Online Merker Logo

Die internationale Kulturplattform

WIESBADEN: DAS RHEINGOLD – Auftakt für einen neuen „Ring“. Premiere

13.11.2016 | Oper

„Das Rheingold“  Staatstheater Wiesbaden, Premiere am 13.11.2016

Auftakt für einen neuen „Ring“ in Wiesbaden, inszeniert vom Intendanten des Theaters, Uwe-Eric Laufenberg. Seine Ring-Inszenierung war bereits zur Eröffnung des neuen Theaters in Linz zu sehen. Nun also „Das Rheingold“ in einer harmlosen, reichlich konventionellen Inszenierung. Laufenberg bietet solides Erzähltheater, so dass auch „Ring“-Anfänger problemlos der Inszenierung folgen können. Anders ist das Ambiente, das Bühnenbildner Gisbert Jäkel geschaffen hat. Wotan und sein Götterclan sind Edel-Beduinen mit Turbanen bekleidet, hausen in einem großen Zelt vor den Toren Walhalls. Die Riesen sind elegant gekleidete Muselmänner. Freia kommt mit sieben Kindern auf die Bühne und Erda betritt sehr beiläufig das Zelt, um Steine zu legen. Begleitet wird sie dabei von den Rheintöchtern. Die Nibelungen sind hier eher nett schreiende Kinderlein, die dazu aufmerksam, bei der Aufschichtung des Nibelungen-Hortes, Wotans vergessenen Speer mitbringen! Erschreckend einfallslos ist die Personenführung. Oft stehen die Protagonisten beziehungslos auf der Bühne. Alberichs Wandel zum Machtmenschen findet nicht wirklich statt. Auch er bleibt als Figur eher freundlich, harmlos. Angst muss hier keiner haben…

Früher war es reichlicher Bühnennebel, der szenische Einfallslosigkeit kaschierte, hier war es die Videotechnik. Mal besser im Rhein-Bild und schlechter bei Alberichs Verwandlung. Vor allem seine Mutation zum Riesenwurm war lange nicht eindeutig auszumachen, wirkte eher wie der Blick in eine Speiseröhre. Doch dann, Potz Blitz, welch „genialer“ Einfall: Donald Trump goes Rhinegold! Sogar in Wagners Oevre war der allgegenwärtige künftige US-Präsident zu sehen! Hach, wie kreativ! Ein dümmlich, primitiver Gag!

Fazit: die Inszenierung bietet gepflegte Langeweile in nett anzuschauender Kulisse mit wenig Interaktion. Damit kann der Zuschauer sich deutlicher auf die Musik konzentrieren.

Aber auch sängerisch war es ein eher ambivalenter Abend. Sehr enttäuschend geriet Gerd Grochowskis blasser, ausdrucksloser Wotan. Mit mümmelnder, oft undeutlicher Diktion, geriet sein Wotan völlig zur Nebenfigur. Stimmlich gerade am Anfang auffällig kurzatmig, konnte er keinerlei Spannungsbögen aufbauen. Bereits die ersten Worte „der Wonne seligen Saal“ sang er im Forte, was überhaupt keinen Sinn ergibt und ihn dazu der Steigerung beraubte. Sehr schade, denn Timbre und Stimmgröße sind durchaus passend. Fricka wurde von Margarete Joswig eindimensional vorgetragen und wirkt in Teilen arg matronig. Betsy Horne als Freia und Benjamin Russell als Donner waren stimmliche Leichtgewichte. Auffallend stimmstark hingegen der Froh von Aaron Cawley. Überzeugend aufeinander abgestimmt die beiden Riesen, Fasolt und Fafner, gesungen von Albert Pesendorfer und Youn Doo Park. Pesendorfer war überaus engagiert und vokal dominant. Sicherlich wäre auch für ihn ein Wotan gut zu singen. Thomas de Vries war ein weitgehend schön singender Alberich, der sicher, aber meistens auch einfallslos, seine Partie gestaltete. Selten akzentuierte er seinen Text. So blieb er als Figur reichlich oberflächlich. Hingegen zeigte Erik Biegel als Mime in wenigen Minuten, wie schillernd eine Figur geraten kann, wenn der Text spannungsreich interpretiert wird. Romina Boscolos Erda begann mit eher gurgelnd-kehlig klingenden Gesangstönen verstörte hier zunächst, fand sich aber dann schnell in ihre Partie. Aber auch sie blieb als Figur blass. Exzellent das Rheintröchter-Trio von Katharina Konradi (Woglinde), Marta Wryk (Wellgunde) und Sylvia Hauer (Flosshilde). Hier stimmte einfach alles: Gesang und Gestaltung. Eine große Freude!

Bleibt die herausragendste sängerische Leistung des Abends zu loben: Thomas Blondelle als Loge! Mit starker Bühnenpräsenz, viel Stimmklang und vor allem vorbildlicher Textgestaltung und -verständlichkeit, verwies er seine Ensemblekollegen auf die hinteren Plätze. Er dominierte die Szene und damit den Abend. Ein großartige, frenetisch gefeierte Ausnahmeleistung!

Orchestral begann der Abend mit einer akustischen Überraschung. Denn das tiefe Es der Kontrabässe war erkennbar elektronisch verstärkt. Befremdlich…., zumal dieser Ton wie ein (zu lautes) Brummen die Balance trübte. Alexander Joel leitete das konzentriert und klangschön spielende Hessische Staatsorchester. Kleine anfängliche Trübungen in den Hörnern fielen nicht wirklich ins Gewicht. Seine Interpretation mied alle Extreme, konzentrierte sich allein auf Balance und Durchsichtigkeit. Pathos und auftrumpfende Orchestereffekte vermied Joel zu jedem Zeitpunkt. Somit geriet sein Dirigat sehr beiläufig. Er schöpfte keinerlei Kapital aus den tonmalerischen Schlagzeugeffekten des 1. Bildes. Auch die Zwischenspiele 2 und 3 erklangen rekordverdächtig harmlos aus dem Graben. Donners Gewitter würde kein Kind aus dem Bett werfen, so freundlich, leise tönte es daher und auch der Einzug der Götter in Walhall war an Beiläufigkeit kaum zu überbieten. Dies ging kongenial Hand in Hand mit dieser sehr faden Inszenierung, die am Ende zur Einzugsmusik ein großes Heer an Statisten aufbot, um die viele Möbelkisten wegzuräumen. Uff!

Am Ende des ausverkauften Abends viel und differenzierter Beifall für alle. Keine Buhs.

Dirk Schauß

 

Diese Seite drucken