Amtshaus Brigittenau, Erich Meder – Konzert am 20.Oktober 2016
KEIN „ALTER HERR KANZLEIRAT“! – Die Lebenslieder des Erich Meder
Zu einem ungewöhnlichen Musikprogramm hatten die Brigittenauer Operetten-Konzerte in den Festsaal des Amtshauses am Brigittaplatz geladen. Denn diesmal stand mit ERICH MEDER (1897-1966) kein Komponist im Focus des Interesses, sondern ein Textautor, der mit Stücken wie „Du bist die Rose vom Wörthersee“, „Der alte Herr Kanzleirat“, „Hallo, Dienstmann“ oder „Der alte Sünder“ Schlüsseltexte der Selbstdefinition des Wieners im Besonderen und der österreichischen Identität im Allgemeinen schuf. Mit dem Komponisten Hans Lang verband ihn eine jahrzehntelange Arbeitsgemeinschaft, aber auch Robert Stolz, Nico Dostal, Peter Kreuder und Peter Igelhoff vertonten seine Texte. Waren Meders Reime anfangs noch übermütig und frech, so wurde ihr Kennzeichen nach dem Anschluss von 1938 eine heiter-unverfängliche Biederkeit, die ihnen auch in den 1950er Jahren, als man von der NS-Vergangenheit schon bald nichts mehr wissen wollte, den Erfolg sicherte.
Dass das Brigittenauer Programm (Zusammenstellung, Moderation und Regie: Thomas Schmidt) die düsteren Zusammenhänge der Entstehungszeit der fröhlichen Gesänge nicht aussparte, sondern in Dialogen und Alltagsszenen aus der Zeit des 3. Reiches und des Kalten Krieges auf die Bühne brachte, war ein besonderer Verdienst. Lieder wie „Es kann im Paradies nicht schöner sein“ oder „So ein Regenwurm hat’s gut“ erhielten dadurch eine ganz neue, sinnfällige Bedeutung. Altbekannte Evergreens erschienen plötzlich in ganz anderem Licht und ließen keinen Platz für nostalgische Vergangenheitsverklärung. Auch für Meders private Nöte wurden eindringliche Bilder gefunden. Dessen ungeachtet wurden diese Klassiker der österreichischen Unterhaltungsmusik des 20. Jahrhunderts mit genau der musikalischen Delikatesse und gesanglichen Stilsicherheit dargeboten, die sie unbedingt brauchen.
Das war ohne Zweifel den drei hervorragenden Gesangssolisten und ihrem erstklassigen Begleiter zu verdanken. Elisabeth FELLNHOFER bot mit klangvoll-voluminösem Mezzo und drastisch-komischem Spiel eine rundum überzeugende Leistung. Ihre Fachkollegin Catrina POOR war dazu ein stimmiger Gegenpart. Sie setzte auf wohl gerundete Melodiebögen und auf dramatische Akzente. Der Tenor Thomas SCHMIDT erstaunte einmal mehr durch die Flexibilität und Vielseitigkeit seiner Stimme. Vom betörend gesungenen Tenorlied „Florentinische Nächte“ wechselte er mühelos zum locker servierten, rhythmisch pointierten Swing-Schlager. In den Ensemblenummern und Duetten ergänzten sich die Stimmfarben der drei Sänger aufs Beste. Überragend war auch Manfred SCHIEBEL am Klavier, dessen Fähigkeiten als (mitunter frei improvisierender) Begleiter von seinen Meriten als Solist (in selbstarrangierten Melodienfolgen) noch übertroffen wurden.
Wen wundert es da, dass am Ende die Begeisterung der Zuhörer so groß war, dass das Ensemble erst nach Wiederholung des Finales von der Bühne entlassen wurde. Von der Qualität der Brigittenauer Operetten-Konzerte können sich Musikfreunde beim Weihnachtskonzert am 15. Dezember 2016 (Beginn: 19:00 Uhr) erneut überzeugen.
Manuela Miebach