Volksoper
22.12.2015: „DIE SCHNEEKÖNIGIN“– perfekte Technik, versickernde Poesie
Ein Märchenballett in der Volksoper, die „Schneekönigin“, für Kinder? Die Nachfrage des Publikums ist vorhanden. Ausverkauft! Und dazu werden noch zusätzliche Aufführungen eingeschoben. Der Titel von Hans Christian Andersens Biedermeier-Märchen lockt zur Weihnachtszeit, und auch die Darbietung des Wiener Staatsballetts kann gefallen. So richtig kurzweilig für Kinder ist es aber denn doch nicht, dieses vom Londoner Choreographen Michael Corders aufwändig gestaltete Tanzspektakel. Corder bietet zu Sergej Prokofjews expressiver Musik zwar ein ansprechendes Bilderbuch, vermittelt jedoch anstatt märchenhafter Poesie und origineller choreographischer Einfälle eine anspruchsvolle Lehrstunde betreffs klassisch-akademischen Tanzes. Es ist eine bunte Folge ohne Spannungsaufbau, dramaturgisch unterbelichtet, nicht ohne Längen, doch mit einer Reihe durchaus kultiviert und lebendig geformter Ensembleszenen wie Soli und Pas de deux. Und auch die zweite Besetzung erweist sich auf dem eisglatten Weg in den Eispalast der Schneekönigin als sehr, sehr überzeugend. Die Rollen sind weniger auf Charakterzeichnungen ausgerichtet, verlangen allerdings reine, ausgefeilte Technik. Ioanna Avraam in der Titelrolle, Nina Tonoli und Greig Matthews als jugendliches Paar beherrschen solches, machen gute Figur, vermögen völlig zu überzeugen. Auch das Orchester unter MartinYates wirkt tadellos eingespielt, und somit fällt es doch nicht zu schwer, sich einer in vielen Hinsichten beachtlichen Ballett-Demonstration hinzugeben.
Meinhard Rüdenauer