Wien/ Volksoper: HEXENRITT UND ABENDSEGEN: HOCHKARÄTIGE „HÄNSEL UND GRETEL“-WIEDERAUFNAHME IN DER VOLKSOPER (8.Dezember 2014)
Die Oper „Hänsel und Gretel“ von Engelbert Humperdinck gehört zu den „Rennern“ im Haus am Währinger-Gürtel, sie wurde bereits 187 Mal gegeben und ähnelt frappant der aktuellen Staatsopern Otto-Schenk-Version des „Schlauen Füchslein“. Die also gar nicht „zeitgeistige“ Weihnachtswald-Produktion stammt demnach noch aus der Ära von Karl Dönch, ist an die 30 Jahre alt (Ausstattung Toni Businger) und garantiert zweifellos wieder volle Häuser plus junges Publikum. Denn die Märchen-Oper des Richard-Wagner-Assistenten (Uraufführung 1893 in Weimar) wird hochkarätig dargeboten.
Wobei der Star des Abends für mich die Wienerin Anita Götz als Gretel ist. Die Schülerin von Angelika Kirchschläger und Hilde Zadek ist eine Ideal-Besetzung. Sie hat Charme, überrascht mit erstaunlich dramatischen „Ausbrüchen“, hat den lyrischen Atem für den „Abendsegen“, sie bleibt natürlich und ist optisch wie akustisch ein Glücksfall. Dazu hat sie einen gleichwertigen Partner/Partnerin. Juliette Mars setzt eine Tradition fort, die einst Gang und Gäbe war. Die französische Mezzo-Sopranistin wechselt in der Volksoper in jenes erste Fach, das ihr vermutlich im Haus am Ring weiterhin versperrt bleibt. Sie bietet viel: ein burschikoses Spiel, eine schöntimbrierte Stimme, Musikalität, Piano und Forte. Aber sie kann in Punkto Material mit ihrer „Gretel“ nicht wirklich mithalten. Und die Akustik in der Volksoper hat ihre Tücken!
Nicht für den Rest der Besetzung dieser Oper nach Vorlage der Grimm-Märchen: Sebastian Holecek ist ein großartiger Besenbinder. Mit Wotan-Klang und Belcanto-Linie beeindruckt er einmal mehr. Seine Gertrud wird von Elisabeth Flechl gar nicht streitsüchtig angelegt. Hier klagt eine verzweifelte Mutter ein ungerechtes „System“ an. Den größten Applaus heimst wieder einmal die Hexe ein – Ulrike Steinsky debütiert in der einstigen Dönch-Paraderolle und begeistert mit ihrem skurrilen, höhensicheren Gesang. Ein köstlicher „Hexenritt“ und – die Strafe folgt auf dem Fuß!
Dirigiert wird übrigens von einer karriereverdächtigen Koranerin: Eun Sun Kim wurde in Seoul geboren und startete vor 4 Jahren in Spanien ihre Karriere als Dirigentin. An der Volksoper begann sie vor 2 Jahren mit Carmen. Mit der Humperdinck-Oper schaffte sie eine weitere Bewährungsprobe beim Orchester der Volksoper Wien(samt Volksopern-Jugendchor im Finale). Ach ja – und da war mit Manuela Leonhartsberger ein eher zu biederes Sandmännchen aufgeboten. Dafür horchte man sofort auf, als das Taumännchen erschien. Die 26jährige Ukrainerin Maria Nazarova absolvierte ihren Kurzauftritt mit glockenklarer Koloraturstimme. Jedenfalls bewies die Finalistin des erstmals in Düsseldorf abgehaltenen Hans-Gabor-Wettbewerbes bei ihrem Volksopern-Debüt, dass sie mit Recht als „Geheimtipp“ gehandelt wird. Ebenso wie sie jüngst im Merker-Kunstsalon mit der Schattenarie der Dinorah von Giacomo Meyerbeer begeisterte. Man sollte sich den Namen Nazarova jedenfalls merken. Und rasch Karten für die „Hänsel und Gretel“-Reprisen besorgen. Der Run auf Karten ist vorprogrammiert.
Peter Dusek