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WIEN / Volkstheater: MEIN HUNDEMUND

25.01.2013 | Theater

WIEN / Volkstheater, Schwarzer Salon:
MEIN HUNDEMUND von Werner Schwab
Premiere: 25. Jänner 2013

Es war vor 20 Jahren, in der Silversternacht 1993/94, als der 35jährige Werner Schwab wieder einmal in besinnungslose Trunkenheit verfiel – und an seinem eigenen Erbrochenen (er hätte wohl gesagt: Gespeibe) erstickte. Seine Umwelt lag offenbar auch in „drunken stupor“ und konnte ihn nicht retten. Österreich verlor damals seinen führenden Dramatiker, der sich in etwas mehr als einem Jahrzehnt eine Stellung erobert hatte, die möglicherweise nicht seiner Leistung entsprach – aber er passte zeitgeistig in eine Welt, wo jede „ordinäre Eskalation“ automatisch bejubelt wurde. Immerhin hat er mit seiner „Mariedl“, die im Klo so intensiv in der Scheiße wühlt („Die Präsidentinnen“), ein Stück Theatergeschichte geschrieben.

Nach Schwabs Tod wurde es um ihn dann stiller, obwohl das übergroße Werk eines Vielschreibers vorlag. Nun, zwei Jahrzehnte später kann man unter dem Dach des Volkstheaters (früher „Plafond“, jetzt „Schwarzen Salon“) „Mein Hundemund“ neu überprüfen. Die Hauptrolle spielt heute wie einst bei der Uraufführung 1992 in Hans Gratzers Schauspielhaus Rainer Frieb, der sich seiner Glanzrolle nun dank der jungen Regisseurin Helene Vogel ganz anders nähert.

Worum geht es? Schwer zu sagen. Anders als Bernhard und Jelinek, aber in der Grundeinstellung wie diese, kaute Werner Schwab die Sprache und spuckte sie dem Publikum entgegen. „Schwabisch“, wie man es auch genannt hat, ist ein durchaus individuelles, wenn auch ziemlich unverdauliches Konglomerat mit seinen obligaten inhaltlichen Schwerpunkten von Abort und Scheiße, und man kann dieses Sprachbündel, das auch Grammatik und Syntax lustvoll malträtiert, nicht aufknüpfen und erwarten, dass für den Theaterbesucher irgendein Sinn herauskollert.

Die zentrale Figur, der Hundsmaulsepp, hält – kaum unterbrochen von Ehefrau und Sohn – den Monolog eines Missgelaunten, der im Krieg ein Bein verloren hat, sich durchs Leben säuft und dessen Sinnlosigkeit umkreist. Am Ende ist man nicht klüger als zuvor. Von Sprachmüll, Sprachhülsen sprechen die Interpreten, die sich an Schwab wund arbeiten können. Doch die Frage stellt sich, was man als Theaterbesucher von diesem Autor hat, der sich dieser Kunstform ohne Neigung, eher aus Berechnung zugewandt hatte, weil sie ihm ermöglichte, auf die Welt und die Menschen zu scheißen, seine Figuren stellvertretend dafür auszuschicken und größtmögliche Beachtung damit zu ernten.

Wenn der hundsmäulige Sepp nun laut und effektvoll gegen die Welt randalierte, könnte man einiges theatralische Kapital daraus schlagen. Aber in einer Dekoration (Ausstattung: Philip Rubner), die aus nichts anderem besteht als ein paar von jenen Sesseln, die vis a vis den Theaterbesuchern geboten werden, sitzen Sepp, Frau und Sohn die meiste Zeit unbeweglich. Und er spult seinen Beinahe-Monolog in mezzavoce bis ganz leise, wie sinnierend (statt randalierend) und weitgehend unbeweglich ab. Die Regisseurin Helene Vogel verweigert also das Theatralische. Gut. Abgesehen davon, dass Theater solcherart zum Hörspiel wird, begeht sie damit eine Todsünde: Es ist einschläfernd langweilig.

Dass man Rainer Frieb selbstverständlich bewundert, steht auf einem anderen Blatt, aber er ist Schauspieler, es müsste ihm erlaubt sein, eine Figur zu kreieren. So, wie Susa Meyer aus der stillen Gattin dennoch ein innerlich aufsässiges Stück Widerstand macht. Und Jan Sabo, der eine fabelhafte Selbstverständlichkeit im Umgang mit Schwabs verquerer Sprache erzielt, in dem Sohn stillen, aber höchst bestimmten Hass offenbart (mit dem wiederholten Versprechen, auf Vaters Grab zu scheißen).

Trotzdem – alles, was man unter dem Dach des Volkstheaters erlebt, sind eineinviertel fade Stunden.

Renate Wagner

 

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