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Wiener Festwochen 2018: Ein heikler Anlauf auf der Suche nach einer neuen Geistigkeit

10.05.2018 | Themen Kultur

Wiener Festwochen 2018: Ein heikler Anlauf auf der Suche nach einer neuen Geistigkeit

Ist es eine seriöse Suche nach einer neuen Geistigkeit oder doch nur eine unglückliche politische Rochade? Die vorjährigen Wiener Festwochen unter der neuen Leitung von Tomas Zierhofer-Kin sind wegen missglückt eingekaufter Produktionen wie ihrer Belanglosigkeit schwer in die Kritik geraten. Bei der Presse wie beim früheren Festwochen-Stammpublikum, an dem die derzeitige Programmierung gleichsam unbemerkt vorbei zielt. Der Auftrag des inzwischen resignierend zurückgetretenen Kulturstadtrates Andreas Mailath-Pokorny für den damals frisch gebackenen Intendanten lautet nach wie vor: Die Suche nach einem neuen Publikum, nach noch nicht kulturell belasteten jüngeren Menschen für die Festwochen! So hat es für den überraschend in diese Position gerutschten Zierhofer-Kin geheissen: Vielleicht kann es gelingen, den in Wien durch übermäßige und unkontrollierte Zuwanderung mehr und mehr auseinander driftenden Parallelgesellschaften eine aktuelle kulturelle Schiene vorzugeben.  

Eigenschöpferisch kreativ hat sich der musikalische Einstieg in die heurigen Festwochen nicht erwiesen. Zwei mal Musik, zwei völlig konträre Musikdarbietungen: Laut dröhnender kompakter Rock mit aufwendig besetzter Synthesizer-Kampfmanschaft, mit toll aufgebauschter Sound & Optik-Equipe, eingekauft in Manchester (New Order + Liam Gillick: So it goes … ). Tags darauf in arabischem Lande eingekaufter traditioneller orientalischer Gesang (The Song of Roland: The Arabic Version). Viel Publikum, ein stehend mitwippendes, hat sich dem New Order–Gedröhne in der großen Halle des Museumquartiers hingegeben – ein gleichsam anonymes Massenpublikum, welches normalerweise in der Wiener Stadthalle einquartiert gehört. 

Besinnliche Meditationsstimmunge bescherte dagegen Wael Shawkys 60minütige Orient-Ästethik des historischen Rolandsliedes im Theater an der Wien um einiges gesitteteren Festwochen-Besuchern. Der ägyptische Multimedia-Künstler Shawky bastelt international erfolgreich an Visual Arts-Performances. Alles von arabischen Wurzeln genährt. Hier: eine 18köpfige Männerschar, am Boden sitzend und trommelnd singt kehlig auf arabisch das altfranzösische Rolandslied–Versepos. Strophe auf Strophe (verständlich durch deutsche Übertitelung), mit langem Atem, in gleichförmig rhythmischem Sog und ohne weitere Aktionen: Der blutige Kampf Karl des Großen gegen die Sarazenen in Spanien – eine unbeantwortete Metapher über Konflikte und Machtkämpfe des Christentums mit der afrikanisch-arabischen Welt.      

Abwarten heißt es somit, wie es den diesjährigen Festwochen gelingen könnte, ein neues Publikum einzufangen und ob ein geistiger Aufwind zu erkennen sein wird. Jahrzehntelang haben die Wiener Festwochen gut funktioniert. Doch mehr und mehr ist das Kulturdenken der Stadtpolitiker auf die Marketing-Schiene gerutscht, hat sich gängiger Einkaufspolitik verschrieben. Luftblasen sind so entstanden, bereits vergessen sind wieder die Namen, Events der letztjährigen Festwochen-Gastspiele. Und nochmals: Ein Großteil des interessierten früheren Wiener Publikums hat sich bereits abgemeldet.

Meinhard Rüdenauer

 

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