Vincent Schirrmacher. Foto: Johannes Ifkovits/ Volksoper
Wiener Volksoper: ORPHEUS IN DER UNTERWELT: TEUFLISCHES VERGNÜGEN (2.Juni 2019)
Wer sich gute zwei Stunden teuflischen Vergnügens hingeben will, hat dazu in nächster Zeit im Opernhaus am Währinger Gürtel mehrfach Gelegenheit. Jährt sich doch am 20.Juni 2019 der 200. Geburtstag von Jacques Offenbach, der in Köln geboren wurde und später zum König der französischen Operette avancierte. Und jenes Werk, das 1858 in Paris seinen Weltruhm begründete -Orpheus in der Unterwelt (im Original ‚Orphée aux enfers‘)– wurde nun gründlich „herausgeputzt“ und bei der Wiederaufnahme zu einem echten Publikumserfolg. Die satirische Umsetzung des Mythos von Orpheus und Eurydike wurde vom Regisseur der Produktion aus 2007/2008 Helmut Baumann höchstpersönlich vorgenommen (Bühne Mathias Fischer-Dieskau, Kostüme Uta Loher);das musikalische Niveau – mit dem temperamentvollen Dirigenten Guido Mancusi am Pult des Orchesters der Wiener Volksoper – war fast durchwegs hochkarätig. Und abgesehen von ein paar Längen in den Prosaszenen des 1.Aktes konnte die Volksoper zeigen, zu welchem Standard sie fähig ist.
Allen voran der Göttervater Jupiter –Martin Winkler: er träumt davon, dass er als wilder Stier oder als potenter Schwan seine Frau betrügt. Dabei bringt er es nur mehr zu einer schnarrenden Fliege. Dieser in die Jahre gekommene Herrscher im Olymp ist der Star des Abends. Sein mächtiger Bass-Bariton wirkt unerschöpflich, erinnert an Gustav Neidlinger und ist zugleich komisch wie menschlich. Großartig! Seine Ehefrau Juno wird von Christian Graf als „strenge Herrin“ angelegt und verstärkt diese Satire einer „scheinheiligen“ Gesellschaft, die sich vor allem von der „Öffentlichen Meinung“ (etwas überfordert Regula Rosin) manipulieren lässt. Köstlich auch der Herr der Unterwelt Pluto: Vincent Schirrmacher. Er ist ein geradezu stimmgewaltiger Verführer von Euridike und könnte als Moderator beim Life-Ball reüssieren.
Das Objekt seiner Begierde – die sich in der Hölle ebenso langweilt wie im Olymp – heißt im bürgerlichen Leben Rebecca Nelsen: sie ist charmant, verführerisch und wartet auch in der Unterwelt mit „himmlischen Tönen“ auf. Etwas zu bieder ist ihr Ehemann und Musiker Orpheus – Carsten Süss wirkt eher wie ein Finanz-Beamter, aber Offenbach hatte ohnedies mehr für die „schrägen Vögel“ Verständnis.
Und so kann Robert Meyer als Hans Styx zu einem Höhepunkt des Abends beitragen: „Als ich noch Prinz war in Arkadien“…der Hausherr und einstige Burg-Star kann eben wirklich singen. Und das gilt auch für Gernot Kranner als flinker Götterbote Merkur, für Birgit Steinberger als kämpferische Diana, für Jakob Samotan als vorlauten Cupido, für Daniel Ohlenschläger als imposanter Mars sowie für Elvira Soukop als Minerva. Nur Annely Peebo als üppige Venus hat Schwierigkeiten mit der Tessitura. Dafür hat man das Gefühl, dass sowohl die Tänzer (Choreographie Roswitha Stadlmann) wie der Chor der Volksoper (Leitung Thomas Böttcher) zum großen Erfolg des Abends beitragen. Der „galop infernal“ gehört ja zum Besten was je komponiert wurde. Und wenn dann in die „Satire der Scheinheiligkeit“ noch eine Textzeile über „Ibiza-Gate“ eingefügt werden kann, ist die Superstimmung überhaupt nicht zu bremsen.
Peter Dusek