Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

WIESBADEN: DIE WALKÜRE – Ein Pferd, ein Pferd!. Premiere

16.01.2017 | Oper

Hessisches Staatstheater Wiesbaden: Richard Wagner –  Die Walküre
Premiere am 15. Januar 2017

Ein Pferd, ein Pferd!

Walküren (c) K&M Foster
Copyright: K & M Forster

 Nun also „Die Walküre“ in Wiesbaden inszeniert von Uwe-Eric Laufenberg. Sein Ansatz, den „Ring“ als Zeitreise zu deuten, ist weder neu, noch wirklich gelungen. Nach einem „Rheingold“ in undefinierter Vorzeit, sind wir nun im 2. Weltkrieg des 20. Jahrhunderts angekommen. John Dew, Herbert Wernicke und Michael Leinert lassen grüßen, die ihre Inszenierungen ebenfalls zeitlich in dieser Epoche verankerten.

Der 1. Aufzug spielt bei Laufenberg in einem Wirtshaus, durch welches sich die gewaltige Esche durch die Decke bricht. Davon oberhalb eine Spielfläche, auf welcher immer wieder Brünnhilde erscheint und das Geschehen beobachtet. Allerdings müssen die Zwillinge schon blind sein, sie nicht zu bemerken….., nicht gut gearbeitet. Dazu gibt es wieder ein Kind und weiteres Personal als zusätzliche Spielfigur. Wer das ist und was das soll, wird nicht aufgelöst. Völlig verschenkt, weil szenisch nichts passiert, als der Lenz in den Saal lachen sollte……Brünnhilde beobachtet sodann auch das korpulierende Zwillingspaar beim Zeugungsakt. Vorhang.

Im 2. Aufzug befinden wir uns auf einem Schlachtfeld. Ein großes Soldatenzelt ist auf der Bühne zu sehen. Wotan, ein Kriegsgeneral, berät sich mit anderen Soldaten. Ah ja…..

Manche Details lassen aufmerken, werden jedoch nicht ins Spiel integriert, wie z.B. Freias Äpfel, die Wotans Tisch zieren. Bei der Todesverkündigung erscheinen antik gekleidete Statistenpaare und bebildern das, was Brünnhilde singt….“Wunschmädchen“ und werden zudem, wie im „Rheingold“ ein szenisches „Leitmotiv“ als Möbelpacker eingesetzt. Ah ja…..

Auch Wotan und Fricka sitzen am Tisch und gehen verschnupft ab, als Siegmund sich Brünnhildes Wunsch widersetzt. Böser Junge……

Am Ende des 2. Aufzugs fallen Hundings Schergen in einer Massenvergewaltigung über Sieglinde her. Solch ein Blödsinn! Das musikalische Geschehen benötigt solchen derben, primitiven Aktionismus nicht. Weniger wäre hier mehr! Ebenso im 3. Aufzug, nun ein Reitplatz. Und ja, es gibt ein echtes Pferd, reichlich nervös, fast angaloppierend (!) und dann mehrfach die Runde im schnellen Trapp nehmend! Einige entzückte Damen im Publikum beginnen zu klatschen. Doch das war es auch schon mit Zirkus „Walküre“! Während des Ritts darf die Reiterin Leichenteile auf die Walküren werfen. Ah ja…..

Brünnhilde wird am Ende in eine Germania-ähnliche Statue eingemauert. Dann gibt es etwas hobbyartige Feuerprojektion, die sich dann zu den Schlussakkorden in Videosequenzen der Wallstreet wandelt. Nur Feuer ist auch hier also dem inszenierenden Herrn Intendanten zu wenig. Nun ja…..

Positiv gegenüber der sehr blassen „Rheingold“-Inszenierung ist die Personenführung. Vor allem der große Konflikt zwischen Brünnhilde und Wotan wird anrührend gezeigt. Allerdings dann wieder auch vielerlei Leerläufe, z.B. im Dialog zwischen Fricka und Wotan oder viele szenische Chiffren, die keinerlei Auflösung erfahren

Fazit: Diese Inszenierung ist eher Zitatensammlung anderer Inszenierungen, garniert mit wenigen eigenen Einfällen. Tut nicht weh. Aber selbst das, strafte das Wiesbadener Publikum ab.

 Sängerisch war dieser Abend besser als der Vorabend geraten. Richard Furman (Siegmund) und Sabina Cvilak (Sieglinde) gaben ein darstellerisch überzeugendes Paar. Cvilak klang mit den Anforderungen der Partie stellenweise überfordert. Die Stimme begann in der Höhe zu flackern, zudem irritierten z.T. erhebliche musikalische Unsicherheiten, so in ihrer Erzählung „Der Minner Sippe“. Die Ausbrüche im 2. Aufzug gingen über ihre Möglichkeiten. An ihre Vorgängerinnen am Haus, Nadine Secunde oder die leuchtkräftige Sue Patchell durfte man da nicht denken. Eine andere, höhere Liga!

Furman bot nach meinem Eindruck seine bisher überzeugendste Leistung in Wiesbaden. Er bemühte sich erkennbar um Differenzierung, auch war die Textverständlichkeit deutlich verbessert. Allerdings ist sein Deutsch immer noch stark akzentbehaftet, vor allem in den „u“-Vokalen. Das enge Timbre bleibt Geschmackssache, klang oft eher wie ein Charaktertenor, auch brach die Stimme im Piano immer wieder mal weg. Dennoch fand er starken Anklang beim Publikum, sicherlich auch, weil er das dumme Vorurteil vom „blonden Hünen“ erfüllte. Finster und bedrohlich klang der klangvolle Bass von Young Doo Park als Hunding.  Allerdings wusste er mit dem Text so gar nichts anzufangen.

 Gesteigert hat sich Gerd Grochowski als Wotan. Aber er ist kein Wotan, weder im Auftreten noch in der stimmlichen Bewältigung. Bei ihm fielen deutliche Schwächen in der Höhe auf. Und wie schon im Rheingold, so sang er viele Phrasen kurzatmig. Sein Gesang klang zuweilen angestrengt, was auch äußerlich zu bemerken war, da sein Kopf bei Tönen in der Höhe z.T. heftgig wackelte. Dies erinnerte mich an Siegfried Jerusalem, der auch zu lange über seine Möglichkeiten sang und seine Stimme verfrüht ausbrannte. Seltsam auch die oft mümmelnde Artikulation Grochowskis, insbesondere konnte er Worte die auf „st“ enden, nicht artikulieren. Es blieben dann nur die ersten Silben, was dann eine eigene Sprache ergab. Verschenkt leider auch sein langer Monolog, der über wenige Laut/Leise-Effekte nicht hinaus kam.

Aber Übertitel sei Dank, so konnte der Zuhörer sich immer wieder orientieren. Auch hier hatte der Blick in die Vergangenheit des Hauses die haushoch bessere Alternative anzubieten. Unvergesslich das Rollendebüt von Robert Hale seinerzeit in Wiesbaden, der raumsprengend noch bei Wotans Abschied stimmlich durchstartete, als habe er gerade erst begonnen zu singen.

Sonja Gornik als Brünnhilde besitzt keine dramatische Stimme. Sie kommt eher von der Sieglinde, die sie in der gleichen Produktion bereits in Linz sang. Sie spielte sehr natürlich und begeisterte mit einer außergewöhnlich guten Textverständlichkeit. Die Stimme erklang weitgehend schlank geführt, erinnerte mich oft eher an einen soubrettigen Klang. Das Vibrato wirkte zuweilen unstet und in der Intonation vage.  Im dritten Aufzug konnte sie sich deutlich steigern. Aber mir erscheint dieses Fach für sie nicht wirklich geeignet.

Margarete Joswig sang sicher die Fricka, erschien mir aber auch, wie bereits im „Rheingold“ im Ausdruck, sehr eindimensional. Die Walküren wirkten nicht homogen im Klang, mitunter arg schrill. Aber gut, es sind eben Amazonen…….

 Bleibt das Dirigat von Alexander Joel. Er bleibt sich treu und damit seiner trockenen, völlig leidenschaftslosen Lesart, die keinerlei Ausbrüche oder gar Pathos zuließ.  Hörbar kein Interesse, aus den Nebenstimmen Klangschattierungen herauszuarbeiten. Vieles war für mich, vor allem auf Sicherheit bedacht, und dadurch wirkte die Darbietung erdrückend leblos. Schon der Gewittersturm war klanglich derart ausgedünnt, das dieser kaum über ein akustisches Wetterleuchten hinauskam. Immerhin waren fünf Kontrabässe am Werk, die aber befremdlich körperlos klangen. Die Pauken im Fortissimo-Ausbruch des Orchesters am Beginn waren kaum zu hören! Ein Novum! Auch das Finale des ersten Aufzuges musizierte er sehr gebremst, der Schlussakkord kam irgendwie zustande, erklang unfertig, geradeso geschafft. Über viele Gestaltungsmöglichkeiten wurde vor allem schnell hinweg gefegt. Das Staatsorchester spielte für seine Verhältnisse weitgehend klangschön. Ein Sonderlob dem Solo-Cellisten! Die in Wiesbadener „Ringen“ obligatorischen Schmisse, wie z.B. fehlender Beckenschlag bei „Ich berührte Alberichs Ring“ gab es aber auch hier. Musikalische Tradition gibt es eben auch in Wiesbaden……

 Viel Jubel für Sänger und Dirigenten. Buhs für den Hausherren und sein Team.

Dirk Schauß

 

 

 

Diese Seite drucken