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Wiener Staatsoper und Co.
MONATSRÜCKBLICK
Februar 2013
1. In eigener Sache
Um die Berichte aus der Wiener Staatsoper über die Aufführungen jeweils eines Monates abzurunden, hat sich unser Chefredakteur zu dieser magazinartigen Erweiterung entschlossen und mich damit beauftragt. Es soll nicht den Tageskommentar ersetzen oder konkurrieren, sondern innerhalb des Berichtzeitraumes eine Themenergänzung sein. Anregungen, Kritik, Lob oder Tadel erbitte ich an mich unter skorepa@hotmail.de weiterzuleiten.
2. Ka Göd, ka Musi
Wir sollten uns nicht wundern, wenn die maßgeblichen Herren aus der Führungsriege der Wiener Staatsoper und der Bundestheater bei der Mitte März fälligen Programmpressekonferenz nackt erschienen, um gemeinsam das Lamento über den erst jüngst wieder mit 4,2 Mio Euro aufgebesserten Budgetrahmen anzustimmen. „Wir stehen jetzt nackt da!“, so der Bundestheatergeneral Dr. Georg Springer, was aber die Direktion des „Ackergauls“ (O-Ton H.v.Karajan) am Opernring nicht hindern wird, die neue Saisonplanung vorzustellen und die Karten zum Verkauf anzubieten. Die Rituale sind alt, die Politik und deren verlängerter Arm, die Bürokratie, die haben das Haus noch nie im Regen stehen lassen – es geht ja um das Prestige der Republik bzw. um Ansehen und Renommée der gerade an der Macht befindlichen Politiker – wohl aber geht es manchmal auch um einen nicht genehmen Direktor und dessen Wunsch nach einer Vertragsverlängerung oder wenigstens nach einem Ehrenjahr, wie es einst Direktor Drese gerne zugestanden bekommen hätte. So einer blitzt dann mit seinen Wünschen ab.
Rund 300 km westlich von Wien, bei den Salzburger Festspielen gehen derzeit ähnliche Spielchen vor sich. Die Saison 2013 wird bereits verkauft, da nimmt ein Mitglied des Kuratoriums Anlauf zu einem Intendanten-Bashing und verlangt eine finanzielle Überarbeitung der Planungskosten, weil die begleitende Kontrolle zu dem limitierten Budgetrahmen von 60,0 Mio Euro eine drohende Überschreitung von rund 5,0 Mio Euro wittert.
Da wie dort wird von den Direktionen die Politik, die in Form der Aufsichts-oder Beiräte oder ähnlichem ausgetrickst, mit dem Wissen, dass die Finanzfeuerwehr in Form außerplanlicher Zuschüsse bereit steht. Spätestens dann, wenn Neuwahlen die alten Politiker fortgeschwemmt haben werden.
In Salzburg steht ein Intendant in der Kritik, der kaum auf seinem Sessel warm geworden, schon unter strenger Beobachtung des Salzburger Bürgermeisters steht. Schon 2004 hat man Ähnliches das „festspielpräludierende Intendanten – Waderl – Beißen“ genannt. Damals ging es um Nebengeschäfte des Intendanten Dr. Ruzicka, ihn trafen die merkwürdigen Misstöne der „Kleinen Machtmusik“ von Bürgermeister Dr. Schaden, der damals dem Leiter des wohl größten Festival des Kontinents zumutete, während der Dauer dieses „die Stadt möglichst nicht zu verlassen“. „Stechuhrmentalität“ war die Antwort Ruzickas auf die etwas skurril anmutenden Forderungen. Es war derselbe Dr. Schaden, der Jürgen Flimm im Hinblick auf dessen Wünsche nach vorzeitiger Vertragsauflösung ausrichten ließ, „dass er sich das abschminken könne“. Und jetzt geht der schon erwähnte Fight Schaden versus Pereira in die nächsten Runden. Die Lösung wird halt wie immer eine „österreichische“ werden. Salzburgs Politiker werden vor den Wahlen im Mai wegen einer eventuellen Überschreitung in dieser Höhe nicht allzu viele Wellen schlagen, steht ihnen doch selbst schon wegen weitaus höherer Spekulationsbeträge das Wasser bis zum Hals.
Der Salzburger Bürgermeister scheint jedenfalls nirgendwo spekuliert zu haben.
P.S. vom 7.3.2013: Im Kuratorium zeigte man gestern noch zweifelhafte Einigkeit. Die Lösung klang nach: „Waschen wir ihnen noch einmal den Pelz, bevor wir die beiden, Präsidentin und Intendant, nass machen.“ Wer allerdings Bürgermeister Schaden zum Feind hat, der braucht sich um seine Zukunft in Salzburg keine Sorgen mehr zu machen, der hat keine mehr.“ Quasi für das Kuratorium sprechend schloss heute Schaden eine Verlängerung des Intendantenvertrages für Pereira über 2016 hinaus definitiv aus. La comedia non é finita.
P.S.
Doch zurück nach Wien:
3. Das Repertoire im Februar
Tara Erraught als „Cenerentola“. Foto: Barbara Zeininger
Zunächst gab es da aus der auslaufenden Premierenserie von LA CENERENTOLA noch vier Vorstellungen mit der umstrittenen Titelrollendarstellerin Tara Erraught (im Online-Merker im Jänner behandelt, dazu auch ein Bericht vom 1.2.). Die Jugend und der Ehrgeiz und die bisherigen Auftritte (siehe auch das Interview von Renate Wagner) der Mezzosopranistin lassen den Schluss zu, dass sie in ihr Fach mit einigem Erfolg hineinwachsen wird, allen Unkenrufen zum Trotz. Dass unser Haus, das ja ein erstes sein will, für seine großen Premieren den Ansprüchen eines solchen, die musikalische und gesangliche Interpretation anlangend, nicht gerecht wurde, das ist zusammen mit der nicht gerade sehr humorvollen Regiearbeit bedenklich, wäre doch gemäß Bundestheatergesetz „die Stellung im Kreis der führenden Häuser zu erhalten und weiter auszubauen“(§2,Pkt 4).
Nun wurde diesmal nicht nur von diversen Foren sondern auch von professioneller Kritik das „Match“ zwischen Theater an der Wien mit seinem köstlichen LE COMTE ORY von Rossini gegen die Staatsoper mit ihrer CENERENTOLA eindeutig mit 1:0 gewertet.
Was wäre aus dem Februar ohne einen Placido Domingo geworden, seine Qualität dominierte den Monat. Um ihn herum eine leidlich gute Sängerschar und ein ausgezeichneter Dirigent in den vier Vorstellungen des SIMON BOCCANEGRA. Schade, dass die Mitschnitte für den Rundfunk erst jetzt gemacht wurden, denn um den in Bestform befindlichen Star scharte sich in den vorhergegangenen Serien ein vielleicht um Grade stimmigeres Ensemble. Der Online-Merker war diesmal immerhin mit fünf begeisterten Kritiken dabei. (Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn)
Die drei Vorstellungen der MADAMA BUTTERFLY wurden von den Redakteuren nicht besucht, vielleicht in Unkenntnis einer Umbesetzung der Rolle des leichtlebigen Marineleutnants. Der junge und attraktive Tenor Jorge de Leon aus Teneriffa ist international schon dabei, im Spintofach in die Rollen etwa eines Cura oder Alagna hineinzuwachsen. (Foto: M.Pöhn)
Im eigentlichen Paraderepertoire des Hauses, nämlich bei Richard Strauss, konnte die Staatsoper wieder drei Mal mit der SALOME glänzen, unterstützt von Camilla Nylund als viel gelobte Tetrarchentochter und dem neuen Zisternenbewohner, James Rutherford. Peter Schneider war der von der Merker-Heft-Redaktion zu Recht so umschwärmte Dirigent. Alle drei Vorstellungen wurden Online beschrieben. (Foto: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn)
Ein BALLO IN MASCHERA beendete dessen Serie. Singt er oder singt er nicht, das war immer die Frage bei Roberto Alagna, der in der vorausgegangenen Vorstellung arg indisponiert war. Letztlich trat er doch an, siegte, vielleicht nicht auf allen Gesangslinien, aber er hatte einen guten Abgang „derstemmt“. Um ihn statt der vorgesehenen Frau Radvanovsky die interessante Einspringerin aus Bulgarien, Gabriela Georgieva als Amelia und ein eher blasser Beitrag des Baritons Gabriele Viviani. (Alles in einer Online-Kritik vom 3.2. zu lesen)
Über eine der beiden TOSCA-Aufführungen, jener vom 25.2. wurde im Online-Merker berichtet, eine der typischen Füllaufführungen in dieser Dauerinszenierung, mit Maria José Siri als Floria Tosca und Claudio Sgura als Scarpia, die Hausdebütanten und Alexandrs Antonenko mit einem Rollendebüt als Cavaradossi. Ihm kann man als Radames in der kommenden Neueinstudierung der AIDA wieder begegnen. (Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn)
Wer will da nicht der Verführte sein? Valentina Nafornita, Adam Plachetka. Foto: Barbara Zeininger
Und da gab es noch, eingerahmt vom Opernrepertoire, Ballettabenden und der höchstwahrscheinlich weitaus lustigeren Kinderzauberflöte den WIENER OPERNBALL. Ohne die Berechnung zu kennen, müssen wir davon ausgehen, dass der angegebene finanzielle Überschuss bei diesem Ereignis wirklich 1,1 Mio Euro beträgt. Da ja keine Beträge aus Zuschüssen in die Kalkulation eingeflossen sein können und die laufenden Kosten der Schließtage auch enthalten sein werden, kann man wie immer sagen: Der finanziell erfolgreichste Abend an der Wiener Staatsoper. Die künstlerische Linie des Hauses war jedenfalls durch das Ballett und vor allem mit dem Sängerpaar Valentina Nafornita und Adam Plachetka wirklich gut vertreten. Die Darbietungen der beiden hatten Geschmack und Qualität und hoben sich damit vom restlichen wichtigtuerischen Gehabe dieser Veranstaltung nur positiv ab.
4. Über den Tellerrand hinaus
Erfolge lassen sich weder herbeireden, noch erzwingen und als fertige Früchte fallen sie keinem in den französischen Gärten in den Schoß!
Die Serie der Da Ponte-Opern nach dem nur mäßigen Erfolg des GIOVANNI und nach der eher desaströsen NOZZE DI FIGARO zu beenden, war die beste Entscheidung. Dazu haben wir jetzt noch eine TRAVIATA aus demselben Stall der Provence, so neu aber so unansehnlich, wie es die alte Lebedame am Ring schon seit Jahrzehnten war. Mehr Mut zu hauseigenen Entscheidungen im Kernrepertoire, verehrter Herr Direktor. Wenn man schon Mozart einkaufen muss, dann wenigstens gute Ware. Gerard Mortier, das ist der mit dem großen Mundwerk aus Belgien, hat im Grunde eine gar nicht so aufregende Entscheidung für seine COSÍ FAN TUTTE gefällt, damit aber gleich voll ins Schwarze getroffen. Es muss ja nicht gleich ein Haneke sein, dessen Probebedingungen für das Theater an der Wien gar nicht erst annehmbar waren, aber mehr Mut, mehr Risiko müssen am Ring Einzug halten dürfen. Es fallen im italienischen Repertoire in Wien nur wenige Inszenierungen auf, die in Bezug auf Nachhaltigkeit ihre Qualität haben. Auch wenn sie typische Kinder ihrer Zeit sind, so haben die Entwürfe etwa von Zeffirelli, Schenk, Ponnelle und aus jüngerer Zeit Marelli wenigstens eine theatralische Wirksamkeit, auch wenn diesen Regiearbeiten eine gewisse Angestaubtheit nachgesagt werden kann. Also mehr Mut zu Eigenständigem, Neuem und Nachhaltigem.
Und da wir nicht ständig zwischen Wien und New York pendeln können, vermitteln uns wenigstens die Kino-Übertragungen überraschende Erkenntnisse aus der MET: Auch dort hat der „Trash“ – wie die Amerikaner dazu sagen – Einzug gehalten, die jüngste Aufführung des RIGOLETTO hat bewiesen, dass mehr szenischer Mut auch bei diesem Publikum anerkannt wird. Und beim PARSIFAL stellt sich an der MET ebenfalls wie in Madrid ein Haneke-Effekt ein. Francois Girard, der Regisseur des Parsifal, kommt aus der Filmbranche, seine bisher einzige opernaffine Arbeit war die Regie bei Stravinskys Ödipus Rex. Filmregie geht grundsätzlich geradlinig an den Stoff heran, denkt an detailreiche Personenführung und phantasiert in großen Bildern, alles Eigenschaften, die dichte Opernregie erwarten ließen und im Parsifal der MET auch die Erwartungen eingelöst haben. Der Online-Merker hat drei Eigenberichte eingestellt.
Peter SKOREPA/5.3.2013
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