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Wiener Staatsoper REFLEXIONEN Dezember 2015

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Die Wiener Staatsoper

REFLEXIONEN Dezember 2015

 

 

 

 

 

WIENER STAATSOPER Publikumsgespräch mit Dominique Meyer und Thomas Platzer

Studio Walfischgasse am 15. Dezember 2015 (Teil 1)

 

Thomas Platzer, Dominique Mayer. Foto: ORF

Thomas Platzer, Dominique Mayer. Foto: ORF (aus einem älteren Gespräch im Marmorsaal)

In seiner Einleitung stellte Hausherr Dominique Meyer fest, dass die neue Spielstätte Studio Walfischgasse der Wiener Staatsoper mehr Freiheit gäbe, da sie Parallelveranstaltungen zum großen Haus ermögliche. Dies sei in der Oper auf Grund der Einlaß-Regelung nicht möglich. Direktor Meyer sprach auch von einer bisher »schönen Spielzeit«, und dass viel geschehen sei im Zuschauerraum und den Büros.

Des Hausherrn Stellungnahme zur Neufassung des Bundestheater-Organisationsgesetzes mag einige überrascht haben: »Ich sehe eine sehr wichtige Neuigkeit in dem Gesetz, dass wir eine Dreijahresplanung haben. Wenn man budgetmäßig keine Sicherheit hat, ist es ein Problem. Es ist leider nicht so langfristig wie es sein soll, weil wir viele Sachen vier bis fünf Jahre im voraus planen sollen.«

Die finanzielle Seite sei nicht großzügig, »unser Budget ist sehr eng im Vergleich zu anderen Opernhäusern. Aber ich kann verstehen, dass die Regierung Probleme mit dem Budget hat, jeder muss seinen Beitrag leisten. In vielen Ländern hat man Kürzungen zu erleiden, hier hat man einen Zusatz von 14 Mio. EUR bekommen.«

Die letzte Spielzeit endete mit einem Einnahmenrekord von zum ersten Mal mehr als 34 Mio. EUR. Dies sei seit seinem Amtsantritt eine Steigerung von 6 Mio. EUR. Als Vergleich führte Herr Direktor Meyer wie bereits im Publikumsgespräch Mitte Juni die drei Berliner Opernhäuser an, welche gemeinsam um ein Drittel weniger einnehmen.

Es sei eine schöne Tradition, daß man täglich 580 Stehplätze zur Verfügung stelle, es gebe ein sehr gemischtes Publikum. »Ihr seid es alle gewöhnt, es war immer so. Ich komme aus der Fremde, dort ist es nicht so. Ich finde es schön, wenn man sich am Tag der Vorstellung dazu entscheiden kann, in die Oper zu gehen.« Er habe auch nicht im Sinn, die Eintrittspreise für die Stehplatzkarten zu erhöhen, nicht zuletzt, weil der Beitrag zu den Einnahmen eher gering sei. Die Auslastung des Stehplatzes sei um 4 bis 5 % gestiegen.

Dominique Meyer hatte auch eine gute Nachricht: »Wir haben einen Konzertmeister, einen sehr guten Konzertmeister: José Maria Blumenschein.« Herr Blumenschein gewann das Probespiel bravourös, es war kein Probespiel mit Orchester notwendig. Herr Blumenschein war bisher Konzertmeister des WDR Symphonieorchester Köln sowie des Orchesters der Bayreuther Festspiele. In der Jury saßen alle Konzertmeister bis auf Herrn Prof. Küchl.

Der Hausherr vergaß nicht zu erwähnen, daß sich auch ein paar Musiker des Staatsopernorchesters beworben hatten. »Auch die Jüngste im Orchester hat sich beworben und wurde Zweite beim Probespiel.« Die Zahl der Frauen im Orchester wachse regelmäßig, das gehe in einer »logischen, normalen Richtung«, da viel mehr Mädchen als Burschen an den Musikschulen studierten: »Wir müssen bald die Damengarderoben vergrößern.«

Bei den medialen Neuigkeiten erwähnte Dominique Meyer als erstes den Bildband zur Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper. »Es gibt nicht viel Text und bla bla bla, wo man sich wichtig macht

Die DVDs zu Puccinis La fanciulla del West und Undine sind soeben erschienen, für CD ist der Mitschnitt zu Verdis Un ballo in maschera unter Claudio Abbado in Vorbereitung.

Die Staatsopernproduktion von Humperdincks Hänsel und Gretel wird am 24. Dezember 2015 auf arte, am 27. Dezember in ORF2 und am 2. Jänner 2016 auf ORFIII ausgestrahlt: »Sie haben also keine Entschuldigung, das zu versäumen!« Eine DVD-Produktion ist in Vorbereitung, ebenso wie für Johanna Doderers Fatima oder von den mutigen Kindern (Uraufführung am 23. Dezember 2015 an der Wiener Staatsoper). Und Ballettfreunde dürfen sich sogar auf zwei »Zuckerln« freuen: Als dritte der Nurejew-Choreographien an der Wiener Staatsoper wird Ludwig Minkus’s Ballett Don Quixote ebenso vom ORF aufgezeichnet wie Manuel Legris’s erste Choreographie von Adolphe Adams Le corsaire (Première am 20. März 2016).

Dominique Mayer redet gerne mit „seinem Publikum“. Dieses Foto stammt aus dem vorjährigen Gespräch, noch im Mahler-Saal. Copyright: Peter Skorepa

Dominique Mayer redet gerne mit „seinem Publikum“. Dieses Foto stammt aus dem vorjährigen Gespräch, noch im Mahler-Saal. Copyright: Peter Skorepa

 

Thomas Platzer beantwortete eine Publikumsfrage zum Themenkomplex Live Stream und Kartenverkauf, dass er keine Kannibalisierung des Opernbesuchs durch den Live Stream erkennen könne. Die Zuseher würden eher zum Opernbesuch animiert. Die Staatsoper änderte ja kürzlich ihre Live Stream-Strategie und bietet nun das Jahres-Abonnement um EUR 159,– sowie ein Monats-Abonnement um EUR 16,90 an. Es gibt eine Vereinbarung mit A1, eine mit UPC ist in Vorbereitung. Die Live Streams der Wiener Staatsoper sind nun auch weltweit via Apple TV abrufbar. Dominique Meyer merkte an, dass es oberstes Ziel sein müsse, den Zugang zu den Streams so einfach wie möglich zu gestalten. Und im Gegensatz zum Internet ist bei einer Ausstrahlung via Fernsehkanal (A1,  UPC) die Datenmenge und damit die Qualität kein Problem.

Zum Spielplan der nächsten Saison verriet der Hausherr, dass es auch an der Wiener Staatsoper »Richard Strauss-Tage« geben werde: »Das ist schon programmiert. Mit großen Sängern!« Details waren Dominique Meyer auch auf Nachfrage nicht zu entlocken. Auf Die Frau ohne Schatten, das opus summum der Zusammenarbeit von Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss und der Wiederkehr des 100. Jahrestags der Uraufführung am 10. Oktober 2019 angesprochen, erwiderte Direktor Meyer launig, dass er Jubiläen und Jahrestage nicht schätze.

Direktor Meyer würdigte auch ausdrücklich den erst kürzlich verstorbenen Peter Ulrich Bender, der sowohl die Kinderoper betreute als auch die Vorsingen organisierte. »Er hat mich immer zum Flughafen gefahren, hat mich noch drei Tage vor seinem Tod zum Flughafen gebracht… Wir waren alle traurig im Haus. Wochenenddienste, Abenddienste zu Weihnachten oder Silvester: Er hat immer diese Dienste gemacht, sodass jene mit Familie ruhig feiern konnten. Er war eine herrliche Persönlichkeit…«

Der Hausherr schloß seine Berichterstattung mit einem Bekenntnis: »Es ist immer noch dieselbe Freude, an diesem Opernhaus arbeiten zu dürfen. Ich bin so glücklich, daß ich so eine tolle Mannschaft habe! Wir bereiten für den Opernball ein Buch vor mit Fotos von Lois Lammerhuber. Ich mache selbst die Texte: Wie die Verwaltung der Oper arbeitet, oder wie man von einem leeren Blatt Papier zu einer Opernproduktion kommt.«

Die Veröffentlichung des zweiten Teils der Berichterstattung über das Publikumsgespräch ist für die Zeit um den Jahreswechsel geplant.

Thomas Prochazka
MerkerOnline

Publikumsgespräch mit Dominique Meyer und Thomas Platzer (Teil 2)
Ort: Studio Walfischgasse
15. Dezember 2015
Von Thomas Prochazka / MerkerOnline

Im Rahmen des Publikumsgesprächs vom 15.12.2015 zog Dominique Meyer auch eine Bilanz der bisherigen Spielzeit. Vier Premièren hätten bisher stattgefunden. »Macbeth werden wir lange spielen können. Die Inszenierung ist sehr praktikabel, die kann man gut im Spielplan einsetzen.«
Hänsel und Gretel habe man vor dem Zweiten Weltkrieg regelmäßig gespielt. »Hänsel und Gretel war immer eine Dirigentenoper.« Die größten Dirigenten — unter anderem Karajan, Solti und Strauss — haben die Oper immer wieder dirigiert, wenngleich die meisten auch nur für Platteneinspielungen: »Wenn man die Partitur gesehen hat, versteht man, dass die Dirigenten das machen wollen!«
Die Staatsoper bot mit Thomas Lausmann und Jendrik Springer zwei Korrepetitoren auf, die seit neun bzw. 15 Jahren auch in Bayreuth arbeiten. Christian Thielemann sei sehr angetan gewesen davon, wie gut die Sänger vorbereitet gewesen seien. Die »Echo-Stelle« im zweiten Akt war vorher aufgenommen worden und wurde während der Vorstellungen vom Band zugespielt. Im Lauf der Klavierprobe ging der Effekt im richtigen Tempo und an der richtigen Stelle los. Christian Thielemann habe sich nach dem hinter ihm sitzenden Direktor umgedreht: »Wie ist das möglich?« Dessen Antwort: »Ja, die zwei Herren kennen Dich halt!«
Bei Hänsel und Gretel gab es große Besetzungsprobleme: »Angefangen hat es mit Elisabeth Kulman. Das war ein schlimmes Problem für uns, denn man wollte nicht, daß man im Jahresprogramm N.N. stehen hat. Man müsse eine Frau haben, die, wenn möglich, Deutsche ist, der guten Aussprache wegen. Thielemann will ja immer die Aussprache genau haben. Also Daniela Sindram. Aber die konnte nur vier Vorstellungen machen.«
Im Laufe der Proben erkrankte Michaela Schuster. Dominique Meyer: »Ich glaube, daß die liebe Hexe mir alle anderen angesteckt hat.« Denn als nächste fiel Chen Reiss aus, Ileana Tonca sprang ein. »Thielemann war glücklich, er hält sie für eine gute Sängerin und setzt sie gerne ein. Frau Tonca war so gut vorbereitet, man hat das gar nicht gesehen.« Dann kam die Generalprobe, Daniela Sindram war krank, Margaret Plummer ersetzte sie. »Christian Thielemann fragte mich: ›Hast Du eine Fabrik da im Keller?‹«
Für die Première fiel Adrian Eröd aus, Clemens Unterreiner sprang ein. Gottseidank gab es dieselbe Besetzung für die zweite und die vierte Vorstellung, welche vom ORF für die Übertragung und die DVD mitgeschnitten wurden. Aber dann erkrankte auch Ileana Tonca, und Chen Reiss übernahm die fünfte Vorstellung. Da sie als Sophie im Rosenkavalier angesetzt war, konnte sie die sechste Vorstellung nicht singen. So stand in der sechsten Vorstellung ihr Cover Annika Gerhards als Gretel auf der Bühne, und Andrea Caroll, das Cover für Annika Gerhards, sang das Sandmännchen/Taumännchen… Dominique Meyer: »La Vie est un long fleuve tranquille…«
Zur am Sonntag vor dem Publikumsgespräch stattgefunden habenden Première von Leoš Janàčeks Več Makropulos bemerkte der Hausherr: »Die Produktion hat mich sehr glücklich gemacht. Peter Stein hat ganz fleißig gearbeitet! Es gibt tolle Bühnenbilder. Die Oper spielt in Wien, alles ist im Ambiente der 20er-Jahre.« Direktor Meyer empfahl den jungen Dirigenten Jakub Hrůša: »Der wird eine große Karriere machen!« In der Pause der Orchesterprobe sei ein altgedientes Mitglied der Streicher zu ihm gekommen und habe ihm stolz gesagt: »Heute habe ich nur einen Fehler gemacht. Das ist mein Rekord!« Dominique Meyer weiter: »Das Orchester hat nach der Première dem Dirigenten applaudiert.«
Im Fragenteil parierte der Hausherr Kritik aus dem Publikum an Dan Ettingers Tosca-Dirigat mit dem Hinweis, daß dies nur eine Einzelmeinung sei. Nach der Première von Več Makropulos habe ein Kritiker in einer Rezension sogar zwei Meinungen zu Jakub Hrůša gehabt…
Auf das Begehren eines anderen Besuchers nach einer Neuinszenierung von Emil Nikolaus von Rezniceks Donna Diana erwiderte Dominique Meyer: »Es gibt viele Stücke, die man machen möchte: Zemlinksy, oder Dantons Tod. Aber leider hat man ja nur einen Vertrag für fünf Jahre!«
Eine Besucherin artikulierte ihr Unverständnis darüber, daß sie gleich nach Erscheinen der Jahresvorschau trotz Bestellungen für die beste Kartenkategorie mit Ausnahme eines Balletts nur Absagen bekam, obwohl dann an den Vorstellungsabenden von Agioteuren immer noch Karten angeboten werden: »Ich bekomme in Salzburg alle Karten!« Thomas Platzer erwiderte launig: »Die sind nie voll. Wir sind immer voll!«

Thomas Prochazka
MerkerOnline 

 

 

 

Die Wiener Staatsoper in ihrem Studio Walfischgasse (18.12.): EINE VERGNÜGLICHE STUNDE LEBEN MIT LOTTE INGRISCH

von Meinhard Rüdenauer

 

Lotte Ingrisch

Lotte Ingrisch

„Ich freue mich, nach dem Tod weitersingen zu dürfen“, funkte Alfred Sramek an Staatsopern-Dramaturg Dr. Andreas Láng. Angesagt war er, doch der beliebte Kammersänger musste seinen Auftritt für Lángs unterhaltsame „Vec Makropulos“-Gesprächsrunde im Studio Walfischgasse der Wiener Staatsoper kurzfristig absagen. Hat er ja noch viel, viel Zeit, sich auf sein Ständchen dann da oben für die himmlischen Heerscharen vorzubereiten.

Leos Janáceks gerade so erfolgreich einstudierte Oper über das Schicksal und die Sterbestunde der 337jährigen Elina Makropulos hat zur „Werden wir nach dem Tod noch musizieren?“–Diskussion mit der Schriftstellerin Lotte Ingrisch und dem Quantenphysiker Univ.Prof. Dr. Helmut Rauch angeregt. Und da Ingrisch schon bestens versteht, mit längst Verstorbenen zu kommunizieren, war viel interessantes über Nahtod-Erlebnisse, über die Bakterien im Menschen, über Lichtgestalten in allen Kulturen und die diesbezüglichen Erfahrungen ihres verstorben Komponisten-Gatten Gottfried von Einem zu hören. Und so einiges mehr über in energetischem Zustand empfange Botschaften aus einer überirdischenWelt: „Wir streben dorthin, wir haben alle eine wunderbare Zukunft dort!“ Munter und mit liebenswürdiger Intensität vorgetragen – doch auch zum Schmunzeln anregend.

Österreichs großer Physiker Helmut Rauch war da schon ein bisschen anderer Ansicht. Behutsam wagte er zu widersprechen. Liebenswürdig gegenüber Ingrisch formuliert er: „Die physikalischen Fakten sprechen eine andere Sprache“. Und er erzählte, auch dem Laien verständlich, von Materie als konzentrierte Energie, über herumfliegende Moleküle, die Zusammensetzung des Weltalls. Entgegenkommend auch: „Es gibt lebendige und es gibt tote Atome. Und solche können sehr wohl wieder lebendig werden.“ Und weiter: „Wir müssen davon ausgehen, das wir noch andere Wellen, heute nicht bekannte, einmal erforschen werden können ….“ Lächelnd der Poetin zunickend: „Hängt wohl davon ab, welche Antennen der Mensch hat, welche Längenwellen ihm angeboten werden, welche er aufzunehmen vermag.“ Und da wir Lotte Ingrischs Antennen für diese Sequenzen auch gern vertrauen, hat sie uns im Opernstudio eine vergnügliche Stunde Leben vermitteln können.

Meinhard Rüdenauer

 

 
 
 

 
 
 
 

    

 

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