WIENER STAATSOPER.
IMPRESSIONEN ZUR SPIELZEIT 2017 / 2018
Fotografiert von Michael Pöhn und Ashley Taylor
Die schöne Blondine im himmelblauen Kleid, die am Titelbild der „Staatsopern-Impressionen“ der letzten Spielzeit kauert, würde man zwar nicht für die strahlende Verführerin Dalila halten, aber wir wissen ja, dass „Samson und Dalila“ nicht gerade die Glanzpremiere geworden ist, die man sich vorgestellt hat. Aber neben der Netrebko hält Elina Garanca seit nun schon mehr als einem Jahrzehnt den Status des Superstars, und so ist es logisch, dass die Staatsoper sie auf ihr Titelblatt setzt.
Seit nunmehr vielen Jahren dokumentiert sich die Ära von Dominique Meyer nicht nur mit rund 40 Stream-Übertragungen aus der Wiener Staatsoper (von denen einige glücklicherweise dann doch im Fernsehen landen), sondern auch mit den dickleibigen, viereckigen, „ziegel“-artigen Büchern, in denen sich eine Spielzeit kommentarlos (ohne Vorwort, ohne Nachwort) darstellt. Einzig in ihren Programmzetteln, die jede Besetzungsvariante aufzeigen, und den Fotos, die Michael Pöhn (für die Opern) und Ashley Taylor (Ballett) unermüdlich schießen – von jeder Vorstellung, von allen Besetzungsvarianten. Fakten, Fakten, Fakten. Wobei Bilder auch imstande sind, Inszenierungen in ihrer ganzen Verbogenheit zu desavouieren – etwa den „Trachten-Lohengrin“…
Im Grunde ist es ein Bilderbuch der Stars, Stars, Stars – wie auch anders, Highlights sind unweigerlich mit großen Künstlern verbunden: die Netrebko als Troubadour-Leonora und als Adriana Lecouvreur, Placido Domingo als anteilnehmender Germont, Piotr Beczala als Maurizio und Don José, Roberto Alagna als Otello und Samson, Jonas Kaufmann als Andrea Chenier, Juan Diego Florez als herausfordernder Herzog. Große Leistungen springen aus Bildern – Evelyn Herlitzius als Katja Kabanova, Waltraud Meier als Klytämnestra, Ferruccio Furlanetto als Gremin… man kann immer nur wenige nennen, genau so viele und mehr haben ähnlich große Leistungen erbracht.
Die „Dramaturgie“ der Seitengestaltung setzt auf jene Vergleiche, die Opernfreunde so lieben (denn sie kennen die Werke, sie gehen der Besetzungen wegen in die Oper), und die Gestalter des Buches haben die Sänger schön in ähnlichen Posen nebeneinander gestellt: Da lümmeln Carlos Alvarez und Simon Keenlyside als Almaviva im Lehnstuhl, werfen die Toscas der Adrienne Pieczonka und Angela Gheorghiu ihre herausfordernden Blicke, da konkurrieren die hübschen Damen – Rachel Frenkel und Margarita Gritskova als Rosina, Valentina Nafornita und Aida Garifullina als Musetta, Andrea Carroll und Hila Fahima als Adina.
Wichtig für die Gegenwart und für die Zukunft (da wird man nachschlagen und sagen: Da hat die XY schon die Barbarina, da hat der Z den Antonio gesungen, und heute sind sie Stars) sind die zahlreichen Fotos vom großen Ensemble des Hauses, die vielen jungen Sänger und Sängerinnen, die reich mit Chancen bedacht wurden.
Im allgemeinen konzentrieren sich die Fotografen auf einzelne Künstler, aber bei den Neuinszenierungen sieht man auch vereinzelt die Totale (sehr gut fürs Erinnern). Vom durchaus eindrucksvolle Ringelspiel für „Der Spieler“ bis zur brennenden Bühne im „Freischütz“. Und Ballettfans werden besonders bedacht – gerade ein Buch wie dieses zeigt, wie groß der Anteil des Balletts im Spielplan in der Ära Meyer ist, und da gibt es die Brillanz der Klassik und den stupenden Ausdrucksreichtum der Moderne.
Also: Hinein in den Rückblick!
Renate Wagner