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WIEN: VOLKSTHEATER-THEATER

07.04.2019 | Themen Kultur

WIEN: VOLKSTHEATER-THEATER

(Heinrich Schramm-Schiessl)

Warum gibt es heute keinen Nestroy mehr, was hätte der rund um das Theater mit dem Wiener Volkstheater für ein Stück geschrieben. Denn die Skurrilitäten rund um die Bestellung einer neuen Direktorin oder eines neuen Direktors für das Haus sind seit Anfang dieser Woche um eine Facette reicher geworden.

Doch von Anfang an. Anna Badora, der es gelungen ist, das Haus mit ihrem Erziehungs- und Belehrungstheater, sowie mit zweifelhaften Adaptionen von bedeutenden Stücken der Weltliteratur praktisch leer zu spielen, hat voriges Jahr verkündet, ihren 2020 auslaufenden Vertrag nicht verlängern zu wollen. Daraufhin schrieb die zuständige Wiener Kulturstadträtin, Veronica Kaup-Hasler, den Posten, wie es das Gesetz vorschreibt, aus, obwohl man ja weiß, dass sich die „Großen“ der Branche selten bewerben, da eine Nichtberücksichtigung doch einen gewissen Imageschaden darstellt. Gleichzeitig setzte die Stadträtin eine Findungskommission ein, die aus den Bewerbungen einen Vorschlag erarbeiten sollte. 72 Personen haben sich beworben, 9 wurden zu einem Hearing eingeladen und es war verwunderlich, dass entgegen den üblichen Wiener Gepflogenheiten, nichts von der Arbeit der Kommission nach außen gedrungen ist. Überraschend kam dann in den frühen Morgenstunden des 28.3.die Meldung, dass die Frau Stadtrat das Verfahren gestoppt hat. Als offzielle Begründung wurde angegeben, dass die Kommission sich außer Stande sah, ohne vorherige Erhöhung des jährlichen Etats einen Vorschlag zu präsentieren. Das scheint mir aber eher ein Vorwand zu sein. Ich vermute, dass sich die Kommission entweder auf keine Person einigen konnte oder die vorgeschlagene nicht den Intentionen von Frau Kaup-Hasler entsprach. Gerüchteweise hörte man, dass z.B, Maria Happel, die zum Hearing eingeladen war, und eigentlich die ideale Besetzung für diesen Posten wäre, da sie die Tradition der Emmy Werner fortsetzen könnte, als nicht jung genug empfunden wurde. Zuletzt wurde als mögliche Nachfolgerin Badoras die Deutsche Rita Thiele, ehemalige Dramaturgin bei Claus Peymann und zuletzt stellvertrende Intendantin des Düsseldorfer Schauspielhauses, genannt, die aber um einige Jahre älter als Happel ist. Mit ihr wäre dann Wien fast fest in der Hand der Deutschen Intendantenschule, zu der ja auch der neue Burgtheaterdirektor Martin Kusej, obwohl Österreicher, gehört.

Interssant ist in diesem Zusammenhang, dass der im Vorfeld oft als möglicher Kandidat genannte Paulus Manker, Sohn des ehemaligen VT-Direktors Gustav Manker und dessen Gattin, der Schauspielerin Hilde Sochor, sich zwar beworben hatte, aber nicht zum Hearing geladen wurde, womit wir beim eigentlichen Grund für diesen Artikel sind. Es war klar, dass es sich Manker nicht gefallen lassen wird, dass man sich sein Konzept nicht einmal anhören wollte und fand in der Tageszeitung „Kurier“ und dem ORF seine Mitstreiter. Der „Kurier“ widmete ihm am Montag einen ganzseitigen Artikel und der ORF lud ihn – übrigens bereits zum dritten Mal in den letzten neun Monaten – in die Kultursendung von ORF III am vergangenen Montag.

Wie sieht nun dieses Konzept aus. Manker möchte das Theater zu einer Erlebniswelt umgestalten, wo es keine Trennung zwischen Publikum und Darstellern mehr gibt und das ganze Haus und auch der Bereich davor miteinbezogen wird. Das bedingt praktisch einen Totalumbau von Bühnenhaus und Zuschauerraum und anderer Bereiche des Hauses und vor dem Haus sollen Container aufgestellt werden, bei denen man durch Gucklöcher die Schauspieler bei der Arbeit beobachten kann. In einer zweiten Phase soll das Haus dann zu einem Schiff umgestaltet werden. Soweit die Fakten. Die Antwort, wie das ganze zu bewerkstelligen ist, vor allen Dingen in finazieller Hinsicht, bleibt uns Manker natürlich schuldig. Bei derartigen Vorhaben muss man mit Kosten in Millionenhöhe rechnen, die jetzt noch gar nicht absehbar sind, weil man weiß, dass es bei derartigen Umbauten immer unvorhergesehene Kostensteigerungen – siehe z.B. Berliner Staatsoper – gibt. Wer diese Kosten tragen soll, brauche ich ihn nicht zu fragen, die Antwort weiß ich: Die öffentliche Hand – also der Steuerzahler.

Neben der Frage der Finanzierung sind auch zahlreiche logistische Probleme zu lösen. Ich kann mir zum Beispiel beim besten Willen nicht vorstellen, dass das Denkmalamt einer derartigen Aktion tatenlos zusieht. Auch die Platzfrage – das Volkstheater steht ja nicht auf einer freien Wiese, sondern mitten in der Stadt, noch dazu an einer der meist frequentierten Straßen, der sogenannten Zweierlinie – ist völlig offen. Die von Manker angeregte Sperre der Museumsstraße, die ein Teil dieses Straßenzuges ist, erscheint illusorisch, auch wenn ihm Stadtplaner – wahrscheinlich solche, die die Autos am liebsten komplett aus der Stadt verbannen würden – die Machbarkeit bestätigt haben. Auch die Sache mit den Gucklöchern in den Containern erscheint absurd. Jeder weiß, dass Schauspieler bei den Proben meist keine Zuschauer wollen und sie würden sich außerdem dabei möglicherweise wie die Darsteller einer Peep-Show vorkommen.

Abgesehen von diesem Konzept, das in meinen Augen völlig unausgegoren ist, stellt sich natürlich die Frage, womit legitimiert Manker den Umstand, dass er eigentlich der einzige in Frage kommende Direktor wäre. „In Wahrheit gehört mir das Theater“ sagt er, und beruft sich auf seine – sicher verdienstvollen – Eltern und dass er schon als Sechsjähriger offenbar bei den Proben im Haus sein durfte. Irgendwie vergisst er da, dass die Erbmonarchie abgeschafft ist und es vor seinem Vater auch schon erfolgreiche Direktoren in diesem Haus gab. Es ist sicher sein Recht, sich zu bewerben, aber darüber hinaus kann er nichts verlangen. Auch das von  manchen Seiten gebrachte Argument, er brächte eine gewisse Anhängerschaft mit, zieht nicht wirklich, denn diese kann das Haus auch nicht füllen.

Was soll nun in diesem „neuen Volkstheater“ gespielt werden. Obwohl Manker im „Kurier“-Interview einige Regisseure, u.a. auch Christoph Marthaler, nennt, geht es ihm doch in erster Linie darum, dass er für seine umstrittenen drei Produktionen – „Alma“, „Wagner“ und „Die letzten Tage der Menschheit“ –  einen  fixen, noch dazu von der öffentlichen Hand finanzierten – Standort hat, die dann dort in der Dauerschleife gespielt wurden.

Was die Sache für mich zusätzlich brisant macht, ist das mediale Lobbying, das jetzt offenbar einsetzt. Dass sich der „Kurier“, der private und aus der Wirtschaft kommende Eigentümer hat, von ihm instrumentalisieren lässt, ist die eine Sache, absolut untragbar erscheint mir aber, dass der der Republik Österreich gehörende ORF Herrn Manker fast zehn Minuten zur Primetime – man rechne das einmal in Werbekosten um – zur Verfügung stellt, um PR in eigener Sache zu machen, ohne dass die Moderatorin auch nur eine einzige kritische Frage stellt.

Man wird sehen, wie das Theater um das Volkstheater weitergeht und hoffen wir bis zuletzt, dass eine in erster Linie für das Publikum tragbare Lösung herauskommt.

Heinrich Schramm-Schiessl

 

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