Wien/ Volksoper: TURANDOT ALS WIENER BELCANTO-HIT (8.November 2014)
Neil Shicoff erlebte einmal mehr einen vokalen Frühling, die koreanische Sopranistin Jee Hye Han triumphierte neuerlich in der Titelrolle der letzten Puccini-Oper und die märchenhafte „Insekten“-Inszenierung von Renaud Doucet (Ausstattung André Barbe) begeisterte einmal mehr ein auffallen junges Publikum. Turandot in der italienischen Originalversion (samt Übersetzung oberhalb der Bühne) mausert sich endgültig zum Wiener Opernhit der letzten Monate und auch bei der letzten Vorstellung herrschte eine Bombenstimmung. Alle Beteiligten wirkten elektrifiziert. Ganz besonders Chor und Orchester der Volksoper, die unter der Leitung von Guido Mancusi zur Höchstform aufliefen. Die märchenhafte Inszenierung mit Anleihen aus der Welt der Falter, Insekten und Käfer ist modern, phantasievoll und doch auch klug.
Aber Puccini-Melos lebt vom Stimm-Glanz – und der war genügend vorhanden. Neil Shicoff verblüffte geradezu mit seinem heldisch-lyrischen Kalaf. Die Stimme ist größer geworden, hat aber nichts an Flexibilität verloren. „Non piangere Liu“ oder „Nessun dorma“ sind die Hits, die Rätselszene ist spannend, das hohe C in der Turandot-Arie wird mitgesungen. Großartig! Dazu die zierliche Koreanerin Jee Hye Han. Sie hat genügen Durchschlagskraft für den Beginn und verwandelte sich zu einer wahrhaft liebenden Frau – Maria Cebotari lässt grüßen! Seelenvoll die Liu der deutschen Sopranistin Caroline Melzer. Sie rührt zum Herzen, setzt ganz aufs Legato und ist – wie immer in dieser Oper – die Sympathieträgerin Nr.1. Zur Höchstform aufgelaufen ist der japanische „Wahl-Österreicher“ Yasushi Hirano. Mit mächtiger Bass- Stimme beklagt er sein Elend und den Selbstmord von Liu. Man wird noch viel von ihm hören! Ein Trio der Superlative waren Ping, Pang und Pong: Günter Haumer, David Sitka und JunHo You. Bleiben noch Jeffrey Traganza als alter Kaiser Altoum und Ben Connor als schönstimmiger Mandarin zu erwähnen. Man sollte diese Produktion bald wieder ansetzen!
Peter Dusek