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MEINE SCHWESTER UND ICH von Ralph Benatzky – Premiere Volksoper am 6.4.2019
(Heinrich Schramm-Schiessl)
Direktor Robert Meyer scheint ein gewisses Faible für die Werke von Ralph Benatzky zu haben. Nach dem „Weissen Rössl“ (2015) und „Axel an der Himmelstüre“ (2016) steht nun mit „Meine Schwester und ich“ ein drittes Werk am Spielplan. Das Stück zählt zu den weniger bekannten Werken des Komponisten, eigentlich nur eine Nummer ist wirklich bekannt. In Wien stand das Werk, soweit ich mich erinnern kann, zuletzt im Sommer 1975 im damals noch nicht zu den Vereinten Bühnen Wiens gehörenden Raimundtheater in durchaus prominenter Besetzung (Waltraud Haas, Vico Torriani und Maxi Böhm) auf dem Programm.
Es ist keine grosse Revue-Operette, sondern ein Musikalisches Lustspiel. In einer Rahmenhandlung erleben wir den Scheidungsprozess des Ehepaares Fleuriot, die eigentliche Handlung schildert dann den Grund für diesen Prozess: Die Prinzessin Saint Labiche verliebt sich in ihren Bibliothekar, den Musikwissenschaftler Dr. Roger Fleuriot. Dieser erwidert diese Gefühle zwar, ist aber zu schüchtern, um sich zu erklären. Als er kündigt, um eine Professur an der Universität in Nancy anzunehmen, bittet ihn die Prinzessin einen Brief samt Ring ihrer dort arbeitenden Schwester zu bringen. Dies ist natürlich eine List, denn die Prinzessin selbst nimmt unter dem Namen Genevieve im Schuhgeschäft des Monsieur Filosel eine Stelle an und als Roger den Brief samt Ring übrbringt, verliebt er sich sofort in die „Schwester“. Die beiden heiraten, aber als ihm Dolly die Wahrheit sagt, ist er wieder der gehemmte Wissenschaftler. Der Richter, der merkt, dass sich beide noch lieben, weigert sich die Scheidung auszusprechen und redet beiden ins Gewissen. Schließlich kommt es zum Happy-End.
Leider reicht das Werk bei weitem nicht an das „Weisse Rössl“ heran und dass es bei der Uraufführung einen größeren Erfolg gehabt haben soll als „Axel an der Himmelstüre“ kann man kaum glauben. Die Handlung ist eher seicht und die Musiknummern sind wenig originell. Dazwischen gbt es endlos lange Dialoge, die der Aufführung jeglichen Schwung nehmen.
Womit wir bereits bei der Aufführung und deren Problemen sind. Direktor Robert Meyer hat diesmal selbst Regie geführt und er hat das Werk „vom Blatt“ inszeniert, was an sich erfreulich ist. Aber er hat es leider übertrieben, in dem er die Dialoge offenbar ungekürzt ließ. Dadurch hatte man das Gefühl, die Aufführung kommt nicht wirklich vom Fleck. Solche lange Dialoge in einem Lustspiel sind nur erträglich, wenn es gelingt, dass sich die einzelnen Personen die Pointen zuwerfen und das war hier nicht der Fall. Auch die Witze waren eher abgestanden und wirkten altbacken, wie z.B. die ständigen Wortverdrehungen des Filosel. Die Bühnenbilder und Kostüme von Christof Cremer waren passend und nett anzusehen, die Choreographie von Andrea Heil hätte origineller sein können.
Es braucht für so ein Werk – im Gegensatz zur Operette – keine Opernstimmen, aber dafür Persönlichkeiten – und die fehlt nahezu allen Mitwirkenden. Lisa Habermann als Dolly wirkt eher soubrettenhaft, im ersten Akt nimmt man ihr die Prinzessin nicht wirklich ab. Dadurch verliert dann der zweite Akt, in dem sie die einfache Verkäuferin tatsächlich spielt, seine Wirkung. Auch stimmlich war sie nicht wirklich rollendeckend. Das größte Problem war für mich Lukas Perman als Fleuriot. Darstellerisch wirkt er nicht wie ein schüchterner Professor, sondern wie der nette Junge von nebenan und auch stimmlich hätte man sich etwas mehr Substanz gewünscht. Die beste Leistung des Abends bot für mich Johanna Arrouas als Irma. Sie hat eine gewisse Persönlichkeit, viel Schwung in der Darbietung und war auch stimmlich in Ordnung. Herbert Steinböck versuchte als Filosel komisch zu sein, was leider nur bedingt gelang – siehe auch oben. Carsten Süss hat offenbar gemerkt, dass er nicht wirklich der seriöse Operettenliebhaber ist und wechselte ins heitere Fach. Stimmlich war er zwar als Graf Lacy durchaus ansprechend, aber mit dem Humor klappte es auch bei ihm nicht wirklich. Julia Koci war als Henriette zufriedenstellend. Nicolaus Hagg und Georg Wacks ergänzten in mehreren Rollen.
Das Orchester unter Guido Mancusi hätte etwas schwungvoller spielen können, der Jugendchor des Hauses (Einstudierung: Brigitte Schüller) sang ordentlich.
Dem Publikum dürfte es aber gefallen haben, denn am Schluss gab es den obligaten Volksopernjubel.
Heinrich Schramm-Schiessl