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WIEN / Volkstheater: ÜBERLEBENSWITZE. JÜDISCH

01.10.2012 | Theater

WIEN / Volkstheater / Empfangsraum:
ÜBERLEBENSWITZE. JÜDISCH
Erzählt von Inge Maux und Manfred Schmid
Special guest: Doris Weiner
1.Oktober 2012

Man kennt die Geschichte des „Empfangsraums“. Das damals noch „Deutsche Volkstheater“ erwartete einen Besuch von Hitler persönlich und ließ dafür ein eigenes Zimmer in einem Seitentrakt braun täfeln – was damals vielleicht als würdig und passend (die Farbe!) galt, uns heute aber einfach schrecklich vorkommt, muffig, schäbig, unfreundlich. Hitler kam nie, und der Raum lag brach. Als Direktor Michael Schottenberg hinter dieses „Geheimnis“ kam, wollte er die Räumlichkeit entsorgen. Wir kennen die urösterreichische Pointe: Von Beamtenseite wurde protestiert, „Denkmalschutz“ (!) angemahnt. Seither wählte „Schotti“ den Weg nach vorn: Er bespielt den engen, nicht sehr hohen, düsteren Raum. Und wie besser als mit dem wirkungsvollsten Widerstand überhaupt – mit jüdischem Witz?

Das muss man allerdings können, und seit dem Tod von Fritz Muliar ist diese Kunst nicht mehr so stark verbreitet. Das Ehepaar Inge Maux und Manfred Schmid (sie am Volkstheater, er leider nicht) gelten hier rechtens als Meister. Meister des Tonfalls und Meister dessen, was dahinter steckt. Frechheit. Weisheit. Brillanz. Intelligenz. Souveränität. Tiefer Humor. Die Lust an der Sprache und am Geblödel. Das spezifisch Jüdische eben. Darum war ihr Abend „Überlebenswitze. Jüdisch“ auch auf Anhieb ausverkauft. Die Sehnsucht nach dem Jüdischen – die beiden können sie befriedigen. Mit dahingeplauderten Witzen schlechthin, die von der befreienden Kraft des jüdischen Witzes zeugen – und mit Geschichten und Liedern.

Die beiden haben das über eineinviertelstündige Programm nicht vordergründig mit der Tragödie des jüdischen Volkes beschwert, und wo sie sich – wie auch anders – hineinwebt, dann zeigen sie, wie selbst diese mit Witz unterwandert werden kann. Wenn sich da zwei Juden bereit machen, Hitler zu ermorden, mit Waffen um 12 Uhr an der Ecke bereit stehen, wo er sonst täglich vorbeikommt, und vergeblich warten – da bemerkt um 12,15 Uhr der eine besorgt zum anderen „Es wird ihm doch nichts zugestoßen sein?“…

Da gibt es Erfahrungen von Woody Allen, Geschichten von Schoem Aleijchen, einen Bericht aus den Memoiren von Robert Neumann, der erzählt, wie die Juden im englischen Internierungslager nicht nur mit Rabbiner-Kasuistik das Beste aus ihrer Situation machten, sondern die guten Briten auch noch nach allen Regeln der Kunst manipulierten… Und wenn Manfred Schmid die Witze in der bewährten Endlos-Schleife aus dem Ärmel schüttelt, ist Inge Maux die Meisterin des jiddischen Liedes, dem man auch dann ergriffen lauscht, wenn man bestenfalls jedes fünfte Wort versteht…

Für einen kurzen Sonderauftritt stürzte noch Doris Weiner herein und warf ihrerseits ein paar brillante Witze in das vergnügte Publikum.

Renate Wagner

Die Nachfrage ist jetzt schon enorm, das Volkstheater wird den Abend im Lauf der Spielzeit noch mehrfach ansetzen.

 

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