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WIEN/ Volksoper: DIE LUSTIGE WITWE – „die ältere Witwe“. alles dreht sich, auch zuviel Dialog in neuer Fassung. Premiere

03.03.2024 | Operette/Musical

VOLKSOPER, am 2.Maerz 2024   die  ÄLTERE WITWE

Alles dreht sich, auch zuviel Dialog in neuer Fassung

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Copyright; Volksoper

Die Regisseurin betonte angeblich in einem Interview, dass sie die Lustige Witwe vorher ueberhaupt nicht kannte. Dass sie dann das Stueck gleich aus einem ganz anderen Blickwinkel inszeniert ist frappant, aber nicht unoriginell.   Fuer die Volksoper stoert mich diese eigenwillige Sichtweise. In einer Produktion im ThadW oder in einem Sommerfestival wuerde ich diese Inszenierung vollauf akzeptieren, da sie ja bald wieder entsorgt werden koennte.  im weltweit ersten Haus der Wiener Operette erwarte ich eine Inszenierung, die sich an die Musik von Lehar und die von Leon und Stein erfundene Handlung und ihren Text hält. Eine 70+jaehrige wuerde  z.B.  nicht:  „das hat rrasss, so tralalala“ singen. Die musikalische Linie und der Text entsprechen einem Paar, das ca 40 Jahre juenger ist als Hanna und Danilo in dieser Produktion. Eine Neuinszenierung in der VO sollte sich ja viele Jahre halten, und einem internationalen Besucher ein Meisterwerk unverfaelscht zeigen. Im Weggehen hoerte ich den Kommentar eines Paares, das vom Balkon oder Galerie herunterkam: Eisrevue…..

Es gibt eine neue und zu umfangreiche Dialogfassung, die man zum Teil nicht versteht, das geht zu Lasten des offenen Buehnenaufbaus und des ca 1000faltigen Samtvorhang -Rundhorizonts, die die schon etwas problematische Akustik verschlechtern; auch ist die Sprechtechnik von einigen Mitwirkenden nicht die beste…..

In der „guten alten Zeit“ hat man Buehnenaufbauten so gemacht, dass sie die Stimmen so gut wie moeglich ins Haus projizieren, hier geht vieles in den Schnuerboden.

Einige Male kommen derbe Anzueglichkeiten vor;  gespreizte Damenbeine habe ich in einer Wiener Operette bis dato nie gesehen, hier schon, noch auf dem Weg ins kleine Pavillon liegt Valencienne so in der Mitte der Buehne und kopuliert heftig mit Rossillon, eigentlich wollte ich ein anderes mehr volkstuemliches verbum benuetzen, will mich aber semanthisch nicht auf das Niveau dieser Einfaelle begeben..  Freilich koennte man ahnen, dass so etwas dann im Pavillon, der hier eine haesslich Kiste ist, passieren wuerde….Hanna und Danilo versuchen dann noch ein Quicky in einem Kasten oder im Aufzug und Danilo laesst uns wissen, dass es bei ihm nicht mehr geht…..usw, usf…

Der Chor ist verschiedentlich schlecht gekleidet, und wird immer wieder von der Drehbuehne im Uebermass herumzirkuliert. Auch  der Zeitpunkt der Handlung laesst sich schwer bestimmen, fast alle sind wie in den 60gerjahren angezogen, das Ballett tanzt manches wie heutig,  und der Fuerst erscheint am Schluss in einer Aufmachung, als ob er vom Wiener Kongress kaeme.   Etwas missglueckt ist  Hannas Auftritt „Bitte, meine Herrn“,   bei der schwierigsten Phrase ihrer Partie: „in unsrem Gelde, liegt unser Wert“ muss die Glawari steile Stufen nach oben gehen…..    Einige lustige Einfaelle gibt es aber wahrheitshalber auch.

Annette Fritsch singt die Hanna mit sehr schoener Stimme, scheint aber leicht indisponiert gewesen  zu sein.  Eine fuelligere Mittellage waere von Vorteil. Sie schaut blendend aus und wirkt sehr sympathisch. Daniel Schmutzhard hat mir als Danilo besser gefallen als vor einigen Jahren, er sang nobler und mehr auf Linie.  Beide spielten die ihnen auferlegte Version blendend und tanzten auch sehr gut.  Hedwig Ritter als Valencienne hatte die tragendste Stimme des Abends, ist aber vom Typ her nicht ideal fuer diese Rolle. Den Camille de Rossillon habe ich immer fuer einen Pariser Aristokraten gehalten, hier ist er aber ein aparter Maler(lehrling). Aaron C Gould hat alle Toene in dieser Rolle, was ihm fehlt ist Volumen und Timbre in der Melodielage; stimmtechnisch sollte er dazuschaun den Vokal i, der fuer einen Tenor sehr wichtrig ist, in den Griff zu bekommen.  Vollkommen unlogisch, dass sich eine 70+Jaehrige so schnell, wenn auch nur theaterhalber, mit einem kaum noch volljaehrigen Juengling verlobt…..Was hat Frau Glawari eigentlich in den 40 vergangenen Jahren  gemacht, dass sie erst im hohen Alter in Paris ein Palais hat und meint:  „hab in Paris mich noch nicht ganz so akklimatisiert“….??   unter den zahlreichen mitwirkenden Pontevedrinern  faellt Michael Havlicek durch noble Stimme und Wortdeutlichkeit auf.   warum raucht Saint Brioche eigentlich bei jeder Gelegenheit??… Warum spricht Njegus im Wiener Dialekt, wo alle anderen sich um Pontevedro-tonfall bemuehen??…abgesehen davon ist mir noch kein Njegus so wenig aufgefallen.

Das Orchester spielte sehr schoen, aber oefters zu laut, die Stimmen wurden immer wieder ein wenig zugedeckt. Ben Glassberg hat mir bei der Salome und beim Fliegenden Hollaender weit besser gefallen. Er hat eine gute Schlagtechnik, aber hier stimmte die Balance oft nicht, und einiges war zu schnell, was hie und da zu leichten Wacklern fuehrte.

Die Direktorin der VO glaubt wahrscheinlich, dass das ein grosser Erfolg war; der kolossale Schlussapplaus koennte dies vermuten lassen… Angeblich soll es seit der Direktion Mentha in der VO eine Jubelbrigade aus dem eigenen Haus geben. Bei dieser Premiere war der Applaus nach den einzelnen Nummern eher schwach; am Schluss aber scheinen  die Jubelperser am Werk gewesen zu sein. Wahre Jubler dosieren ihren Applaus, hier wurde fast alles gleichermassen bejubelt. Von der Galerie konnte man aber auch einige Buuhs hoeren,  das ist aber keinem der  Kritiker aufgefallen. 

Wenn man im Internet den Werdegang von Frau de Beer vor ihrer Direktionszeit in der VO sucht, findet man in ihrem curriculum nicht eine Wiener Operette, auch findet man wahrscheinlich auch  keine Deutsche Spieloper.  Seltsam, dass die gruene Staatssekretaerin eine Kandidatin durchbrachte, die auf dem Hauptgebiet der Wiener Volksoper, und das ist die Wiener Operette – und das sollte auch unbedingt  die Deutsche Spieloper sein – keine entsprechende Erfahrung vorweisen konnte. So geht aber auch Frau de Beer vor und engagiert fuer eines der Hauptwerke der Wiener Operette eine Dame, die auf diesem Gebiet auch noch auf keine Erfolge vorweisen kann: ist die Wiener Volksoper  jetzt zur Aus-Probierbuehne geworden?

alcindo

 

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