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WIESBADEN/ Internationale Maifestspiele: TRISTAN UND ISOLDE. Was für ein Ende! Was für ein Liebestod!

31.05.2022 | Oper international

Internationale Maifestspiele Wiesbaden, Tristan und Isolde, 29.05.2022, 7. Vorstellung seit der Premiere am 07.11.2021

Was für ein Ende! Was für ein Liebestod!

Diese Oper muss man von ihrem Ende her erzählen. Und vor allem bei dieser Vorstellung von Wagners Tristan und Isolde bei den Internationalen Maifestspielen Wiesbaden am Hessischen Staatstheater Wiesbaden, bei diesem Liebestod und dieser Isolde muss man mit dem Ende beginnen.

Wohl keine Oper verlangt von den Hörern und Mitwirkenden so viel ab wie Tristan und Isolde. Diese welt- und zeitüberspannende Geschichte zweier Menschen, die in dieser Welt keine Erfüllung ihrer Liebe erleben können, berührt mit ihren Emotionen das Tiefste in der Seele. Die Handlung des Werks kulminiert im Liebestod Isoldes und die gesamte Spannung, die seit dem Vorspiel die Oper beherrscht, löst sich erst mit den Schlussakkorden auf. Trotz oftmaligen Hörens fasziniert immer wieder aufs Neue, dass Richard Wagner so etwas erschaffen hat.

Am Vorstellungstag waren ein hervorragend spielendes Staatsorchester, ein wachsamer Dirigent und eine renommierte Sängerriege für eine lange noch im Gedächtnis bleibende Aufführung verantwortlich. Über die Regie, die nicht gänzlich überzeugte, später noch ein paar Worte.

Zuvor noch einmal zum Ende des Werks. Wirklich erstaunlich, was die international gefeierte Catherine Foster als Isolde an diesem Abend gezeigt hat und vor allem, was sie nach fast fünf Stunden höchst-qualitätvoller Sängerdarstellung dann noch im Liebestod oben drauf gesetzt hat. Dieser Moment, als sie sitzend in der Bühnenmitte „Mild und leise“ angestimmt, nach ein paar Zeilen sich erhoben und langsam zur Rampe nach vorne gegangen ist, mit weit aufgerissenen Augen scheinbar in die Unendlichkeit blickend diese hochemotionale Stelle in bravouröser Weise gesungen hat – dieser Moment gehörte zum eindrücklichsten des Abends. Auch nach vielfachem Hören der Oper ist dies in dieser Intensität noch nie wahrgenommen worden. Catherine Foster merkt man an, dass sie die Partie der Isolde verinnerlicht hat. Sie singt souverän und ausdauernd diese Wahnsinnspartie. Dabei bleibt sie angenehm lyrisch in den leisen Stellen, immer in voller Kontrolle ihres Stimmmaterials, so vor allem bei „O sink hernieder Nacht der Liebe“. Und bei den Ausbrüchen im 1. Aufzug setzt sie ihren dramatischen Sopran nie forciert, sondern klug und melodiös ein. Darstellerisch schenkt sie der Isolde viele intensive Momente voll aussagekräftiger Mimik und Körpersprache. Chapeau für diese beeindruckende Leistung!

Mit Khatuna Mikaberidze steht ihr eine sorgende Brangäne zur Seite, die ihre Mezzosopranstimme warmherzig zur Geltung kommen lässt. In feinen Momenten nimmt man ihr eine selbstbewusste und gar nicht „törichte Magd“ ab. Ihr Wächterruf von der oberen Proszeniumsloge ist eindringlich, metallisch dunkel gelingen ihr die tiefen Stellen.

Die kraftraubende Partie des Tristan hat Andreas Schager hervorragend zu Gehör gebracht. Mit großer Ausdauer stürzte er sich von Beginn an in die Partie, blieb im ersten Akt angenehm zurückhaltend in der Lautstärke und steigerte sich dann über die große Liebesszene im zweiten Aufzug zu den Fieberträumen im letzten Teil. Der nimmermüde Heldentenor ließ das Metall seiner Stimme in allen Lagen leuchten und gab den Tristan erstaunlich viril. Nachhaltig bleiben seine Monologe im dritten Aufzug im Gedächtnis, die die große Verzweiflung über sein Schicksal überzeugend darstellten.

Als weiterer Star der internationalen Wagnerszene gab sich René Pape die Ehre in Wiesbaden und zeigte, dass er einer der ganz großen Darsteller des König Marke ist. In seinem langen Monolog zeigt er die große Enttäuschung, aber auch die Wärme gegenüber Tristan und die später erfolgende Vergebung wird bereits angedeutet durch eine unheimlich klug gestaltete Linie. Fest und intensiv im Ausdruck setzte der Bassist die profunde Stimme ein, die dem König eine royale Würde verleiht.

Kammersänger Thomas de Vries ist für Tristan der ideale, treue Gefährte. Der Bariton – der nicht nur als Sänger bei den Internationalen Maifestspielen, sondern auch als Dirigent der selten gespielten Oper L’Ormindo von Francesco Cavalli mit seinem Ensemble Mattiacis auftrat – zeigte seinen markanten Bariton in differenziertem Spiel. Er gestaltete die Rolle vor allem im dritten Aufzug facettenreich und untermalte die Stimmung mit überzeugenden Stimmfarben.

Die kleineren Männerrollen waren den Hauptpartien ebenbürtig besetzt und rundeten die insgesamt denkwürdige Sängerleistung ab. Der Bariton Simon Schnorr gab dem Melot in den kurzen Auftritten die nötige Unverfrorenheit und Arroganz. Klangschön gelang Julian Habermann die Stimme des jungen Seemanns, die von der Proszeniumsloge warm in den Saal strömte. Erik Biegel als Hirt und Steuermann nimmt mitsamt seiner kultivierten Tenorstimme und seinem sehr ausladenden Umhang großen Raum ein. Der Herrenchor des Hessischen Staatstheaters (Albert Horne) beglückte mit engagiertem und akkuratem Ensemblegesang.

Das Hessische Staatsorchester Wiesbaden spielte unter dem Dirigat von Michael Güttler in beeindruckender Weise die Musik Wagners. Besonders gefielen die dynamische Gestaltung des Werks, die die Instrumentengruppen in feiner Balance austarierte. Güttler hielt das Orchester in den leisen Stellen zurück und gab den markanten forte-Stellen den notwendigen Raum. Vereinzelt geschah dies in der Lautstärke auch über die Stimmen hinweg, aber aus Sicht des Verfassers ist dies beim Tristan kein Vergehen. Das Orchester hielt die Spannungen der Harmonik immer aufrecht und die Chromatik der Melodielinien kamen zum Vorschein. Die Ekstase der „unendlichen Melodie“ und wogenden Musik kamen so unmittelbar im Zuschauerraum an und führten zu langen rauschhaften Momenten. Trotz mehrfacher kleiner Fehltritte bei den Celli (diese Anmerkung sei mir erlaubt), war es eine denkwürdige Leistung des Staatsorchesters.

Die Inszenierung von Uwe Eric Laufenberg setzte vor allem auf eine nachvollziehbare Personenführung, sehenswert war die Bühne mit wenigen Ausstattungen vor weißer Leinwand (Rolf Glittenberg). Die Kostüme von Andrea Schmidt-Futterer blieben einzig bei König Marke mit seinem leuchtend königsblauen Gewand in guter Erinnerung. Da gefiel die Lichtgestaltung (Andreas Frank) schon mehr, vor allem die vollständig düster dunkelblaue Nacht des zweiten Aufzugs. Während die Regie den ersten Aufzug noch weitgehend konventionell und nah am Text betrachtete, ist völlig unverständlich, warum im zweiten Akt die Liebesszene von kopulierenden Paaren in Nackt-Ganzkörperanzügen begleitet wird. Dieser intime Moment der Zweisamkeit von Tristan und Isolde wird dadurch und durch unnötige Videosequenzen (Gérard Naziri) auf der Leinwand im Hintergrund, die Liebesszenen aus alten Hollywoodfilmen zeigen, entwertet. Interessanter war die Deutung des dritten Aufzugs, als der Tod des Helden untermauert wird durch die Trauergemeinde von Kareol, die ihm ins Grab vorangeht. Tristan selber verlässt schon vorher seine Bettstatt, ein Nackter liegt derweil darin und somit singt die Seele Tristans weiter bis zu ihrem Tod. Die Inszenierung erfreut mit guten Aspekten, überzeugt aber nicht vollständig.

Das Wiesbadener Publikum jedenfalls feierte am Ende alle Beteiligten mit einem vulkanartigen Ausbruch, mit Standing Ovations und lauten und langanhaltenden Bravorufen. Vor allem die Sängerleistungen und die Orchesterklänge dieser Vorstellung werden in Erinnerung bleiben.

Fabian Kropf

 

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