2.2.2017 – Wiener Volksoper: Erich Wolfgang Korngold: „Das Wunder der Heliane“
Im Vorfeld der Aufführung wusste ich nicht, was mich erwarten wird. Einerseits die Neugierde auf ein vollkommen unbekanntes Werk. Andererseits die Inhaltsangabe, in welcher einerseits in einer ganzen Szene eine absolut nackte Titelheldin, andererseits aber auch eine Szene, in der eine Auferstehung sowie eine weitere Szene mit der Himmelfahrt der Titelheldin samt ihrem Geliebten, beschrieben werden. Angesichts solcher Szenen ist das einzig Richtige: das Werk konzertant aufzuführen.
Zunächst gebührt der Volksoper allerhöchstes Lob und Bewunderung dafür, dass sie dieses selten zu hörende Werk für drei Aufführungen in den Spielplan nimmt. Eine massive zusätzliche Erschwernis ist die Tatsache, dass nicht nur ein absolut riesiges Orchester, welches auf der gesamten Bühnenfläche samt hoch gefahrenem Orchestergraben Platz findet, sondern auch ein großer Chor, der die Hinterbühne ausfüllt, für dieses Werk erforderlich sind. Damit nicht genug sind im Zuschauerbereich auf dem 2. Rang auf der linken Seite der Jugendchor der Volksoper und auf der rechten Seite die Blechbläser des Bühnenorchesters positioniert. Beide haben mehrere durchaus bedeutende Einsätze.
Wie Herr Mag. Wagner Trenkwitz in einer sehr interessanten und informativen, aber auch witzig pointierten kurzen Einführung erzählt hat, handelt es sich um etwa 200 Mitwirkende, eine Zahl, welche selbst er noch nie bei einer Musiktheater-Produktion erlebt hat. Das Analoge zu Mahlers 8. Symphonie also? Hinsichtlich der eben erwähnten Einführung wäre es wünschenswert, wenn diese sehr begrüßenswerten Veranstaltungen in einem anderen Rahmen stattfinden würden.
Aktueller Schauplatz ist der Buffet-Raum am 2. Rang. Das Erreichen dieses Raumes stellt für viele ältere Besucher eine sichtlich große Mühe dar, noch dazu erlebt man dort dann eine unbequeme „Stehparty“. Störend wirkt sich dabei aus, dass auch während der Einführung Besucher am zentralen gelegenen Buffet konsumiert haben und die entsprechenden Geräusche die Ausführungen teilweise übertönt. Herr Mag. Wagner Trenkwitz ist – bedingt durch Säulen – auch nur von Teilen des Raumes zu sehen.
Nun aber zur Aufführung selbst, wobei ich die Handlung weitgehend außer Acht lasse. Eine kurze Bemerkung möchte ich doch machen, und zwar zu dem Herrscher. Dieser verbietet dem Volk Freude und Liebe. Alle Andersdenkenden und jene, die zuwider handeln, werden inhaftiert und zum Tode verurteilt. Weshalb ich diese Tatsache besonders erwähne, ist die traurige Aktualität, welche seit letztem Sommer genau solch ein Verhalten eines Despoten zeigt.
Jac van Steen hat als Dirigent wirklich Beachtliches geleistet. Einerseits hat er die oben beschriebene riesige Zahl an Mitwirkenden zu koordinieren, welche nicht alle in seinem Blickfeld agieren. Andererseits hat er auch mit dem Orchester viel Subtiles aus der Partitur herausgearbeitet. Das Orchester ist der Hauptakteur dieses Werkes, wobei auch die Begleitfunktion für Chor und Solisten wunderbar funktioniert.
Das Volksopernorchester (samt Bühnenorchester) hat hier gezeigt, dass es auch ein Werk, welches nicht unbedingt zum Kernrepertoire gehört, bravourös meistern kann. Intensive Probenarbeit hat sich ausgezahlt. Gleiches gilt auch für den Chor sowie den Jugendchor der Volksoper.
Über weite Teile der Oper spielt nur das Orchester, eventuell verstärkt durch den Chor. Die Augen schließen und die Klangmassen genießen! Dabei hört man v. a. im 2. und 3. Akt viel Bekanntes. Bei sehr wohl eigenständiger Musik meint man doch sehr oft, dass man gerade Puccinis „Turandot“ hört. Aber auch Assoziationen zu „Madame Butterfly“ tauchen auf wie auch zu allgemeinem Puccini-Klang. Eine weitere Oper, an welche man sich immer wieder erinnert fühlt, ist „Arabella“ von Richard Strauss. Auch „Salome“, sonstiger Strauss-Klang sowie Wagner-Andeutungen sind erkennbar. Selbst wenn man die Musik nicht gerade einem bestimmten Werk oder Komponisten zuordnen kann, so hat man das Gefühl, dass man diese äußerst gefällige Musik kennt.
Die Solisten machen allesamt ihre Sache sehr gut. Annemarie Kremer ist eine bewundernswerte „Heliane“, der als einziger eine Arie gegönnt ist. Mit makelloser Stimme sowohl in der Höhe als auch in den übrigen Lagen überzeugt sie. Schade, dass sie so wortundeutlich singt, dass man bei ihr nichts versteht. Ganz anders die Männerriege, die alle mit absoluter Wortdeutlichkeit punkten.
Martin Winkler als „Der Herrscher“ dominiert mit seinem mächtigen Bass-Bariton das Geschehen. Die Gefährlichkeit und Bösartigkeit des Despoten kommen in seiner Stimme sehr gut zum Ausdruck. Daniel Kirch bis zum Selbstmord des „Fremden“ im 2. Akt fast die ganze Zeit auf der Bühne. Sein kraftvoller Tenor meistert problemlos die vermutlich sehr anstrengende Partie und zeigt keinerlei Ermüdungserscheinungen.
In der kleinen Rolle des „Schwertrichters“ kann Mehrzad Montazeri überzeugen. In weiteren Rollen sind Martina Mikelic als „Die Botin“, Andreas Mitschke als „Der Pförtner“, Szabolcs Brickner als „Der junge Mensch“ sowie die 6 Richter mit Karl-Michael Ebner, Ben Connor, Daniel Ohlenschläger, Christian Drescher, Michael Havlicek sowie Yasushi Hirano besetzt. Sie alle machen ihre Sache sehr gut. Für Martina Mikelic gilt dasselbe wie für Annemarie Kremer: leider absolut wortundeutlich. Aber dies ist Kritik auf hohem Niveau.
Abschließend möchte ich nochmals der Volksoper zu dieser großartigen konzertanten Produktion gratulieren, ebenso all jenen Personen, welche die Möglichkeit hatten, in einer dieser drei Aufführungen dabei gewesen zu sein.
Dieter Haberler