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WIEN/ Volksoper: KÖNIG KAROTTE – 3. Aufführung

03.12.2019 | Operette/Musical

KÖNIG KAROTTE – Volksoper, 2.12.2019 (3. Aufführung)

(Heinrich Schramm-Schiessl)

Jubiläums – und Gedenkjahre von Komponisten haben den Vorteil, dass man die Gelegenheit hat, auch eher unbekannte und selten gespielte Werke kennen zu lernen. Zwar ist es meist so, dass man danach feststellt, dass ein Werk zu Recht in der Versenkung verschwunden ist. Jacques Offenbach war ein Vielschreiber, womit klar ist, dass nicht jedes Werk ein  Meisterwerk sein kann und viel Konfektion, die oft dem jeweilige Zeitgeschmack geschuldet war, darunter ist.

Manchesmal kann man aber auch kleine Juwelen entdecken, von denen man zumindest bedauert, dass sie in Vergessenheit geraten sind. Ein solches Werk ist zweifelsohne „König Karotte“, auch wenn ihm musikalisch die Highlights fehlen, die man sofort mit dem Werk identfiziert und auch wiedererkennt. Offenbach gilt als Satiriker, der insbesonders die Befindlichkeiten während der Zeit Napoleons III. kritisch betrachtete. Er tat das aber nicht mit dem Holzhammer, sondern auf eine sehr diffizile und musikalisch humorvolle aber auch gleichzeitig sehr freche Art. Das Libretto verfasste übrigens Victorien Sardou, Autor des Dramas „La Tosca“, das die Vorlage zu Puccinis Meisteroper ist.

In „König Karotte“ befinden wir uns im Reich Krokodyne, dessen Herrscher Fridolin der XXIV. verwöhnt, vergnügungssüchtig und verschwenderisch ist. Er hat aber einen guten Geist namens Robin – vielleicht ein Vorläufer des Niclausse im „Hoffmann“ – der ihn unbedingt zu einem demütigen Herrscher „umerziehen“ möchte. Zu Hilfe kommt ihm hier eine Hexe, die, wie es in solchen Reichen üblich ist, den Prinzen stürzen möchte. Die Mitglieder des königlichen Gemüsebeetes, angeführt von der Karotte, übernehmen die Macht, während Fridolin auf eine Reise durch historische Gefilde und fantastische Welten geschickt wird, auf der er zahlreiche Abenteuer erlebt. Robin begleitet ihn und es gelingt ihm gemeinsam mit Hilfe des Mädchens Rosée-du-Soir, welches Fridolin ohne Vorbehalte liebt, die Sache zu einem glücklichen Ende zu bringen.

Um es vorweg zu nehmen, mit dieser Produktion – gemeinsam mit der Staatsoper Hannover – konnte das Haus einen lange nicht mehr erlebten Erfolg feiern. Das lag, nicht nur, aber in erster Linie an der Regie von Matthias Davids. Er hat dem Versuch widerstanden, das Werk zu aktualisieren, in unsere Zeit zu versetzen oder ähnlichen Unsinn mit ihm zu versuchen. Er hat es einfach „vom Blatt“ inszeniert und damit den Beweis erbracht, dass das möglich ist und gleichzeitig die Behauptung der meisten Regisseure widerlegt, man könne solche Werke nicht mehr so spielen, wie sie der Librettist und/oder der Komponist erdacht haben. Dabei sparte er weder mit Ironie noch mit frechem Humor, aber dezent und nicht – wie heute leider oft üblich – mit dem Holzhammer. Sehr gut und schwungvoll auch die Führung von Solisten und Chor, auch wenn – und diese kleine kritische Bemerkung sei mir erlaubt – etwas weniger Gezappel mehr gewesen wäre. Praktikabel die hübsch anzusehenden ironisch-kitschigen Bühnenbilder von Mathias Fischer-Dieskau und die Kostüme von Susanne Hubrich. Die Choreographie von Kati Farkas fügte sich gut in die Regie ein.

Auch musikalisch konnte man mehr als zufrieden sein. Mirko Roschkowski, schon 2016 ein ausgezeichneter Hoffmann, sang den Prinzen Fridolin den XXIV. Er verfügt über einen höhensicheren, schön timbrierten Tenor, den er gekonnt einsetzt. Auch darstellerisch konnte er überzeugen. In der ziemlich zentralen Rolle des Robin bot Amira Elmadfa, seinerzeit einer der ganz wenigen Lichtblicke des Desasters der Premiere des Heuberger-Opernballs, sowohl stimmlich als auch darstellerisch eine sehr gut Leistung. Ganz wunderbar die beiden weiblichen Hauptrollen. Julia Koci als köstlich überdrehte Prinzessin Kunigunde und Johanna Arrouas, eine der wichtigsten aber vom Direktor offenbar unterschätzte Stützen des Ensembles, als sehr einfühlsame Rosée-du-Soir. Beide sangen und spielten wunderbar. Hinreissend, vor allen Dingen als Hexe Kalebasse aber auch als Zauberer Quiribibi, Christian Graf. Er gehört zweifelsohne zu den wichtigsten Engagements des Hauses der letzten Jahre. Gegenüber diesen hervorragenden Leistungen fiel der König Karotte des Sung-Keun Park leider etwas ab, ohne jedoch wirklich zu stören. Er wirkte eher blass und es fehlte die Lockerheit. Von den diversen Hofschranzen überzeugte vor allen Dingen Marco Di Sapia als Pipertrunck mit seinem kräftigen Bariton und durfte an sein Couplet zwei, dankenswerter Weise dezente, Zusatzstrophen anhängen. In den vielen sonstigen Rollen überzeugte das Ensemble des Hauses.

Das Orchester unter der Leitung von Guido Mancusi spielte ebenfalls sehr schwungvoll und wirkte gut einstudiert, auch wenn es etwas den französischen Charme vermissen ließ. Gut auch der von Holger Kristen einstudierte Chor.

Leider kam das nicht mehr ganz junge Abo-Publikum offenbar mit der Aufführung nicht ganz zu recht und applaudierte etwas müde.

 

Heinrich Schramm-Schiessl

 

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