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WIEN/ Volksoper: DIE LETZTE VERSCHWÖRUNG von Moritz Eggert –  mit der Bitte für mildernde Umstände. Premiere

25.03.2023 | Oper in Österreich

Uraufführung in der Wiener Volksoper: „Die letzte Verschwörung“ –  mit der Bitte für mildernde Umstände (25.3.2023)

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Kennen wir uns mit den verschiedensten herumschwirrenden Verschwörungstheorien auch aus? Eher nicht, lieber die Hände weg. Da wird schon das wenigste oder gar nichts stimmen. Neo-Volksopernchefin Lotte de Beer hat sich, munter und mutig, ein Phantasiespiel zu diesem Thema von dem deutschen Komponisten Moritz Eggert gewünscht. Da sind sie nun, skurrile und so recht eigenartige verschwörerische Wesen. Sie laufen unter ‚Mythos-Operette‘ doppelbödig herum, munter und frech. An die gute alte Operette erinnert nichts, die Show könnte eher als wirbeliges Musical bezeichnet werden – allerdings, auf einen Super- oder Standardsong ist wohl bewusst verzichtet worden. Also, besser sich nicht in den Verschwörungstrubel hinein ziehen lassen, eher par distance und objektiv mit einem gelegentlichen Schmunzeln das nicht allzu klar zu verstehende Geschehen verfolgen.   

Moritz Eggert, Heidelberger des Jahrgangs 1965, ist Autor und Komponist von de Beers Wunschstück für die Wiener. Als Vielschreiber ist er ein wahrer Hyperaktiver. Und als Komponist auch ein echter Könner. Nicht dass er an das Seelische in der musikalischen Aussage zu glauben scheint, doch mit unzähligen sich schnell abwechselnden netten Floskeln, Paraphrasen, mit rhythmischem Aufputschen, Trommelwirbel und noch und noch einem Farbfleckerl drauf wird der Zuschauer in den Strudel geworfen. Dies funktioniert, der stilistisch changierende Klangteppich kann ansprechen – und ehren wir somit Eggert als master of high speed music.

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Timothy Fallon, Staatsbalett. Foto: Barbara Palffy

Und bezüglich der Verschwörungstheorien? Auch hier: nicht so überzeugend. Eine obskure Story, wohl eine Parodie auf digitale Konfusionen, auf Bytes und Quanten (Hauptdarsteller: Timothy Fallon als Friedrich Quant) ist hier zusammengebraut. Nicht mit Spannung zu verfolgen, doch man mag schon neugierig sein, was da nun in Folge passieren könnte. Ein leicht schwammiges Puzzle ist´s, garniert mit Anspielungen auf die derzeitige Wiener Mieskultur. Politikern von ganz rechts oder Grün wird man allerdings wohl Hausverbot erteilen müssen um eine Anklage zu vermeiden. Denn unverfroren und gierig lässt es sich für eine Partie von Außerirdischen hier im Haus speisen …. Kinderfleisch wird mit Gelächter aufgetischt! Lotte de Beer als Regiedame ihres Projektes lässt es höchst lebendig rund und unbeschwert laufen. Sentiment ist ausgeschaltet, so richtige herzliche Lacher werden nicht angepeilt, auch Charmeure finden wir keine in dieser undurchschaubaren Welt manch unheimlicher Spekulationen.  

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Wallis Giunta, Daniel Schmutzhardt. Foto: Barbara Palffy

Die Drehbühne zaubert adrette Bilder hervor, und die bestens geratenen überbordenden Videoeinspielungen (Bühne: Christof Hetzer, Videodesign gemeinsam mit Roman Hansi) steuern zu guter Stimmung bei. Das musikalische Quicky bemüht sich nicht um sängerische Höhepunkt, doch lecker wirkt das Silbergeglitzer der sexy Tanzautomaten. Eine geistreiche Lösung zum Ende, eine Aufklärung? Nun ja, eher hilflos: Quants früheres Leben sei nur eine Computersimulation gewesen, jetzt hat ihn das ‚System‘ zur Wahrheit geführt. Könnte als Menetekel auf Machtmissbrauch gestriger wie heutiger Diktatoren und Religionen angesehen werden.

Am Premierenabend sind total gespaltene Meinungen über das Stück zu hören gewesen: schwerste Ablehnung wie ein an der Fülle der Aktionen satt gewordenes Publikum. Der beste Gag wäre aber gewesen, wenn Eggert Dirigent Steven Sloane notengetreu die Schlusstakte von Puccinis „Gianni Schicchi“ vorgelegt hätte: ‚Mildernde Umstände‘ für alle Verschwörer und den künstlerischen Zeitgeist.

Meinhard Rüdenauer

 

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