WIENER MUSEUMSQUARTIER: Wiens Festwochen mit einem skurrilen Endzeitspiel und die ‚Libelle‘ als ein neuer kultureller Treffpunkt
Copyright: Wiener Festwochen
Die Wiener Festwochen 2020 nehmen in diesem Monat die beiden Hallen von Wiens Museumsquartier in Beschlag (bis 26. September). Und die neue „MQ Libelle“, um rund 7,5 Millionen Euro am flachen Dach des Leopold Museums errichtet, soll nun neugieriges Publikum in die Höhen über dem Kulturareal locken. ‚Eine öffentliche Terrasse ohne Konsumzwang‘, so möchte MQ Chef Dr. Christian Strasser diese neue bauliche Errungenschaft beworben wissen. Ist ab nun salopp für MQ Besucher mit Lift zu bewältigen. Trotzdem …. auch zum Konsumieren wird hier oben auf der weiten Terrasse und dem aufgesetzten und groß thronenden Veranstaltungsraum mit seiner geschwungenen Glasfront und einer aufwendigen abendlichen Lichtinstallation geworben.
Festwöchentlich ebenso salopp in der Halle G: „Farm Fatale“-Besucher dürfen sich einem originellen Endzeitspiel hingeben. Wie klingt Musik in solch ländlichen Überresten eines leer gefegten Bauernhofes auf unserer bereits devastierten Erde? Nun, der künstliche Musik-, Menschen- und Tiersound hört sich aus den Boxen noch irgendwie rhythmisch erfrischend und aufbauend an. Diese „Farm Fatale“ – das zweite Kurzgastspiel bei den Wiener Festwochen, eine Produktion der Münchner Kammerspiele – verführt mit einem besonderen Charme. Lieber gesagt: mit diffizilem schwarzen Humor in frecher bunter Kleidung. Konzept, Bühne, Regie sind aus einem Genuß: Inszenator Philippe Quesne, Chef des Pariser Theater Nanterre-Amandiers, ist ein wahrer Phantasiemann. Und in dieser fatalen Farm schlürfen fünf urige Vogelscheuchen herum, gemächlich und kraftlos, arbeitslos nun geworden, da es keine Vögel zu verscheuchen gibt – in der ausgestorbenen Natur finden wir auch keine Tiere mehr. Mit köstlich ausgefeilter Pantomime und Maskerade, mit einfacher Sprache und doch wohligem Klang wird ein theatralisch geglücktes Plädoyer gegen die heute rücksichtslose Ausbeutung der Natur vorgetragen.
Als ein Plädoyer für einen neuen kommunikativen Treffpunkt, als einen ‚Leuchturm für Kunst und Kultur‘ möchten Christian Strasser und Architekt Laurids Ortner die ‚MQ Libelle‘, diese sicherlich attraktive Novität gepriesen wissen. Ja, Schlagworte schwirrten bei der Eröffnung herum: „Leuchtfeuer für die Stadt, aufgeladen mit feiner Energie …. ein optimales Signal …. geschwungene gläserne Figuren auf dem steinernen Kubus …. die Lichtinstallation ‘Lichtkreise‘ als ein weithin sichtbares Zeichen des Museumsquartiers …. Ringe aus Licht über den Dächern kreisend …. die Lichtringe strahlen aus und ziehen an.“ Ja, es wird sicher so ähnlich gut funktionieren. ‚Kunst, Kunst, Kunst‘ ist hier ständig zu hören, doch heutzutage ist es zumeist eine in keiner Weise bewegende Kunst. Das Leopold Museum ist an und für sich keine baulich außergewöhnliche Schönheit, und auch die Bekrönung mit der Lichtwunder versprechenden Libelle wirkt sehr zweckdienlich, angemessen, keineswegs aber so richtig mit schöpferischer Phantasie hingezaubert. Doch dies ist nicht das Wesentlichste – zwei starke Argumente sprechen für diesen neuen Aufbau. Die Terrasse ist frei zugänglich für ein breites Publikum und bietet …. ja, bitte, der MQ Werbeslogan lautet: ‚Der Ausblick ist pure Magie‘. Und für jene, dich sich auch mit Kunst beschäftigen wollen: die Libelle wird sowohl vermietet werden und auch für Kunst & Kulturprojekte zur Verfügung stehen.
Meinhard Rüdenauer