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WIEN/ Volksoper: HOFFMANNS ERZÄHLUNGEN

20.10.2016 | Oper

WIEN / Volksoper: Hoffmanns Erzählungen am 19.10.2016

hoff
Copyright: Barbara Palffy/ Volksoper

Unser Eindruck von dieser zweiten Vorstellung ist überwiegend positiv – dem erfolgreichen Leading-Team Renaud Doucet (Regie und Choreographie) und André Barbe (Bühnenbild und Kostüme) ist wieder eine phantasievolle, märchenhafte Sichtweise gelungen, die der skurrilen Handlung gerecht wird. Die Inszenierung ist voll von durchdachten Regieeinfällen, von hintergründigen Andeutungen, aber auch von plakativen Hinweisen auf die Geschichte von Jacques Offenbach, E.T.A. Hoffmann und auch auf die Aufführungshistorie – immerhin werden zwei katastrophale Theaterbrände mit Hoffmanns Erzählungen in Verbindung gebracht. Die gemischtsprachige Version erzeugt durchaus eine vorteilhafte Stimmung – wir hätten uns aber zusätzlich die Klein-Zack-Erzählung und die Spiegelarie in französischer Sprache gewünscht. Die gewählte Übersetzung holpert hier gewaltig und zerstört den sinnlichen Ausdruck – da können sich sowohl Hoffmann als auch Dapertutto noch so sehr die Seele aus dem Leib singen. Als Vergleich seien die Aufnahmen von Rolando Villazon und George London in Originalsprache empfohlen (auf YouTube verfügbar).

Das Volksopernorchester unter der umsichtigen Leitung von Gerrit Prießnitz und der bewährte Volksopernchor bildeten die Grundlage für eine musikalische Umsetzung, die kaum Wünsche offen ließ. Das Ballett und die Statisterie sorgte für den zauberhaften Wahn, der sich durch die gesamte Handlung zog. Manche Szenen erreichten sicherlich die Kitschgrenze; ob sie überschritten wurde, liegt im persönlichen Empfinden jedes einzelnen Besuchers.

Die Gesangssolisten waren fast identisch mit der Premierenbesetzung und zeigten gute bis hervorragende Leistungen ohne echten Schwachpunkt:

Mirko Roschkowski überzeugte als Hoffmann und sang den Klein-Zack mit spielerischer Leichtigkeit – der träumerische Ausdruck blieb aber aufgrund des Deutschen Textes, möglicherweise aber auch aufgrund einer zu einheitlichen Tempowahl, auf der Strecke. Die lyrischen Stellen im Olympia- und im Antonia-Akt kamen seinem klaren, schön klingenden Zwischenfachtenor sehr entgegen; erst im dramatischen Giulietta-Akt musste er an die Grenze seiner technisch guten, höhensicheren Stimme gehen.

Erstaunlich war das hohe Niveau der unterschiedlichen Frauengestalten, die sehr gut ausgewählt waren:

Juliette Mars erzielte als Muse/Niklaus mit temperamentvoller Wandlungsfähigkeit ein eindeucksvolles Ergebnis.

Beate Ritter gestaltete die Olympia sowohl darstellerisch als auch gesanglich zu einem großartigen persönlichen Erfolg. Diese unmenschlich hoch liegende Partie erfordert Können, Konzentration und perfekte Technik. Wenn man in dieser Situation urkomisch zu blödeln versteht, hat man sich jede Anerkennung und jeden Applaus verdient: Gratulation zu dieser einzigartigen Leistung!

Anja-Nina Bahrmann sang eine berührende Antonia und bildete mit Annely Peebo als Mutter ein vielleicht stimmlich etwas zu ähnliches Duo.

Christian Drescher blödelte sich sehr erfolgreich durch die Partie des schwerhörigen Franz – einer beliebten Paraderolle im Charaktertenor-Fach; Stefan Cerny war mit wunderschönem, halligem Bass ein besorgter Vater.

Kristiane Kaiser hatte mit dem Auftritts-Ohrwurm „Barcarole“ den pefekten Einstieg und sang eine verführerische Giulietta mit gepflegter, unangestrengter, schön klingender Stimme.

In dieser Inszenierung tritt Stella körperlich auf und wurde von Ursula Pfitzner dargestellt.

Als Bösewicht in allen Lebenslagen bewährte sich Josef Wagner mit hellem Bass und diabolischem Spiel. Er kam sehr gut mit den unterschiedlichen Typen – auch stimmlich – zurecht, zeigte aber auf, dass es einen perfekten Darsteller für alle vier Bösewichte nicht geben kann.

Die weiteren kleinen Rollen waren mit Karl-Michael Ebner (Andres/Spalanzani), Ben Connor (Hermann), David Sitka (Nathanael), Alexandre Beuchat (Wolfram/Schlemihl), Maximilian Klakow (Wilhelm) und Josephine Niesen (Frau Luther) gut besetzt.

Diese Produktion des Erfolgsduos Doucet & Barbe – eine Koproduktion mit dem Theater Bonn – hat nach unserer Einschätzung durchaus das Potential, an den Erfolg und an den Kultstatus der Käfer-Turandot anzuschließen.

Maria und Johann Jahnas

 

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