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WIEN/ Volksoper/ Wiener Staatsballett: Volksoper / Premiere des Wiener Staatsballetts: „PROMETHEAN FIRE“ – eine Retrospektive auf den Modern Dance. Premiere

13.02.2023 | Ballett/Tanz

Volksoper / Premiere des Wiener Staatsballetts:

„PROMETHEAN FIRE“ – eine Retrospektive auf den Modern Dance (11.2.2023)

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Der mehrteilige Ballettabend „Promethean Fire“ lässt keine grandiosen Novitäten funkeln, erlaubt jedoch den Blick zurück auf interessante choreographische Piecen. Das Wiener Staatsballett bietet mit seinem neuen Programm für die Volksoper Beispiele des Modern Dance aus vergangenen Tagen. Vier handlungslose Stücke von drei Choreographen aus deren späteren Schaffensperioden finden wir nun im Repertoire. Überzeugend von den Tänzern interpretiert, vom Premierenpublikum positiv angenommen, in der Aussage insgesamt wohl etwas ins Leere zielend.

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Foto: Ashley Taylor

Paul Taylor (1930 – 2018, gebürtig in Washington) ist der Impulsivste, der Phantasievollste der drei präsentierten Modern Dance-Senioren. 1970 stand er mit seiner 1954 gegründeten kleinen New Yorker ‚Paul Taylor Dance Company‘ bei den Wiener Festwochen auf der Bühne, überraschte mit seinen kraftvollen wie einfallsreichen Bewegungsabläufen, lockeren Capricen, ausgelebter Musikalität, echt tänzerischem Feuer und Schnelligkeit. Bester US-style. Sein nun in Wien neu angefachtes und von pompös arrangierten Bach-Melodien aufgeheiztes „Promethean Fire“, 2002 als Reflexion auf das von Taylor hautnah erlebte Nine-Eleven kreiert, wartet ebenfalls im unablässigen Auf und Ab der sechzehn Tänzer – Fiona McGee und Eno Pecci als Hauptpaar – mit solchen Ingredienzen auf. Katastrophenstimmung? Nein, eigentlich normal, feine Gruppierungen, und so …. man geht auseinander, findet wieder zusammen, baut sich gegenseitig auf. Solch eine Dynamik mit originellen Figurationen vermag zu überzeugen.

Mark William Morris (Jahrgang 1956, Seattle), Chef des Mark Morris Center NY, hatte früher ebenfalls Wiener Auftritte mit seiner eigenen spielfreudigen kleinen Schar. Lockere TänzerInnen, mit Spritzigkeit geimpft, verwurzelt in der amerikanischen Postmoderne-Szene. In „Beaux“ zum munteren Concerto für Cembalo von Bohuslav Martinu hüpfen neun Boys mit ganz schöner Frechheit herum, sollten dabei ihren Spaß haben. Eine bunte, spritzige Camouflage mit nicht wenigen aparten Konstellationen und musikalischen Pointen, aussagemäßig jedoch wohl nicht mit Tiefgang gesegnet. Auch dies im  Rückblick: Der hierzulande ebenfalls umtriebig gewesene Gérard Mortier vertrieb gegen dessen Willen den genialen Maurice Béjart, weit stilbildender als Morris, mit seinem epochalen ‚Ballett des 20. Jahrhunderts‘ aus der Brüsseler Oper und setzte dafür die ‚Monnaie Dance Group Mark Morris‘ ein. Schwerer Fehlgriff, kein Vergleich – keine vier Jahre später ist dieses Kurzgastspiel schon wieder zu Ende gegangen.

Martin Schläpfer (1959, gebürtiger Appenzeller), zur Zeit Leiter des Wiener Ballettensembles und ebenfalls fix in der Moderne des späteren 20. Jahrhunderts verhaftet, hat sich mit zwei knappen Etüden zwischen die beiden lustvollen Amerikaner eingeschoben. Ruhiger, weit ruhiger, europäisch verklingend. Für Wien jetzt aufgefrischt: Zu György Ligetis „Lontano“-Klangflächenmusik aus den 60er Jahren bewegen sich die Tänzer auf dunkler, unfreundlicher Bühne gleichsam wie in einem Käfig mit all der geforderten Perfektion. Doch sie bleiben in ihren düstren Rollen anonym, die feinen Solisten Ketevan Papava, Claudine Schoch sowie Massayu Kimoto, Marcos Menha, Brendan Saye und Arne Vandervelde. Diese intensive Studie in langsamen Tempi wirkt wie ein kompakter, mit vielen interessanten wechselnden Positionen der Körper gestalteter Skulpturenpark – gleichsam menschliche Objekte in geschlossener Gesellschaft. Dazu ist noch als Draufgabe Ligetis „Ramifications“ als Klangunterlage für ein von Sonia Dvorák hingebungsvoll distanziert gelebtes Solo zu sehen. Ästhetisch gedacht, mit ausgearbeiteten Details in einem Bewegungsablauf in völliger Ruhe. Total konzentriert, mit ausgeklügelter Raffinesse ausgelotet. Bei Schläpfer wie bei Morris lassen sich die körperlich so ausdrucksstarken Tanzobjekte schließlich zu Boden gleiten. Als überraschender Gag gedacht (Morris) – oder als Gleichnis der Hinfälligkeit jeglicher Moden in Kunst und Leben?

Das Orchester unter Jean-Michael Lavoie musizierte äußerst ambitioniert zu diesen gekonnt gestalteten Tanzphantasien. Doch nochmals: Das von Prometheus den Menschen zurückgebrachte lebensnotwenige Feuer glimmert hier bloß nur noch einigermaßen. So ansprechend der Abend auch angenommen werden kann – er ist als eine Retrospektive einzuordnen, nicht als ein gewagter wie gewünschter Schritt einer großen Kompanie in die nähere Zukunft.

Meinhard Rüdenauer 

 

 

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