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Wiener Konzerthaus ORFEO & MAJNUN. Partizipatives Musiktheater von Moneim Adwan, Howard Moody und Dick van der Harst

Österreichische Erstaufführung

12.06.2019 | Oper


Foto: Harald Lacina

Wiener Konzerthaus ORFEO & MAJNUN. Partizipatives Musiktheater von Moneim Adwan, Howard Moody und Dick van der Harst 10.6.2019 (österreichische Erstaufführung)

Die Uraufführung dieses interkulturellen, mehrsprachigen Musiktheaterprojektes, das Laien und professionelle Musikerinnen und Musiker sowie klassische europäische Instrumente und jene des orientalischen Kulturraumes vereint, fand am 29. Juni 2018 im Théâtre Royal de La Monnaie/ De Munt in Brüssel statt. Das Libretto von Martina Winkel basiert auf der antiken Sage von „Orpheus und Eurydice“, wie sie in Publius Ovidius Nasos (43 v.Chr.-17/18 n. Chr.) Metamorphosen (10,1-105) geschildert wird, und der Liebesgeschichte „Layla &Majnun“ (um 1188) des persischen Dichters Nizami von Gandscha (1141-1209) nach einer präislamischen, arabisch-beduinischen Legende. Diese berühmte Romanze diente auch als Grundlage für die erste aserbaidschanische und zugleich erste Oper der islamischen Welt und des Nahen Osten des aserbaidschanischen Komponisten Üzeyir Hajibәyli (1885 – 1948), die am 25.1.1908 im Haji-Zeynalabdin-Tagiyev-Theater in Baku uraufgeführt wurde. Es wird auf Englisch (Orpheus & Eurydike) und Arabisch (Leila &Majnun) gesungen, daneben gelangte die Amtssprache des jeweiligen Aufführungsortes zum Einsatz. Sieben Länder sind an dem Projekt beteiligt.Bislang wurde diese Produktion außer in Belgien und in Österreich, noch in Frankreich (Aix-en-Provence, Juli 2018), Malta (La Valletta, Oktober 2018) und den Niederanden (Rotterdam, Mai 2019) gezeigt. Künftige Aufführungen werden in Polen (Krakau, März 2020) und in Portugal (Santa Maria da Feira, Mai 2020) zu sehen sein.


Foto: Harald Lacina

Orfeo &Majnun ist ein von der EU im Rahmen von „Creative Europe“ gefördertes Projekt. Das Wiener Konzerthaus setzte in Kooperation mit der Brunnenpassage, der Basis.Kultur.Wien sowie mit einer € 40.000 umfassenden Kofinanzierung durch das Bundeskanzleramt dieses Projekt nun 2019 in Österreich um. Die beiden Liebesgeschichten entwickeln sich auf der Bühne aus der Perspektive von Eurydike und Leila. Die drei Komponisten Howard Moody (1964*?), Dick van der Harst(1959*) und Moneim Adwan(26.2.1970*) arbeiteten an dem Musiktheaterstück, das westliche und orientalisch-arabische Musik- und Gesangsstile kombiniert, zusammen. Howard Moody steuerte die Chorpassagen bei, Dick van der Harst zeichnete für den „westlichen“ Teil der Musik, die finale Überarbeitung und die Orchestrierung verantwortlich, während Moneim Adwan die Gesangstexte der arabischen Charaktere komponierte und die Orchestrierung des arabischen Musikteils besorgte. Die Französin Judith Fastattete die Rolle der Euridice mit ihremjugendlichen, hellen und höhensicheren Sopran aus. Der französische Bariton Yoann Dubruque war ein herzzerreißender Orfeo, der seiner geliebten, früh verblichenen Euridice nachtrauert. Die palästinensische Sängerin, Flötistin und Komponistin Nai Tamish Barghouti verlieh ihren dunklen ausdrucksstarken Mezzosopran der Rolle der Leila. Als ihr Geliebter war der palästinensische Sänger und Musiker Loay Srouji zu erleben. Die aus Linz stammende Schauspielerin und Kulturaktivistin Mercedes Echerer übernahm als „Erzählerin“ den verbindenden und zugleich erklärenden Teil zwischen den beiden Liebesgeschichten in deutscher Sprache, wobei sie den greisen Fährmann Charon, der Orfeo über den Totenfluss Lethe ins Reich des Hades und damit zu Eurydike bringen soll, in breitem Wiener Jargon anlegte. Der libanesisch-polnische Dirigent Bassem Akiki leitete das Orchestre des Jeunes de la Méditerrannée (OJM), das neben traditionellen europäischen Instrumenten wie Violine, Violoncello, Klarinette und Percussion auch orientalische wie die Oud (Kurzhalslaute), der Kanun (Kastenzither), die Ney (orientalische Längsflöte) und seltene europäische Instrumente wie die Gadulka (bulgarisches Streichinstrument), und die Tenora (katalanische Tenorschalmei) umfasste. Gemeinsam spielte das OJM mit der Webern Kammerphilharmonie der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Der seit 2007 bestehende Brunnenchor sowie Superar, ein Verein zur Förderung des aktiven Musizierens, Singens und Tanzens von Kindern und Jugendlichen, mit seinem Kinderchor unterstützten die Solisten in den prächtigen Chorpassagen. Martina Winkel, die das Libretto verfasste, hatte nicht nur die künstlerische Leitung und Regie über, sondern besorgte auch die Ausstattung sowie die Schattenspielsequenzen. Unterstützt wurde sie dabei von Airan Berg. Der in Johannesburg geborene Grafiker und Bildhauer Roger Titley entwarf das Design der völlig weißen Tierfiguren. Die in Wien geborene und in Innsbruck aufgewachsene Experience Designerin VeroSchürr sorgte für die typische artspezifische Bewegung dieser Tiere. Zu sehen waren Gazelle, Rabe, Schaf, Kamel, Wolf, Löwe, Adler, Luchs, Cerberus und Pegasus. Die Choreografin Marta Coronado entwickelte gemeinsam mit den Protagonisten und Protagonistinnen während der Proben das Bewegungsvokabular für dieses interkulturelle Großprojekt. Dean Milius schuf das Videodesign, Luc Schaltin zeichnete für das Lichtdesign verantwortlich. Der Franzose Daniel Léon besorgte das Sounddesign und die Belgierin Carolien Den Hond das Live-Video. Am Ende der etwa neunzig minütigen Aufführung spendete das begeisterte Publikum allen Mitwirkenden StandingOvations mit vielen Bravo-Rufen, denen sich der Rezensent gerne und aus vollem Herzen begeistert anschloss.                                                                                       

Harald Lacina

 

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