SWEET CHARITY – Premiere Volksoper am 13.9.2020
(Heinrich Schramm-Schiessl)
Auch diese Saison beginnt die Volksoper mit einem klassischen Broadway-Musical, allerdings keinem aus der Spitzengruppe, sondern einem „Stiefkind“ des Genres. „Sweet Cherity“ basiert auf Federico Fellinis Film „Die Nächte der Cabiria“ und geht auf eine Idee des bekannten Musicalproduzenten Bob Fosse zurück. Es gelang ihm, den berühmten Lustspielautor Neil Simon für das Libretto zu gewinnen. Die Songtexte stammen von Dorothy Fields. Die Musik schrieb Cy Coleman.
Das Werk wurde für 12 Tonny Awards nominiert und es erhielt Bob Fosse einen in der Kategorie „Beste Choreographie“. Verfilmt wurde das Musical mit Shirley MacLaine.
Die Handlung spielt in einem New Yorker Rotlichtviertel in dem die junge Charity Hope Valentine als Animiermädchen arbeitet. So hat einen unerschütterlichen Glauben an das Gute im Menschen und die reine Liebe und gerät dadurch immer wieder an Männer die sie ausnutzen. Auf der Suche nach einem Ausweg aus diesem Leben lernt sie den Steuerberater Oscar kennen, der sich in sie verliebt und sie, auch als er ihren wahren Beruf erfährt, sogar heiraten will. Letztendlich lässt er sie doch am Standesamt sitzen. Charity aber sieht nun trotzdem die Chance, ein neues und besseres Leben zu beginnen.
Die Musik ist eine Mischung aus dem typischen Broadway-Sound, Jazz und Gospel. Auch Anklänge an die frühe Pop-Musik sind zu bemerken. Die bekannteste Gesangsnummer ist zweifelsohne „Big Spender“ aber auch „If my friends could see me now“ und das Trio der Freundinnen kann man gelegentlich hören.
Für die nunmehrige Produktion an der Volksoper schuf Alexander Kuchinka eine neue deutsche Übersetzung.
Bisher konnte man in der Volksoper mit dem Musical noch am ehesten zufrieden sein, diesmal jedoch ging man ziemlich enttäuscht aus dem Haus. Das liegt, nicht nur, aber doch zu einem großen Teil am Werk selbst. Wie eingang erwähnt gehört das Werk nicht zur Spitzengruppw des klassischen Musicals und das eigentlich zu Recht. Es ist weniger die Handlung sondern die Musik. Sie zündet nicht wirklich, außerdem fehlt es an Ohrwürmern. Die obgenannten Stücke sind einfach zu wenig.
Dazu kommt, dass dem Regisseur Johannes von Matuschka nicht allzuviel eingefallen ist. Es fehlt an einer straffen Personenführung und an dem für so ein Werk unabdingbaren Schwung. Besonders der 1. Akt kommt kaum vom Fleck und wirkt endlos. Der 2. Akt mutet etwas besser an, was vielleicht auch an der stärksten Szene, jener bei der Sekte, liegt. Mit schuld daran sind auch viel zu lange Dialoge, z.B. jener beim Arbeitsvermittler und dann in der Szene im Lift. Bald nach Beginn und dann am Schluss wird ein Bild auf die Bühne projeziert, auf dem man die Titelfigur im Wasser liegen sieht. Was ist damit gemeint? Ist der Großteil der Handlung nur eine Rückblende oder steht das Wasser als Symbol für das bisherige Leben des Mädchens, das zunächst von Menschen gerettet wird sich aber am Schluss selbst aus ihrem bisher mißglückten Leben zieht.
Die Choreographie von Damian Czarnecki war ebenfalls eher einfallslos.
Dazu kommt ein trostloses Bühnenbild (Momme Hinrichs und Torge Moeller) im permanenten Schwarz, das nur durch einen bunten Streifenvorhang, großen beleuchteten Buchstaben und einigen wenigen Versatzsrücken aufgehellt wird. Zusätzlich gibt es dann noch die heute unvermeidlichen Videos. Die Kostüme von Tanja Liebermann sind zum Teil sehr bunt und beleben das Schwarz der Bühne etwas.
Auch musikalisch wird man an diesem Abend nicht gflücklich. Das Orchester unter Lorenz C. Aichner spielt eher laut und nicht sehr differenziert.
Die Sängerin der Titelrolle, Lisa Habermann, singt und tanzt sich zwar die Seele aus dem Leib, kann aber keinen Moment mitreissen. Das sie etwas hascherlhaft wirkt, passt durchaus zur Rolle, aber sie entwickelt kaum eine Persönlichkeit. Über ihre stimmliche Leistung lässt sich wie bei allen anderen Mitwirkenden angesichts der bei Musicals immer wieder verwendeten Verstärker nicht wirklich etwas sagen. Peter Lesiak wirkt als Oscar, so wie die Rolle es verlangt, bieder und etwas tolpatschig, bleibt aber trotzdem in der Gestaltung blass. Den besten und wirkungsvollsten Eindruck des Abends hinterlässt Drew Sarich als Sektenführer Daddy Brubeck. Er zeigt Persönlichkeit und gestaltet seinen Auftritt sehr wirkungsvoll. Durchaus erfreulich auch die beiden Freundinnen Charitys in der Person von Julia Koci und Caroline Frank. Axel Herrig war als etwas schmieriger italienischer Filmstar zufriedenstellend. Etwas hinter den Erwartungen blieb diesmal Christian Graf als Herman. Den übrigen Mitwirkenden sei ein Pauschllob ausgesprochen. Der Chor agierte ebenfalls zufriedenstellend.
Am Ende hielt sich die Begeisterung des Publikums in sehr engen Grenzen, nur die obligatorischen Premierenjubler des Hauses versuchten etwas Stimmung zu machen.
Heinrich Schramm-Schiessl