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WIEN/ Volkstheater/ ImPulsTanz: MACBETH von Johann Kresnik

15.07.2019 | Ballett/Tanz

Wien: ImPulsTanz-Festival: „Macbeth“ von Johann Kresnik, 11.+13.07.2019


Macbeth (Teng Huang) © Dieter Wuschanski

Shakespeare’s blutige Tragödie aus dem frühen 17. Jahrhundert vom schottischen König Macbeth, der mit tyrannischer Herrschaft seine Macht zu erhalten suchte und schließlich fiel, verbindet Johann Kresnik in seinem 1988 uraufgeführten Stück mit der 32 Jahre alten und wohl ewig ungeklärt bleibenden Geschichte um den Tod des deutschen Politikers Uwe Barschel, der 1987 nach einer im Wahlkampf von ihm initiierten Verleumdungskampagne gegen seinen politischen Herausforderer Björn Engholm zurücktreten musste und letztlich in einer Hotelbadewanne in Genf tot aufgefunden wurde, zu einem Tanztheater über die ewig aktuelle skrupellose Gier nach Macht.

Der Maler Gottfried Helnwein gestaltete, hier erstmalig als Bühnen- und Kostümbildner tätig geworden, ein klinisch anmutendes Ambiente. 14 Badewannen zwischen weißen Wänden und anfangs schwarz gewandeten Protagonisten strahlen Kälte ins Auditorium. Nur das Rot des Blutes, Lady Macbeth’s rotes Kleid und goldene Kronen brechen diese Polarität auf. Und ein blutroter Kasch fällt einige Male, um die Szenen zu trennen.


Macbeth © Dieter Wuschanski

Shakespeare’s Drama zu kennen ist hilfreich, jedoch nicht notwendig zum Verständnis des Stückes. Die Bilder sind kaum zu missdeuten. Das Morden findet hinter dem immer wieder mit krachendem Hall ins Schloss fallenden riesigen Portal im Hintergrund statt. Blut strömt durch Schläuche an den Wänden. Und der Mann Gottes als Handlanger, auch die Kirche spielt ihre Rolle in diesem Spektakel, bringt nach jedem Schlachten Blut und Eingeweide in Eimer und Badewanne, um sie in den in ein Becken verwandelten Orchestergraben zu schütten. In dem übrigens auch die beiden Pianisten sitzen. Bela Fischer jr. und Stefanos Vasileiadis spielen vierhändig die Kompositionen von Kurt Schwertsik, dessen hämmernde, dann wieder disharmonisch komplexe und auch nach den klassischen Regeln der Tonsetzerei organisierte Klangwelt die Handlung begleitet.
Der König geilt sich an seiner Macht auf, rasselt mit den Säbeln. Die drei Hexen sind sexy Hostessen, schwarz uniformiert fast wie SS-Schergen. Die Fülle an assoziativen Anspielungen, wie etwa auf grenzenlose Triebhaftigkeit und blinde Gier, latenten Faschismus und Unterdrückung im Privaten, Konformismus und Eitelkeit überwältigen.


Macbeth (Pavel Povrazník, Jonatan Salgado Romero) © Dieter Wuschanski

Dieser Rausch von unwiderstehlicher Macht, Sex und der vom Mob angeheizten zwingend sich ergebenden und eskalierenden Gewalt, die zum Selbstläufer wird, erfasst alle. Wie zum Abendmahl an die Tafel gesetzt lassen sie sich verführen von der Chance auf Macht, korrumpiert mit einem Krönchen. Und ganz nebenbei wird uns vor Augen geführt, dass es ohne uns nicht funktioniert, dieses Spiel. Wer sich darauf einlässt, bleibt nicht nur distanzierter Zuschauer, sondern spürt das Gleichnishafte. Parallelitäten zum aktuellen Weltgeschehen natürlich, auch aber die Transposition des selben Geistes in gesellschaftliche, soziale und private Sphären.

Die Beklemmung verstärkt sich noch mit jenem Bühnen-Bild, das einen gigantischen Tisch mit Teekanne und Tasse darauf und einen riesigen Stuhl davor zeigt. Die in Pyjamas ausgelassen Tanzenden werden bald von wie Wärter eines Irrenhauses anmutenden Männern gefesselt, geschlagen, vergewaltigt und gemordet. Hier gibt Kresnik Antwort, trotz Helnweins Anmerkung im vorherigen Künstlergespräch, dass Kunst nur Fragen stellen sollte. Die so oft bemühten vor allem sozioökonomischen Ursachen für den Zustand der Welt und des Menschen greifen zu kurz. Angewandte Tiefenpsychologie.


Macbeth (Andressa Miyazat & Pavel Povrazník) © Dieter Wuschanski

Lady Macbeth, Andressa Miyazato besticht tänzerisch und darstellerisch, bleibt, sich ihrer Schuld bewusst und vereinsamt, die einzige mit einer Verbindung zu sich selbst. Den Kampf mit ihren inneren Dämonen verliert sie letztlich und zerbricht.
König Macbeth selbst, Pavel Povraznik glänzt in seiner Rolle, hüpft am Ende mit Narrenkappe und in ihm viel zu großen Stiefeln durch einen Wald aus herabhängenden riesigen raketengleichen Bleistiften. Schon wieder mehr Antwort als Frage. Und dann legen sie ihn in die Wanne, tot …


Macbeth (Pavel Povrazník, Tura Gómez Coll) © Dieter Wuschanski

Die gewaltigen Bilder und die massiven, trotzdem mit großer Sensibilität umgesetzten Emotionen verstören in ihrer schonungslosen Drastik und Direktheit. Das Ensemble von TANZLIN.Z mit seinen 19 TänzerInnen präsentiert sich dem tänzerisch und darstellerisch sehr anspruchsvollen Sujet gewachsen. Tanz-Theater im besten Wortsinne, vom Publikum begeistert gefeiert.

Intendant Karl Regensburger setzt mit „Macbeth“ als Eröffnungs-Performance seines heuer zum 36. Mal durchgeführten ImPulsTanz-Festivals ein Zeichen. Politische Kunst, geboren aus tiefem Humanismus und mit klarer, kompromissloser Haltung auf die Bühne gebracht, braucht diese Zeit.

Rando Hannemann

 

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