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WIEN/Staatsoper: CARMEN – da blieben einige Wünsche offen

24.01.2018 | Oper

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Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

WIEN / Staatsoper: CARMEN – Da blieben einige Wünsche offen

23.1. 2018 – Karl Masek

Die letzte Vorstellung vor der „159. Aufführung in dieser Inszenierung“ war am 13.9. 2016, das ist also schon eine geraume Weile her. Rekordverdächtige acht Debüts gibt es diesmal zu vermelden.

Jean-Christophe Spinosi dirigierte nach elfmal „Barbiere di Siviglia“ nun erstmals „Carmen“und  war – bringen wir es hinter uns – die größte Enttäuschung eines Opernabends, an dem einige Wünsche offen blieben. Er vermochte der Aufführung keinen gestalterischen Stempel aufzudrücken. So schwung- und espritlos war schon lange keine „Carmen“-Aufführung. Zu sehr hatte ich den Eindruck der „angezogenen Handbremse“. Nur kein Risiko eingehen, nur keine Spannung aufkommen lassen! Einen Abend lang wurde ich das Gefühl nicht los: Man musste sich erst wie bei der ersten Probe miteinander zusammenfinden, sich über gemeinsame Tempi einig werden.

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Piotr Beczala, Margarita Gritskova. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Dennoch gab es des öfteren Momente, wo Solisten und Orchester (z.B. im Schmugglerquintett), Chor und Orchester (z.B.  beim A deuxcuartos – Chor des Schlussbildes) alles andere als exakt zusammen waren. Auch den Sängern war der französische Dirigent mit korsischen Wurzeln wenig hilfreich, wenn er offensichtlich nicht mit ihnen „atmete“ und  etwa zu spät reagierte, als Piotr Beczala das abschließende Carmen jet’aime seiner Blumenarie kürzer als „vorgesehen“ nahm und der Akkord des Orchesters prompt hinterher hinkte.

Die wunderbaren 47 Takte am Beginn des 2. Aktes, bevor Carmen ihr Chanson Les tringles des sistrestintaient… anstimmt, waren keinen Moment lang die improvisatorisch wirkende locker-leichtfüßige Einstimmung zu einem orgiastisch gesteigerten Tanz in der Schenke des Lillas Pastia– der dann auch relativ unlustig exekutiert wurde. Ganz ohne „Più animato“ …

Das Orchester der Wiener Staatsoper spielte diesmal über weite Strecken so, wie vor ihnen dirigiert wurde: Seltsam erdenschwer, mit stumpfem Klang, ohne Verve.

Der Chor der Wiener Staatsoper (Leitung: Thomas Lang) bemühte sich nach Kräften, die Kinder der Opernschule der Wiener Staatsoper sangen den „Chor der Straßenkinder“ animiert und spielfreudig. Hier schienen noch viele Details aus der Personenführung der Uralt-Inszenierung von Franco Zeffirelli aus dem Jahr 1978 intakt zu sein.

Von den zehn Sänger/innen waren gleich sieben Debütanten. In der Reihenfolge des Programmzettels:

Margarita Gritskova sang ihre erste Carmen im Haus am Ring. Eine junge, schöne, rollengerecht verführerische und auch durchaus frivole Zigarettenarbeiterin mit schöner Stimme, im Laufe des Abends auch imposant gesungenen Höhen. Die letzte (annähernd) idealtypische Carmen war vielleicht die junge Agnes Baltsa. Von Frau Gritskova ähnliches zu verlangen, wäre beim Debüt mehr als vermessen. Die „Habanera“ hatte noch nicht das zwingend Auftretende einer raumfüllenden Bühnenpersönlichkeit. Bei der Seguidilla hatte sie sich freigesungen. In der Kartenszene machte ihr die tiefe Lage aber doch ziemlich Mühe, auch für eine dramatische Bewältigung der Schluss-Szene wird es sicher noch einige Aufführungen dauern.Also, ein bisschen Geduld!

Piotr Beczala (RD) war der stilistisch unanfechtbare Don José. Edles Timbre, gute Verblendung der Register. An diesem Abend schien er aber besonderes Augenmerk auf die musikalische Bewältigung legen zu müssen (vielleicht war er aber auch nicht wie gewohnt optimal disponiert?). Schauspielerisch schien er lange Zeit sehr verhalten an diesem Abend.

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Simana Ivan, Carlos Alvarez, Margaret Plummer. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Carlos Álvarez hatte als „Escamillo“ – wie die allermeisten seiner Rollenvorgänger – auch einige Mühe mit dieser eigentlich sehr undankbaren Rolle und den vertrackten tiefen Tönen.

Olga Bezsmertna konnte mit ihrer ersten „Micaëla“ auch nicht ganz an große Erfolge der vorigen Saison anschließen. Wurde das Duett mit José im 1. Akt noch mit spontanenBravi belohnt, so war sie bei dergroßen ArieJe disquerien ne m‘épouvantevielleicht auch ein Opfer des besonders langsamen Tempos. Flackernde Tongebung war die Folge. Die Buhrufe von der Galerie waren allerdings überzogen und hatten prompt solidarische Bravorufe zur Folge.

Simina Ivan (Frasquita), Margaret Plummer (Mercédès, RD), AykMartirossian (Zuniga, RD), Orhan Yildiz (Morales) und die ebenfalls erstmals die Schmuggler singenden Carlos Osuna (Remendado, RD) und Igor Onishchenko (Dancairo, RD) traten wieder einmal den Beweis an, dass das Staatsopern-Ensemble intakt ist und junge Stimmen nachkommen, bei denen man aufhorcht.

Volles Haus, auch am Stehplatz war man dicht gedrängt. Sehr viel junges Publikum diesmal. „Ende gut, alles gut“ bei den Schlussvorhängen. Jubel in hohem Diskant. Es ist zu hoffen, dass man sich bis zur 161. Aufführung (29.1., Livestream!) wieder zu gewohntem Staatsopern-Weltklasseniveau aufschwingen kann. Da war diesfalls Luft nach oben.

Karl Masek

 

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