TANNHÄUSER – großer Opernabend in Wiesbaden im Rahmen der Internationalen Maifestspiele
Besuchte Vorstellung: 27. Mai 2018
Seit der Intendanz von Uwe Eric Laufenberg bieten die alljährlichen Internationalen Maifestspiele reichlich Gelegenheit, international agierende Sänger zu erleben. Den Abschluss in diesem Jahr bildete nun seine Tannhäuser-Inszenierung in einer festspielwürdigen Vorstellung.
Auch bei wiederholtem Sehen zeigt sich die z.T. ausgeprägte Ideenlosigkeit dieser Produktion, die erst ab dem 2. Aufzug deutlich an Spannung gewinnt. Die szenische Hilflosigkeit in der szenisch unbewältigten Venusberg-Szene nebst zu intensivem Einsatz der Videofilme bleiben ein deutliches Manko dieser Produktion. Die Nackedeis sind nur oberflächliches Zierat und das häufige Herumräumen des Bühnenmobiliars ist störend, vor allem dann, wenn im Vordergrund gesungen wird. Ein Ärgernis ist auch nach wie vor die Verbannung des Schlusschores hinter die Bühne!
Sabina Cvilak als Elisabeth, hat mit der Elisabeth ihre bisher überzeugendste Rolle im deutschen Fach gefunden. Gut kommt hier die dunkle Stimmtönung zur Geltung. Nicht ganz auf dem Leistungsniveau der Premierenvorstellung, mit z.T. wieder flackernden, kehligen Höhen (Hallenarie), dann aber auch wieder anrührend, wie z.B. im Gebet des 3. Aufzuges. Jordanka Milkova als Venus hat sich seit der Premiere nicht erkennbar weiter entwickelt. Noch immer ist der Ausdruck pauschal und die Artikulation, vor allem in der angestrengten Höhe, ungenau. Im 3. Aufzug kämpfte sie, wie viele Venus-Sängerinnen vor ihr, mit den Höhen. Immer noch kein Spiel mit den Stimmfarben und auch szenisch zu wenig Dominanz. Nur Töne korrekt singen, Einheitsgesten…., nein, das reicht nicht. Es lohnt sich immer wieder einmal nachzuhören, was große Persönlichkeiten, wie z.B: Christa Ludwig, Grace Bumbry oder Tatjan Troyanos aus dieser Partie gezaubert haben!
Sehr erfreulich war die Wiederbegegnung mit Markus Brück, dem Premieren-Wolfram der Vorgänger Inszenierung am gleichen Haus im Jahr 2001 und zu jener Zeit geschätztes Ensemble-Mitglied in Wiesbaden. Brücks Stimme ist inzwischen deutlich gewachsen, kerniger geworden. Und dennoch, er kann es noch und wie: herrlichste Legatobögen singen, wissend, extrem verständlich den Text gestalten und im 3. Aufzug neben Tannhäuser absolut souverän auftrumpfen. Gerade der Dialog zwischen den beiden Protagonisten im 3. Aufzug hatte große deklamatorische Wucht. Danach allerdings schuf Brück einen geradezu magischen Moment, als er in seiner Version des „Abendsterns“ seine Stimme durchgehend auf ein körperliches Piano zurücknahm. Herrlich. Hinzu kam seine stimmtechnische Perfektion auf höchstem Niveau! Eine reife, eine überragende, eine festspielwürdige Leistung, die das Publikum restlos begeisterte.
Albert Pesendorfer war ein ausgezeichneter Landgraf, der seiner Partie nichts schuldig blieb. Begeisternd seine Sicherheit in der hohen Lage und die Fähigkeit, seine Stimme ausdruckskonform weich zurückzunehmen. Stimmlich und darstellerisch strahlte er große Autorität aus. Unter den Minnesängern ragte wie so oft Thomas de Vries als Biterolf heraus. Ein Paradebeispiel für souveräne Stimmbeherrschung und gelungene Rollengestaltung. Aaron Crawley als Walter bot reichlich Stimmklang, aber seine Spachgestaltung ist noch immer miserabel. Sehr schade, denn der Tenor hat gutes Potential. Verlässlich in den Ensembles agierten Joel Scott als Heinrich und Alexander Knight als Reinmar. Stella An war ein hell tönender, in der Intonation sehr sicherer Hirt.
Und Tannhäuser? Mit Klaus Florian Vogt war der Tannhäuser stimmlich ungewöhnlich besetzt. Vogt hat diese Partie bisher nur in einer Produktion des Nationaltheaters München gesungen. Vogt ist und bleibt ein lyrischer Tenor mit zuweilen knabenhaft, androgyn anmutender Stimmfärbung. Die auftrumpfende Geste einer schweren Tenorstimme entspricht nicht seinen Möglichkeiten. Die außerordentliche Helligkeit seines Timbres gewährleistet die besondere Tragfähigkeit seiner Stimme. Für die eher introvertierten Partien wie Lohengrin und Parsifal funktioniert das recht gut. Der Tannhäuser ist aber gänzlich anders gelagert. Natürlich kann Vogt mit seiner leichten, hellen Stimme, locker in der ungemütlich hohen Tessitura der Titelpartie agieren. Es geht also: Wagner sehr lyrisch zu singen. Vogt hat hier seine Nische gefunden, wenn er seine Partien fast überwiegend mit der Kopfstimme singt.
Und doch: Vogt überraschte an diesem besonderen Abend stimmlich und als Interpret mehrfach. Seine stimmlichen Möglichkeiten sind nämlich inzwischen hörbar gewachsen. So gelang ihm eine durchgehende vorzügliche Steigerung seiner Venus-Verse. Gerieten die Natur-Beschreibungen noch sehr kopfig, zuweilen knabenhaft tönend im Klang, markiert wirkend, so war sein deutlich maskulinerer Stimmklang bei „Oh Königin, Göttin, lass mich ziehn!“ außergewöhnlich und neuartig. Darin liegen seine stimmlichen Entwicklungsmöglichkeiten.
Hier sang Vogt nicht mehr so kopfig, sondern mit Bruststimme endlich volltönend im Körper verankert. In der Vergangenheit waren seine Atembögen eher begrenzt. Davon war an diesem Abend nichts zu hören. Im Gegenteil: Vogt phrasierte vorbildlich, immer textverständlich, sauber in den Vokalen, nie gefährdet in der Intonation und ausdauernd in der Kondition.
Die größte Überraschung war hingegen sicherlich seine Textgestaltung. Derart engagiert und vielfältig in der Farbgebung habe ich Vogt bisher nie zuvor erlebt. Seine Kommentare im Sängerkrieg waren genügend sarkastisch und provokativ. Und in der Konfrontation mit Wolfram im 3. Aufzug konnte Vogt glaubhaft die Wut und Gebrochenheit seiner gescheiterten Pilgerfahrt realisieren. Das war ein deklamtorischer Schlagabtausch auf beiden Seiten mit großem Seltenheitswert. Klasse! In der Romerzählung zeigte er Mut zur Hässlichkeit, sehr expressiv mit großem Kontrastreichtum in allen dynamischen Schattierungen. Ironie, Sarkasmus, Wut, Verzweiflung…..alles war da. Großartig seine lange Zäsur vor den Zitaten des Pabstes. Ungemein überzeugend der hier gänzlich andere Stimmklang des imitierten Pontifex. Mit dem Tannhäuser ist Klaus Florian Vogt auf einem neuen Weg seiner stimmlichen und künstlerischen Entwicklung. Das Ergebnis war verblüffend, sehr überzeugend und so gab es auch für ihn verdienten, überreichen Jubel.
Wie zu hören ist, so soll Vogt an der MET in absehbarer Zeit auch den Tristan singen…..
Spannend wird im nächsten Jahr dann die Wieder-Begegnung der Produktion bei den Maifestspielen 2019. Dann wird Andreas Schager sich der Titelpartie annehmen.
Chor und Extra-Chor des Staatstheaters in der Einstudierung von Albert Horne sangen mit stimmlicher Verve und agierten mit darstellerischem Engagement. Allerdings gab es auch so manches „Schwimmfest“, da die Tempovorstellungen zwischen Graben und Bühne auseinandergingen.
GMD Patrick Lange und das Hessische Staatsorchester sind inzwischen hörbei gut aufeinander eingestellt. Erfreulich nun auch, dass Lange es etwas ruhiger angehen ließ, wovon gerade die lyrischen Stellen profitierten. Hier hatten die Holzbläser, vor allem die eindringlich tönenden Klarinetten, ihre eindrücklichen Momente. Hingegen ist das Vorspiel zum 3. Aufzug noch immer übereilt musiziert. Lange sorgte vor allem im 3. Aufzug im Gebet der Elisabeth und noch mehr bei Wolframs Abenstern für verzaubernde Momente. Das in diesen Tagen viel geforderte Staatsorchester spielte konzentriert und mit hörbarer Beteiligung. In Summe eine gelungene, hefti akklamierte Interpretation.
Jubelchöre des ausverkauften Hauses für alle, vor allem für Klaus Florian Vogt und Markus Brück.
Dirk Schauß