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WIEN/ Volksoper: FÜRST IGOR. Premiere

20.03.2016 | Oper

FÜRST IGOR – Premiere Volksoper am 19.3.2016

(Heinrich Schramm-Schiessl)

Sebastian Holecek
Sebastian Holecek in der Titelrolle. Copyright: Barbara Palffy/Volksoper

Die Aufführungsgeschichte des „Fürst Igor“ in Wien ist durchaus interessant. Wenn wir sie seit der Wiedereröffnung des Hauses am Ring 1955 betrachten, müssen wir feststellen, dass es quasi die „dienstälteste“ slawische bzw. russische Oper ist, denn bereits in der 1. Saison gab es eine Übernahme der Produktion aus dem Theater an der Wien. 1960 gab es dann ebenfalls in der Staatsoper eine Neuinszenierung, wieder in deutscher Sprache – die Originalsprache war damals noch der italienischen und französischen Oper vorbehalten – dafür aber mit einer Weltklassebesetzung in den tiefen Männerrollen (Wächter, Hotter, Frick), die allerdings nach sieben Vorstellungen bereits wieder vom Spielplan verschwand. Es gibt übrigens davon eine Rundfunkaufnahme, die man längst schon in der Orfeo-Reihe hätte veröffentlichen können. In der Folge gab es in der Staatsoper nur noch zwei Gastspiele der Nationaloper Sofia (1979) und des Teatro Wielki,Warschau (1989), bis sich nun diese Saison die Volksoper endlich wieder dieses durchaus schönen Werkes annahm.

Das Libretto der Oper von Wladimir Stassow basiert auf dem sogenannten Igor-Lied, dem bedeutensten literarisch-historischen Zeugnis Russlands im 12. Jahrhundert. Leider verstarb der Komponist Alexander Borodin bevor er das Werk vollenden konnte – lediglich ein Viertel der Partitur war instrumentiert – und so lag es am „Mann für alle Fälle“ der russischen Opernliteratur, Nikolai Rimsky-Korsakoff gemeinsam mit Alexander Glasunov das Werk zu vollenden. In dieser Fassung wurde es neben Mussorgskys „Boris“ und den beiden Tschaikowsky-Opern „Eugen Onegin“ und „Pique Dame“ zu einer der populärsten russischen Opern. Es wäre aber nicht unsere Zeit, wüssten es Wissenschaftler nicht besser. Diesmal geht es um die Anordnung der Szenen, die sich Borodin angeblich anders gewünscht hat. In der bisher gebräuchlichen Fassung gab es folgende Szenenfolge: Prolog u. 1.Akt in Russland, 2.u.3.Akt bei den Polowetzern und der 4. Akt wieder in Russland. Bei vielen Produktionen wurden allerdings die beiden Polowetzer-Akte etwas gestrichen und zu einem größeren Akt zusammengefügt. Besagte Wissenschaftler glauben nun herausgefunden zu haben, dass Borodin die Handlung abwechselnd in Igors Heimat und bei den Polowetzern gespielt haben wollte. Dies ist zwar dramaturgisch ein Unsinn, aber natürlich wagt es kein Operndirektor, sich sogenannten neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen entgegenzustellen – wann haben wir zuletzt einen „Boris“ in der Rimski-Korsakoff-Fassung gesehen, ja mittlerweile wird überhaupt immer nur die Urfassung ohne Polen-Akt gespielt – und so gibt es in dieser Produktion die „neue“ Reihenfolge der Szenen.

Zudem wurde das Werk für diese Produktion doch erheblich gekürzt – es dauer inkl. einer 25-minütigen Pause gerade einmal 2 ¾ Stunden. Die Inszenierung von Thomas Schulte-Michels, der auch für das Bühnenbild verantwortlich zeichnet, war insoweit akzeptabel, als er die Geschichte so erzählte, wie sie im Libretto steht und auf irgenwelche Aktualisierungen und Accesssoires des zeitaktuellen Theaters – sieht man vom Spiegelhintergrund im dritten Bild einmal ab – weitestgehend verzichtet. Die Szenen in Russland sind in grau und schwarz gehalten und ist die Bühne weitestgehend leer, während die Szenen bei den Polowetzern sehr bunt sind und die Bühne von einem Dschungel aus Riesensonnenblumen beherrscht wird. Warum in der letzten Szene die Sonnenblumen auf der Bühne blieben und nur durch einige auf die Bühne geworfene Würfel, die offenbar die zerstörten Häuser symbolisieren sollen, ergänzt wurden, blieb unklar. Die Kostüme (Renate Schmitzer) waren genauso gestaltet und entsprachen dem Geist des Librettos. Die Führung der Personen der Personen und des Chores war konventionell und die Choreographie von Teresa Rotemberg auf Grund des geringen zur Verfügung stehenden Platzes eher etwas eindimensional. Das eigentliche Ärgerniss der Inszenierung kam zum Schluß, weil auf Anordnung des Regisseurs die Schlussansprache des Fürsten gestrichen wurde, weil ihm diese nicht ins Konzept passte. Ich frage mich, wie lange wird man sich noch das Diktat der Regisseure gefallen lassen müssen und wann sich Dirigenten und Sänger endlich dagegen wehren werden.

Musikalisch war die Aufführung durchwachsen. Die mit Abstand beste Leistung bot Sebastian Holecek in der Titelrolle. Er entfaltete einen wunderschönen kräftigen Baritonklang und gestaltete die Rolle sehr überzeugend. Seine große Arie war zweifelsohne der Höhepunkt des Abends. Melba Ramos bemühte sich sehr als Jaroslawna und es gelang ich auch über weite Strecken auf Linie zu singen. Da sie leider über kein allzu interessantes Timbre verfügt, gelang es ihr nicht, der doch etwas lethargischen Rolle mehr Leben einzuhauchen. Martin Winkler war von der Gestaltung her ein gut gezeichneter Galitzy, stimmlich blieben allerdings durch seinen Charakterbariton doch einige Wünsche offen. Sorin Coliban sang den Kontschak zwar mit mächtiger Stimme, hatte aber mit den extremen Lagen einige Probleme. Eine Gestaltung der Rolle vermißte man bei ihm. Keinen glücklichen Abend erwischte Vincent Schirmacher als Wladimir. Die Stimme kam überhaupt nicht ins klingen und war zudem ein Bruch beim Übergang vom Piano bzw. Mezzavoce ins Forte bemerkbar. Darstellerisch blieb er farblos. Ähnliches gilt es über Amely Peebo als Kontschakowna zu berichten. Auch ihre Stimme klang nicht sehr schön und hatte sie Probleme in der Tiefe. Darstellerisch konnte auch sie nicht viel bieten. Stefan Cerny und Christian Drescher waren ein zwar stimmlich zufriedenstellendes, darstellerisch aber wenig komisches Paar Skula und Jeroschka. Karl Michael Ebner war ein ordentlicher Owlur.

Ein Problem an diesen Abend war auch das Orchester. Irgendwas muß da bei der Einstudierung schief gelaufen sein. Man hörte weder russische Klangfarben noch die Feinheiten der Instrumentation Rimsky-Korsakoffs. Über weite Strecken klang das Orchester knallig und wenig differenziert. Inwieweit man hier dem Dirigenten Alfred Eschwé, der mir sonst als durchaus kompetenter und auch feinfühliger Orchesterleiter bekannt ist, die Schuld geben kann, vermag ich nicht zu beurteilen. Sehr gut war hingegen der in diesem Werk so wichtige Chor (Einstudierung Holger Kristen). Das Wr. Staatsballett war angesichts der nicht allzu anspruchsvollen Choreographie zufriedenstellend.

Am Ende gab es diesmal nicht den sonst in der Volksoper üblichen Einheitsjubel, sondern durchaus differenzierten Applaus für die Sänger, wobei natürlich Sebastian Holecek den meisten Jubel bekam, aber auch durchaus hörbare Buhs für das Regieteam und auch vereinzelt für den Dirigenten.

Heinrich Schramm-Schiessl

 

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