ertönten die brillanten Blechbläser im orchestralen Gesamtklang und verliehen dem Fatum zum schicksalsträchtigen Ausklang die gewaltige Importanz. Einfach atemberaubend, man war erschlagen bar so viel bestechender Brillanz welche das Publikum zu spontanen Standing Ovation beflügelte und seine Begeisterung lauthals offerierte.

Die russischen Gäste bedankten sich mit zwei temperamentvollen  Zugaben u.a. einem „Ungar. Tanz“ (Brahms).

Gerhard Hoffmann

 

 

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