Wiesbaden: „GÖTTERDÄMMERUNG“ – 23.04.2017
Catherine Foster (Brünnhilde). Copyright: K & M Forster
Der „Ring“ hat sich mit der „Götterdämmerung“ (Richard Wagner) unter der Regie von Uwe Eric Laufenberg am Hessischen Staatstheater geschlossen. Gleich einer Zeitreise durch Epochen der Antike von der Wiege des Nomadentums bis in Gegenwart erzählte der Regisseur diesen gewaltigen Musikepos und verstand es in vortrefflicher Weise die Figuren des dritten Ringtages in Charaktere unserer heutigen Zeit zu formen. In großartiger natürlicher Darstellung spielten sich die Darsteller in personifizierten Konstellationen die Bälle zu, allen voran die phänomenale Brünnhilde (Catherine Foster).
In höchst ästhetischer Assoziation verband Gisbert Jäkel die Bühnenelemente, setzte ins Walküren-Hippodrom gekonnt Brünnhildes Glasbungalow, verlieh der Gibichungen-Halle geschmackvoll-würdige Dimensionen. Die teils übertriebenen Videoeinblendungen (Falko Sternberg) wirkten zuweilen eher störend als nützlich. Elegante typengerechte Kostüm-Kreationen (Antje Sternberg) erwiesen sich als echte lohnenswerte Hingucker, ebenso die wenigen stilistisch –passenden Mobilar-Accessoires. Gewiss hätte man sich die bewaffneten und Fahnen schwenkenden Mannen ersparen können, dafür boten die attraktiven halbseidenen Töchter des Etablissements „Zum Rheingold“ für optische Abwechslung.
Fazit: eine optisch gelungene Visualisierung des Tetralogie-Finales und vom Publikum sehr wohlwollend honoriert.
Als unübertroffen strahlender Fixstern am Wagner-Firmament dürfte gegenwärtig die Brünnhilde von Catherine Foster gelten und avancierte mit beseelter Darstellung und unvergleichlicher Vokalkultur zum umjubelten Höhepunkt der musikalisch ebenso hörenswerten Produktion. Frau Fosters ebenmäßig in allen Lagen höchst ansprechender Sopran faszinierte die Hörer gleichwohl während der lyrischen Passagen im herrlichen Aufblühen der Emotionen als auch während der gewaltigen dramatischen Ausbrüche. Die exzellente Sängerin verstand es auf wunderbare Weise ihrem ebenmäßig strömenden Organ unter Vermeidung jeglicher Schärfen, satte Grundierungen der warmen Mittellage zu entlocken, den Fortebögen strahlenden Silberglanz zu verleihen. In nie nachlassender Qualität von Zu neuen Taten bis zum finalen großartigen Starke Scheite adelte Foster auf göttliche Weise das Wotanskind. In jeder Phase der vokal intensiven Verkörperung gesellte sich eine vorbildliche Artikulation der unvergleichlichen Künstlerin und trug so zum optimalen Rollenportrait bei.
Gewiss verfügt Andreas Schager (Siegfried) über immense heldentenorale Mittel und dürfte an st(r)ahlkräftigen Resonanzen seinesgleichen suchen, doch frage ich mich als Zuhörer, geht ein Sänger derart unbekümmert mit Stimmreserven um – wie lange noch? Bei aller Würdigung seines beeindruckend eingesetzten Materials, der stabilen Mittellage, der atemberaubenden Technik, den mühelosen Höhen ließ der Sänger (in meinen Ohren) warme Farben, tenorale Abstufungen, ja selbst zuweilen verbindliche Tonalität vermissen.
In bester Diktion, herrlich sattem Altregister und enormen Höhenaufschwüngen ihres prächtigen klangvollen Organs versuchte Bernadette Fodor (Waltraute) leider vergeblich, Brünnhilde zum Ringverzicht zu bewegen und glänzte zudem als hervorragende Erste Norn.
Gleichmäßig strömend im Mezzoton vermittelte Silvia Hauer die Zweite Norn und verführerisch die Flosshilde. Kein Wunder an den scharfen Soprankanten der Dritten Norn (Sabina Cvilak) musste das Seil zwangsläufig zerreißen, auch hielt die Dame als Sexy-Gutrune vokal nicht, was sie optisch versprach. Klangvoller setzten dagegen Woglinde (Katharina Konradi) und Wellgunde (Marta Wryk) ihre akustischen wie optischen Reize ein.
Dem Bass von Shavleg Armasi (Hagen) fehlte es zwar an abgrundtiefer Schwärze, doch verstand es der Sänger mit herrlich strömendem Material zu punkten und der Partie im intellektuellen Spiel völlig neue Nuancen zu verleihen.
Mit mächtigem, schön timbriertem Bassbariton gab Thomas de Vries den Einflüsterungen Alberichs zwingendes Profil. Als Fehlbesetzung erwäge ich Matias Tosi als wankelmütiger Gunther. Vortreffliche Leistungen boten hingegen Chor und Extrachor (Albert Horne) des Hauses und fügten sich ausgezeichnet ins Geschehen.
In geradezu bewundernswertem Dirigat gestaltete Alexander Joel am Pult des prächtig aufspielenden Hessischen Staatsorchesters Wiesbaden das geniale Musikwerk zum großen Klangerlebnis. Breit, getragen, transparent in vielfältigen Schattierungen animierte Joel den Instrumentalkörper zu interessanten Klangnuancen. Stets behielt der versierte Stabführer die Oberhand mit wachem Blick zur Bühne und gestaltete dank aller orchestralen Gruppierungen sehr eindrucksvoll pompöse Solomomente (Rheinfahrt, Trauermarsch).
Zu Recht wurden die Musiker in den finalen Jubelsturm um Foster und Schager etc. mit einbezogen.
Gerhard Hoffmann