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WIESBADEN: GÖTTERDÄMMERUNG oder Flimmerdämmerung? Premiere

24.04.2017 | Oper

HESSISCHES STAATSTHEATER WIESBADEN: GÖTTERDÄMMERUNG  / FLIMMERDÄMMERUNG?

Premiere am 23. April 2017

Hessisches Staatstheater Wiesbaden

In einem außerordentlich hohen Kraftakt schloss sich nun der „Ring“-Zyklus mit der „Götterdämmerung“, inszeniert von Uwe Eric Laufenberg. Sein Konzept einer „Zeitreise“ durch verschiedene Epochen wurde mit der „Götterdämmerung“ nicht erkennbar weiter verfolgt. Somit befinden wir uns nach dem „Siegfried“ immer noch in einer gegenwärtigen Welt mit Büromaterial und bekommen hier wieder so manches bildliche Zitat anderer Inszenierungen zu sehen. Siegfried betritt laut gähnend, „bewaffnet“ mit einem Elektrorasierer und einem Kaffee sein Glashaus. Laufenberg ist erkennbar verliebt in seine Ideen, die kein sinnvolles Ganzes entstehen lassen. Natürlich gibts wieder (zu) viele Videos zu sehen und zwischen den handelnden Personen passiert erstaunlich viel……, nämlich nichts! So ist z.B. Hagen von staunenswerter Harmlosigkeit, ein netter Schreibtischtäter. Keine Bedrohlichkeit, Dämonie oder Dominanz.

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Katharina Konradi, Marta Wyk, Andreas Schager, Silvia Hauer Foto: Karl & Monika Forster

Immerhin gibt es (warum erst jetzt ?) den ein oder anderen szenischen Querverweis auf die anderen „Ring“-Opern. So taucht die Ellipse aus der 1. Szene des „Rheingoldes“ hier nun in der Rheintöchter-Szene des 3. Aufzuges auf, ergänzt durch einen Tresen. Nun eine Bar….willkommen „Zum Rheingold“. Diese bildlichen Banalisierungen ergeben weder Sinn, noch offenbaren Sie einen anderen Blickwinkel. Verschenkt.

Bei Waltrautes Erzählung ist für längere Zeit plötzlich der Wanderer auf der Bühne und hört zu. Brünnhilde registriert ihn und….? Das wars. Keine Interaktion. Nichts.

Gut gelöst war hingegen die Verwandlung Siegfrieds in die Person von Gunter.  Die Illusion, hier Gunter zu sehen, habe ich bisher noch nicht so überzeugend gesehen. Ungewöhnlich die Idee, bei Siegfrieds Tod, wesentliche Requisiten der anderen Ring-Opern als Stätte der Erinnerung zu zeigen. So sehen wir das Monument der Walküre, den Tarnhelm, den Amboss oder auch Sieglindes Kleid.

Dennoch: selten war in einer „Ring“-Inszenierung derart viel szenischer Leerlauf zwischen den handelnden Personen zu bestaunen.

 

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Shavleg Armasi, Chor und Extrachor des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden. Foto: Karl & Monika Forster

Auch in der Führung des Chores gab es keine markanten Ideen. Eine Armada aus Schwarzhelmen, die lediglich als Pulk aufmarschiert und szenisch recht blass wirkt, da half dann auch das eher unmotivierte Gerenne des Chores nichts. Und das ständige Fähnchen schwingen, wann immer es etwas zu jubeln gab, nervte.

Unfassbar einfallslos der fast konzertante Schluss, in welchem Brünnhilde an der Rampe ihren Gesang absolviert und wie ein Verkehrspolizist mal hierhin und dorthin deutet, schließlich abgeht und der Rest ist dann……Videofilm! Sonst nix!

Doch halt: dann kommt Gutrune zum Erlösungsmotiv auf die Bühne und schaut mit dem Fernrohr ins Publikum! Das war doch? Richtig, vor gut 30 Jahren bereits in Frankfurt bei Ruth Berghaus Inszenierung zu sehen!

Warum nun also dieser „Ring? Denn als Leistungsschau kam das Hessische Staatstheater doch erkennbar an Grenzen, was nicht verwunderlich ist. Die Inszenierung eröffnet keine neuen Blickwinkel, spart Natur und Mythos aus. Die Personenführung ist oftmals beziehungslos, starke Charakterisierungen entstehen kaum. Starke Bildeindrücke gibt es nicht. Und ist in der Regie kein Einfall drin, dann hilft nur noch der Videofilm. Viel zu oft! Ein szenisch vergesslicher „Ring“ also…….Und die Musik?

Musikalisch erschien auch der vierte Abend der Tetralogie z. T. ambivalent. Mit Catherine Foster hat Laufenberg eine sehr gute Wahl für die Brünnhilde getroffen. Foster ist erkennbar in der Rolle angekommen und bietet sängerisch nahezu alles, was sich ein Zuhörer wünscht: mühelosen, ausdauernden und wissenden Gesang. Sie nutzt vielfältig und sehr differenziert die dynamische Skala. Die Textverständlichkeit ist sehr gut und glücklicherweise ist sie auch in der Lage, den Text intensiv zu gestalten. Einige deutlich zu tief gesungene Höhen seien nicht verschwiegen. Im Schlussgesang war aber dann alles im Lot. Andreas Schager als Siegfried war auch hier wieder sein unbekümmertes Selbst. Er sang frisch drauf los, als gäbe es keinen nächsten Morgen. Alles sehr laut, nicht selten zu hoch, vor allem dann, wenn er forcierte. Hierzu besteht keinerlei Anlass, denn er ist sehr gut in der Lage, diesmal auch die beiden geforderten hohen C’s,  diese fordernde Partie gut zu singen. Was ihm fehlt, ist die Freude an der dynamischen Differenzierung. Auch eine sinngebende Textgestaltung ist bei ihm eher zufälliger Natur. Auffallend bei ihm wieder der hohe Anteil an Textfehlern. Davon abgesehen, dürfte es derzeit weltweit keinen Siegfried-Sänger geben, der derart mühelos, konditionsstark und stimmschön diese Partie singt! Shavleg Armasi ist eine ungewöhnliche Besetzung als Hagen. Kein baumlanger Kerl (Anm.d. Red.: Warum auch? Er ist ein Albensohn), sondern eher von gedrungener Gestalt mit vergleichsweise heller Stimme. Eher ein Bass-Bariton, d.h. keinerlei Bassesschwärze, dafür aber fulminant ausgesungene Höhen bei gutem Textverständnis. Gut erfasste er die Vielschichtigkeit seines Charakters, wenngleich er szenisch viel zu blass wirkte, was aber allein der Regie anzulasten ist.

Sabina Cvilak und Mathias Tosi als Gibichungen Paar Gutrune und Gunter wirkten an seiner Seite sehr blass. Cvilak irritierte mit mancher Vokalverfärbung und arg flackernden Höhen. Und Tosi wirkte als hagerer großer, kahlköpfiger Gunter eher optisch wie ein Hagen und erfreute wenig mit seinem kehlig fest klingenden Bariton. Warum auch Laufenberg Gutrune als Pseudo-Monroe-Verschnitt präsentieren musste, erklärt sich nicht und ist auch wiederum eine (zu oft) zitierte Interpretation anderer Ring-Inszenierungen.

Bernadett Fodor gestaltete ihre lange Erzählung als Waltraute eher eintönig und zeigte starke Registerbrüche, so dass die Tiefe oft nur im Sprechgesang bewältigt wurde.

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Thomas de Vries, Shavleg Armasi. Foto: Karl & Monika Forster

 Thomas de Vries als Alberich hingegen, zeigte auch hier in der eher kurzen Szene mit Hagen, wie spannend guter und vor allem textbezogener Gesang wirkt. Mit ausgeprägtem Legato und gezielten Wortakzenten stellte dieser außergewöhnliche Sänger seine Rolle in den Mittelpunkt. Das nächtliche Zwiegespräch zwischen Alberich und Hagen gerät wenigstens an dieser Stelle szenisch etwas eindrücklich. Hagen thront in der Bühnenmitte, während über ihm Alberichs Kopf als Video präsentiert wird. Sehr erfreulich, wie bereits im „Rheingold“, erklangen die „Rheintöchter“ (Katharina Konradi, Marta Wryk und Silvia Hauer). Das Zusammenspiel und die unterschiedlichen Timbres ergaben eine berückend homogene Gesamtwirkung. Als Nornen mit grünen Laserprojektionen gefielen stimmlich Bernadett Fodor (1.Norn), Silvia Hauer (2. Norn), wo hingegen leider hier bereits Sabina Cvilak (3. Norn) durch flackernde Höhen deutlich abfiel. Szenisch wirkte auch diese Szene durch unmotiviert wirkende Gänge reichlich zufällig.

Der Chor und Extrachor des Staatstheaters in der Einstudierung von Albert Horne erklang kräftig, präzise und in der Mannenszene hinreichend durchschlagskräftig.

Dirigent Alexander Joel zeigte in der „Götterdämmerung“ seine bisher überzeugendste Arbeit. Sein Dirigat zielte wieder auf Transparenz und Durchhörbarkeit. Sehr gut glückte die Balance zwischen Bühne und Graben. Die Sänger mussten nicht forcieren. Erfreulich große Bögen erklangen in den Zwischenspielen, vor allem in der Morgendämmerung. Dem Trauermarsch fehlte hingegen die Wucht. 

Immerhin musizierte das Staatsorchester weitgehend klangschön. Vor allem die Holzbläser erfreuten durch klar ausmusizierte Soli. Die Streicher intonierten sauber und sonor. Kleinere Malheurs im Blech fielen nicht zu stark ins Gewicht.  Erfreulich besser die Schlagzeuger, die diesmal nur zwei Schmisse in Siegfrieds Rheinfahrt hinlegten, sonst aber deutlich präziser am Werk waren.

Eher erschöpfter, aber einhelliger Applaus. Ovationen für Foster und Schager.

Dirk Schauss

 

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