Fotos: Volkstheater / Lalo Jodlbauer
WIEN / Volkstheater:
GLORIOUS! von Peter Quilter
Österreichische Erstaufführung
Premiere: 29. September 2013,
besucht wurde die Generalprobe
Wenn ein Theater eine besondere Schauspielerin besitzt, sucht man auch besondere Rollen für sie. Das war zumindest früher so, und manche Direktoren halten es auch noch auf diese Weise. Also spielt Maria Bill im Volkstheater jene unsägliche Florence Foster Jenkins, die mittlerweile auch Menschen ein Begriff ist, denen es erspart wurde, der Dame live zu begegnen…
Sie war eine sehr reiche New Yorkerin, und es ist tragisch zu sagen, dass nur dieser Reichtum ihr ermöglichte, das zu tun, was sie leidenschaftlich gerne wollte: singen nämlich, Opern singen, obwohl sie es absolut nicht konnte. Es muss ein atemberaubend grauenvolles Erlebnis gewesen sein, wenn sie die Koloraturen der Lakmé und der Königin der Nacht krächzte – der Abend im Volkstheater bietet eine Ahnung davon. Aber weil sie es sich leisten konnte, sich das Ritz zu mieten und die Carnegie Hall, darum quälte sie die Öffentlichkeit…
Es gab schon einmal ein Zwei-Personen-Stück über Florence Foster Jenkins, und man hat in Wien „Souvenir“ von Stephen Temperley 2007 mit Vergnügen in Vienna’s English Theatre gesehen. Peter Quilter schrieb nun die „große Fassung“, die im Grunde dasselbe erzählt, nämlich die Geschichte ihres letzten Konzerts, das sie am 25. Oktober 1944 im Alter von 76 Jahren in der Carnegie Hall gab. Wenig später ist sie gestorben.
Das Geschehen entfaltet sich hier in zahlreichen Bühnenbildern (ihr Appartement, das Platten-Studio, das Luxushotel, schließlich sogar ein Hundebegräbnis), eingebettet in den Lebenskreis von Mrs. Jenkins, etwas ausführlicher die Tragödie und Komödie ausbreitend. Wesentlich für sie war der hoch kompetente Pianist Cosmé McMoon, der den unfassbaren Job, sie zu begleiten, anfangs nur des Geldes wegen annahm – aber dann so von der offenbar liebenswerten Person der Dame bestrickt wurde, dass er sie bis zuletzt begleitete, auch wenn ihm als Künstler die Haare zu Berg gestanden sein müssen…
Michael Schottenberg hat das in der opulenten Ausstattung von Hans Kudlich und Erika Navas liebevoll inszeniert. Und Maria Bill spielt Florence Foster Jenkins. Dass sie vor kurzem angeblich noch Krücken gebraucht hat, bringt sie in die Figur der älteren Frau ein – sie hat den steifen Gang jener, deren Knochen durch das Alter schon weniger beweglich sind. Aber sie ist natürlich von impetuoser Energie und Entschlossenheit durchpulst. Nie gibt sie ihre Florence preis, immer ist klar, dass sie – in geradezu liebenswerter Naivität – völlig von ihren gesanglichen Fähigkeiten überzeugt ist. Nun muss Maria Bill nicht nur spielen, sondern auch singen – und das angemessen grauenvoll. Was natürlich als besondere Sünde erscheint, weil man weiß, welch fabelhafte Sängerin sie tatsächlich ist. Welche Ironie letztendlich…
Inge Maux & Ronald Kuste / Maria Bill & Till Firit Fotos: Volkstheater / Lalo Jodlbauer
Till Firit hat als Cosmé McMoon eine besonders interessante Rolle, die er voll ausnützt: der schüchterne junge Pianist, der sich im New York der Kriegsjahre kaum über Wasser halten kann. Seine Fassungslosigkeit, als er merkt, wofür diese Millionärin bereit ist, ihn zu bezahlen. Und der liebenswürdige Anstand, mit der er sich seiner Aufgabe nicht nur als Klavier-, sondern bald auch Lebensbegleiter widmet: Das sind wunderbare Theatermomente.
Solche hat auch Inge Maux, die als Freundin von Florence auch ihre privaten Hunde mit auf die Bühne bringt. Sie hat die echte, überströmende Herzlichkeit einer vielleicht nicht sehr intelligenten, aber durch und durch liebevollen Persönlichkeit. Und auch mit ihrem permanenten Verehrer hat es Florence Foster Jenkins gut getroffen: Ronald Kuste spielt den nicht sehr erfolgreichen britischen Schauspieler St. Clair Bayfield (mit atemberaubend schlechter Perücke, die dann auch einmal vom Glatzkopf gezogen wird), und bei ihm hat man nie das Gefühl, es könnte sich bei diesem treuen Adlatus möglicherweise um einen Schmarotzer handeln…
Dass zu so viel Harmonie auch ein bisschen Sand ins Getriebe kommt, dafür ist erstens Judith Aguilar zuständig: Als mexikanische Köchin Maria attackiert sie ihre Herrin mit spanischen Tiraden – scheint aber doch recht gut zu kochen… Und zweitens muss Johanna Mertinz eine Gegnerin von Florence geradezu geifern – so unsympathisch, dass man weiß, das ist die „Böse“…
Und trotz all dieser optimalen Besetzungen – der Abend hinterlässt einen seltsamen Nachgeschmack. Das Modewort heißt „Fremdschämen“, aber es wird wohl eher benützt als gelebt, sonst könnten die Sendungen von Frau Spira nicht von Millionen goutiert werden, wenn Menschen im Fernsehen der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Auch wenn Florence Foster Jenkins einen „Traum“ hatte – ihr dabei zuzusehen, wie sie ihn lebte, ist nicht nur tragisch, sondern immer wieder auch peinlich. Will man Leute dabei beobachten, wie sie sich lächerlich machen? Nicht wirklich. Aber das wird wohl nur die Sensibelchen im Publikum stören, und die sind ja, siehe Spira-Erfolge im ORF, in diesem Lande offenbar nicht so zahlreich… Möge das Gelächter im Volkstheater ein liebevolles sein, das von Vergnügen, nicht von Häme getragen ist.
Renate Wagner