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WIENER NEUJAHRSKONZERT 2020 – IM FERNSEHEN GESEHEN

01.01.2020 | Konzert/Liederabende

Andris Nelsons bei seinem Silvesterkonzert-Debut am Pult der Wiener Philharmoniker © Wiener Philharmoniker/Terry Linke
Andris Nelsons. Foto: Wiener Philharmoniker/Terry Linke

 

WIENER NEUJAHRSKONZERT 2020 – IM FERNSEHEN GESEHEN (1.1-2020)

(Heinrich Schramm-Schiessl)

Um gleich zu Beginn jeden Irrtum auszuschliessen – ich mag Andris Nelsons. In der Oper erfüllen mich seine Dirigate immer mit großer Zufriedenheit und so habe ich mich gefreut, als er für das diesjährige Neujahrskonzert von den Wr. Philharmonikern eingeladen wurde. Vielleicht waren meine Erwartungen etwas zu groß, denn irgendwie war ich ein bisschen enttäuscht. Es wurde nämlich wieder einmal der Beweis erbracht, dass es nicht genügt, die Stücke der Strauss-Dynastie und jener Komponisten, die sonst noch Eingang ins Programm dieses Konzertes finden, präzise einzustudieren. Das ist nur die Grundvoraussetzung, dass es überhaupt funktioniert. Die Vollendung dieser kostbaren Musik – sie ist ein  gutes Beispiel, wie sich Kunst und Kommerz vereinen läßt – wird erst erreicht, wenn diese präzise Einstudierung mit entsprechender Leichtigkeit und – mir fällt leider kein anderes Wort ein – mit einem gewissen Schmunzeln umgesetzt wird.

Um es gleich auf den Punkt zu bringen: Es war ein solides Konzert, aber leider nicht mehr. Nelsons hat das Orchester sicher präzise einstudiert und die Phiharmoniker setzten das mit großer Disziplin auch um, aber es fehlte eben diese Leichtigkeit und das Schmunzeln. Dies fiel  besonders bei den Polkas auf. Das sind musikalische Kleinodien, deren Flair sich erst erschließt, wenn sie besonders leicht und humorvoll klingen. Ähnliches gilt für die Walzer. Sie sind zweifelsohne – zum Teil sogar große – Konzertstücke, aber auch Tanzmusik. Daher muss man auch, wenn sie „nur“ als Konzertstück erklingen, die schwebende Bewegung, die einen Wiener Walzer ausmacht, spüren. Leider klangen in diesem Konzert sowohl die Polkas als auch die Walzer etwas „erdig“. Den besten Eindruck hinterließen für mich die Ouvertüre zu Suppés „Leichte Kavallerie“ – hier spürte man den Operndirigenten Nelsons – und die Auswahl aus den „12 Contretänzen“ von Beethoven.

Am Ende konnte auch der obligatorische Jubel nach dem Donauwalzer und dem Radetzkymarsch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich dieses Konzert nicht unter den ganz großen wird einreihen können.

Eine Enttäuschung auch die Dirigentenwahl für das nächstes Jahr. Man hatte es ja nach der Aussage von Vorstand Daniel Froschauer in einem Interview, es werde ein ganz berühmter Dirigent sein, der das Konzert schon dirigiert hat, befürchtet und wurde nun darin bestätigt. Es ist Riccardo Muti, der schon vor zwei Jahren mit Ausnahme einiger weniger Stücke nicht mehr wirklich glücklich machte. Es ist irgendwie – und man verzeihe mir die etwas drastische Formulierung  – ein Griff in die historische Mottenkiste.

Heinrich Schramm-Schiessl

 

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