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Wiener Festwochen 2021: Auf Sinnsuche und „Unmoralische Geschichten“

24.08.2021 | Themen Kultur

Wiener Festwochen: Auf Sinnsuche und „Unmoralische Geschichten“ (24.8.2021)

Wiener Festwochen - Programm-Highlights 2021, Eröffnung

Hier sind sie wieder, die heuer zwangsweise gesplitterten Festwochen ohne Feste für die Wiener. Eine Veranstaltungsreihe für eine etwas breitere Bevölkerung oder eher nur gedacht für ein offenes Kunst- und jüngeres Schöngeistervölkchen? Jetzt innerhalb der nächsten vier Wochen zu sehen, und die nicht so unwichtigen Fragen dazu: Wie bringen wir „Altamira 2042“ – ein künstlerischer Dialog aus Brasilien über menschliche Eingriffe in bedrohte Flusslandschaften –  den Wienern näher? Was könnte an „Mitsouko & Mitsuko“ – eine Performance mit Video über eine japanische Romanfigur – interessant sein? Was versprechen wir uns unter „Agonistic Gatherings“ oder „Burt Turrido. An Opera“?

Eine erste Antwort gibt es auf die dreistündige Performance unter dem vielleicht verführerischen Titel „La Triologie des Contes Immoraux (pour Europe)“? Also ‚Unmoralische Geschichten‘ in drei sich extrem in die Länge ziehenden pausenlosen Teilen zaubert die französische Genderkünstlerin Phia Ménard in die Halle E des Museumsquartiers. Nein, nicht Zauberei, doch harte Bauarbeit, mit dem Material Pappkarton zuerst einmal. Kürzest beschrieben die endlos lange Geschichte: Mit langsamen schweren Schritten und maskulin wirkend baut Ménard unbeirrt eine stattliche Hütte auf (soll der Athener Parthenon-Tempel sein). Großer Aufwand! Ein ergiebiger Regenguss ergießt sich auf die Bühne, und das Tempelchen sackt in minutenlanger Erwartung langsam zusammen. Texte werden hierauf zitiert oder repetitiv gesungen. Auf Englisch, Isländisch, Französisch, Deutsch …. nun von ihr als eine vollendet gestylte Ego-Priesterin in glitzernder Gewandung vorgetragen. Jetzt bekommt auch die Performance ihr Format: Vier dunkel vermummte Gestalten laufen und turnen höchst emsig herum, werden von Ménard herrisch angeführt, fügen mit affenartiger Behändigkeit einen wahrlich imposanten Turmbau zusammen, der bis zur hohen Decke reicht. Das wirkt sehr wohl interessant. Ja, und dann wird noch mit nackter Weiblichkeit ein pessimistischer Schlusspunkt hinzugefügt. Über Ménards philosophisch zusammen getragene Gedankengut – zuerst das ‚Mutterhaus‘, dann der ‚Vatertempel‘ als ein angedachter europäischer Turmbau – ist im Programmheft nachzulesen.

Nicht Feste, sondern Denkanstöße will offensichtlich das Festwochen-Team nach dem Totaldebakel unter dem gefeuerten Unglücks-Intendanten Zierhofer-Kin einem bestimmten Wiener Kulturkreis bieten. Die derzeitige Leitung unter Führung des  belgischen Kultur-Netzwerkers Christophe Slagmuylder setzt vor allem auf Performances von Theater-, Musiktruppen aus aller Welt, sucht nach aktuellen wie originellen Kreationen für die Bühne. Und man sucht auch in Wien etwas mehr Fuss zu fassen. Nach ganzen sechs Jahrzehnten Wiener Festwochen mit so manch glanzvollen Episoden soll nun unter dem Titel ‚MITTEN‘ im neuen Festivallabor ‚Predictably Unpredictable‘ in der Nordwestbahnstraße locker über die Zukunft, über diskursive Programme, neue Perspektiven und Performances angedacht und gesprochen werden. Bei freiem Eintritt offen für alle an Diskursen mit Kunstschaffenden und Managern Interessierten. Info und Anmeldungen: www.festwochen.at/mitten. Von 9. bis 12. September ab 13 bis 19 Uhr …. und abends heißt es dann noch ‚MITTEN am Abend‘. Als ein Freiraum für vielfältige Begegnungen und Sinnsuche. Wohl nicht für ein großes Publikum, doch jedenfalls zuerst einmal ein Ansatz um aus der derzeitigen heiklen Situation heraus zu finden.

Meinhard Rüdenauer

 

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