Wiesbaden/ Kurhaus.
Antonin Dvořák: Cellokonzert h-moll und Ouvertüren. Anastasia Kobekina, Cello, Tschechische Philharmonie, Jakub Hrůša, musikalische Leitung – 25.8.2024
Ein Abend voller Dvořák – Meisterwerke in Perfektion
Foto: Copyright by Ansgar Klostermann
Es ist ein seltenes Vergnügen, einem Konzert beizuwohnen, das ganz einem einzigen Komponisten gewidmet ist. Wenn dieser Komponist Antonín Dvořák heißt, und die Tschechische Philharmonie, eines der besten Orchester der Welt und der Stolz Tschechiens, auf der Bühne steht, ist ein unvergesslicher Abend garantiert. Am 25. August 2024 erfüllte die Tschechische Philharmonie unter der Leitung von Jakub Hrůša, erster Gastdirigent des Orchesters, den Friedrich-von-Thiersch-Saal im Kurhaus Wiesbaden mit einem authentischen und unverwechselbaren Klang, der die Musik Dvořáks in all ihrem Glanz und ihrer Schönheit zum Leben erweckte.
Im Zentrum des Abends stand die russische Cellistin Anastasia Kobekina, die mit technischer Finesse und emotionaler Ausdruckskraft das Publikum verzauberte. An ihrer Seite musizierte die Tschechische Philharmonie, ein Ensemble von Weltrang, das nicht nur als Botschafter der tschechischen Musiktradition gilt, sondern auch als das Orchester, das Dvořáks Werke wie kein anderes interpretiert. Unter der inspirierten Leitung von Jakub Hrůša, der sich als einer der bedeutendsten Dirigenten seiner Generation etabliert hat, entfaltete das Orchester eine Klangpracht, die ihresgleichen sucht. Der Abend war ganz dem Werk Dvořáks gewidmet, einem Komponisten, der immer wieder aufs Neue begeistert. Im Mittelpunkt stand sein berühmtes Cellokonzert in h-Moll, flankiert von der selten gespielten Trilogie aus den Ouvertüren „In der Natur“, „Karneval“ und „Othello“. Diese Werke, die Dvořák selbst als „Lebenstrilogie“ bezeichnete, gaben dem Abend eine dramaturgische Vielschichtigkeit und verbanden Natur, Lebensfreude und Tragik auf eindrucksvollste Weise.
Foto: Copyright by Ansgar Klostermann
Dvořáks Cellokonzert ist nicht nur ein musikalisches Wunderwerk, sondern auch ein emotionales Kraftzentrum, das die gesamte Bandbreite menschlicher Gefühle abdeckt. Das majestätische Allegro des ersten Satzes setzt mit einem kraftvollen Orchestervorspiel ein, bevor das Cello mit einem lyrischen Thema die Bühne betritt. Kobekina zeigte hier ihr tiefes Verständnis für die dramatische Struktur des Werks und verstand es, die musikalischen Dialoge mit dem Orchester in eine packende Erzählung zu verwandeln. Die Tschechische Philharmonie unterstützte sie dabei mit einem vollen, warmen Klang, der die intensiven Emotionen des Satzes hervorhob. Auffallend tonstark und unvergleichlich agierten gleich zu Beginn die äußerst charakteristischen Holzbläser. Der leuchtende Ton der edlen Blechbläser und der volle warme Klang der Streicher veredelten jeden Moment dieses herrlichen Konzertes. Im zweiten Satz, Adagio ma non troppo, entfaltet sich eine melancholische Melodie, die an Dvořáks Sehnsucht nach seiner böhmischen Heimat erinnert. Hier strahlte Kobekinas Cello mit einer intensiven Wärme, während die Tschechische Philharmonie sie mit subtilen und fein nuancierten Naturklängen begleitete. Besonders die Holzbläser fielen durch ihre sanften, wehmütigen Töne auf, die dem Satz eine besondere Anmut verliehen. Kobekina fügte sich sehr deutlich in die Orchestergruppe ein, suchte den intensiven Dialog, was zu besonderen Momenten führte, wie das kurze „Duett“ zwischen der Soloviolone, ausgezeichnet vom Konzertmeister vorgetragen, und ihrem herrlichen Celloton ihres kostbaren Instrumentes. Das Finale, Allegro moderato, beginnt mit einem tänzerischen Thema, das sich allmählich zu einem feierlichen Abschluss steigert. Kobekina und das Orchester entfalteten hier eine starke Energie, die das Publikum mitriss. Die rhythmische Präzision und die dynamische Gestaltung des Orchesters unter Hrůšas Leitung ließen die lebensbejahende Kraft dieses Satzes in vollem Glanz erstrahlen. Die finale Coda ist ein Geniestreich dieses Meisterwerks und verfehlte auch an diesem Abend nicht seine atemberaubende Wirkung. Jakub Hrůša nahm hier das Orchester weit in der Dynamik zurück, was das abschließende Crescendo besonders effekvoll machte. Anastasia Kobekina beeindruckte das Publikum mit ihrer sehr natürlichen Interpretation des Cellokonzerts. Ihr feinfühliges Spiel, das sowohl die lyrischen als auch die dramatischen Aspekte des Werks betonte, wurde vom Orchester mit einem reichhaltigen und harmonischen Klangteppich unterstützt. Kobekina spielte eher mit introvertiertem Ton, was die Gemeinsamkeit mit dem Orchester unterstrich. Die Tschechische Philharmonie, die in ihrer Heimat als das Orchester schlechthin für Dvořáks Werke gilt, präsentierte sich in Höchstform. Unter der souveränen Leitung von Jakub Hrůša, einem Dirigenten, der es versteht, die Musik seiner Heimat mit unvergleichlicher Hingabe zu gestalten, wurden die komplexen Strukturen der Werke eindrucksvoll herausgearbeitet. Das Zusammenspiel zwischen Solistin und Orchester war lebhaft und innig zugleich. Der prachtvolle Friedrich-von-Thiersch-Saal bot eine Akustik, die den Klang der Tschechischen Philharmonie und die feinsten Nuancen von Kobekinas edlem Stradivari-Cello perfekt zur Geltung brachte. Die Klarheit und Wärme des Vortrags schufen eine intime und zugleich festliche Atmosphäre, die das Konzert zu einem wahren Erlebnis machte. Anastasia Kobekina zeigte sich sehr berührt über den großen Zuspruch und schenkte dem Publikum eine ganz besondere Zugabe. Ihr Vater schrieb einen entzückenden Tanz, der von einem Tamburin-Spieler begleitet wird, was einer der hervorragenden Schlagzeuger des Orchesters, fabelhaft umsetzte. Große Begeisterung im Saal!
Im zweiten Teil gab es dann als große Besonderheit die seltene Gesamtaufführung von Dvořáks Trilogie seiner drei Ouvertüren, die für ihn das Leben versinnbildlichten. „In der Natur“ ist eine musikalischen Hommage an die Schönheiten von Dvořáks Heimatland . Die Tschechische Philharmonie entführte das Publikum in die weite böhmische Landschaft, deren Schönheit Dvořák in Musik eingefangen hat. Hrůša dirigierte das Orchester mit einem feinen Gespür für die nuancierte Klangmalerei, die das Werk auszeichnet. Die fabelhaften Holzbläser malten sanfte Wiesen, während die Streicher die Harmonie und Ruhe der Natur heraufbeschworen. Mit überschäumender Lebensfreude und farbenfroher Klangvielfalt brachte die Tschechische Philharmonie sodann Dvořáks Karneval-Ouvertüre zum Leuchten. Dieses Werk, das den Trubel und die Ausgelassenheit eines Volksfestes musikalisch einfängt, wurde mit einer Präzision und mitreißenden Virtuosität interpretiert, die dem Publikum den Atem raubte. Besonders die spritzigen Streicher, die brillanten Blechbläser und das perfekte Schlagzeug trugen zur elektrisierenden Atmosphäre bei. Die Musik pulsierte und tanzte fortwährend, Champagner für die Ohren….Den Abschluss bildete die Ouvertüre „Othello“, ein Werk von großer emotionaler Wucht und berstender Dramatik. Wer genau hinhörte und konnte zudem über ein sehr deutliches Zitat, dem „Feuerzauber“ von Wagners „Walküre“, schmuzeln. Die Tschechische Philharmonie, unter Hrůšas intensiver Leitung, brachte die düsteren und spannungsgeladenen Momente dieser Komposition auf bestechende Weise zum Ausdruck. Die dunklen, brodelnden Klangfarben und die dramatischen Zuspitzungen gelangen vortrefflich. Ein Hördrama, spannend wie ein Thriller. Jubelnder Zuspruch im Konzertsaal. Jakub Hrůša und die Tschechische Philharmonie brachten nun die Stimmung auf den Siedepunkt. Mit zwei umwerfend musizierten slawischen Tänzen (Nr. 1 Op. 46 und Nr. 7 Op. 72) von Dvořák geriet das Publikum in Euphorie!
An diesem besonderen Abend im Kurhaus Wiesbaden demonstrierte die Tschechische Philharmonie eindrucksvoll, warum sie zu den wenigen Weltklasse-Orchestern gehört, die sich ihren einzigartigen Klang bewahrt haben. Ihre voll tönenden, charaktervollen Holzbläser schufen eine Atmosphäre von Wärme, die sich mit den goldwarmen Tönen der Blechbläser zu einer fast schon majestätischen Klangfarbe verband. Die Streicher des Orchesters entfalteten einen samtigen, warmen Teppich, der die melodischen Linien Dvořáks in berührender Weise unterstrich. Besonders hervorzuheben ist die rhythmisch prägnante Pauke, die dem Ensemble eine mitreißende Erdigkeit verlieh, während die dynamisch perfekt agierende Schlagzeuggruppe mit präziser Eleganz Akzente setzte und den orchestralen Gesamtklang auf eindrucksvolle Weise abrundete.
Die Ovationen spiegelten die außergewöhnliche Qualität des Konzerts wider, das sowohl die Kenner als auch die Liebhaber von Dvořáks Musik restlos überzeugte. Dieser Abend war mehr als nur ein Konzert; er war eine tiefgehende Auseinandersetzung mit der Seele Dvořáks. Die Tschechische Philharmonie und Anastasia Kobekina schenkten dem Publikum ein Musikerlebnis, das in seiner Intensität und Schönheit lange nachhallen wird. Ein Abend, der die außergewöhnliche Verbindung zwischen einem der größten Komponisten und einem der besten Orchester der Welt auf eindrucksvolle Weise zelebrierte.
Dirk Schauß, 26. August 2024
Besuchtes Konzert am 25. August 2024 im Kurhaus Wiesbaden
Antonin Dvořák
Cellokonzert h-moll und Ouvertüren
Anastasia Kobekina, Cello
Tschechische Philharmonie
Jakub Hrůša, musikalische Leitung