Volksoper 3.09.2021 „Die Dubarry“ von Carl Millöcker
Eine Inszenierung der Extreme
Ensemble. Foto: Volksoper/ Barbara Palffy
Mit Spannung hatte man sie bereits erwartet die Eröffnungs- Premiere unter der neuen Intendantin Lotte de Beer.
Doch was hier als klassische Operette auf die Bühne gestellt wurde erinnerte doch eher an eine Satire, skurril derart überzogen dekadent, zeitweise sogar paradox, mit vielen unter der Gürtellinie eingebauten Sketcheinlagen, dies so gut wie gar nicht mit der ehemaligen Revueoperette im Einklang standen. Was hätte wohl der Librettist Theo Mackeben zu dieser neu überarbeiteten Dramaturgie (Andrea VILTER) gesagt, abgesehen von der Inszenierung ganz zu schweigen. Möge zwar das Regietheater alles Konventionelle, das aber zu einer klassischen Operettenproduktion wie das Gelbe vom Ei dazugehört, schon seit langer Zeit zu Grabe getragen haben, so sollte man sich in der Regiearbeit doch zumindest an die Grundregeln halten, was den eigentlichen Charme einer Operette ausmacht. Denn Blödeln um das Volk, die Masse zum Lachen zubringen allein genügt nicht. Zeitweise waren die Gags sogar derart primitiv, dass hier von einem intellektuellen Regietheater wohl kaum die Rede sein kann. Doch offenbar ist Intellektualität und anspruchsvolles Regietheater auch sowieso nicht mehr gefragt, und in erster Linie sind es hier auch die jungen Leute, die von der Inszenierung (Jan Philipp GLOGER) durchaus begeistert waren, über jeden Witz lachen konnten, und wo ich nach der Premiere auf der Straße in Richtung zu meinem Auto die Worte eines Studenten vernahm „Die Inszenierung war wirklich affengeil“. Doch was sagte den alt bewährten Operettenkennern einer Generation, die mit der Operette aufgewachsen ist, diese wahrhaft schräge Inszenierung? Hier teilten sich wahrhaftig die Meinungen. Ob man in später Zukunft diese Generation weiterhin ins Theater bekommen wird, ist doch sehr infrage gestellt. Man kann schon auf die „Dreigroschenoper“ im November gespannt sein, die ich noch vom Gorki Theater und vom Theater des Westens in guter Erinnerung habe.
„Doch neue Besen kehren gut“ und sicherlich wird uns in den nächsten Jahren die eine oder andere Überraschung geboten werden. Das heißt aber nicht, dass das Wiener Publikum nicht aufgeschlossen allem Neuen gegenüber ist. Im Gegenteil es kann sich sogar begeistern, wenn das Ganze auch einen Sinn ergibt. Wenn Inszenierungen auch mit der Musik in Harmonie und Einklang steht. Doch Vieles ergab in dieser Inszenierung keinen Sinn, denn obwohl die Operette am französischen Hof spielt, wurden wir hier in die Sissizeit und die des Kaiser Franz Josephs versetzt, und was sollte die Darstellung der arbeitslosen und hungernden Gesellschaft, die uns hier vermutlich den 1. oder auch den 2.Weltkrieg versuchte zu verdeutlichen?
Die ständig wechselnden Szenenabläufe ergaben oft keine Zusammenhänge, es fehlte der rote Faden, und obwohl des sich ständig bewegenden Bühnenbildes (Christof HETZER) einzelne Szenen hier wahrlich für Verwirrung sorgten. Obwohl hier Bühnenbild und Kostüme (Sybille WALLUM) durchaus ein Augenschmaus, von einer ungeheuren Lebendigkeit und einem atemberaubenden Couleur waren.
Es wurde mit Berliner Schnauze und Tempo gespielt. Das war schon einmal das Positive an diesem Abend. Man hatte hier auf die Sopranistin Annette DASCH gesetzt, die durchaus in der Darstellung der Dubarry, zunächst als arme Näherin, dann als Nachtklubsängerin schauspielerisches und sängerisches Format bewies. Harald SCHMIDT, bekannt als Moderator in Deutschland und Umgebung, witzelte durch das Stück, weniger als König Ludwig XV, aber dafür trumpfte er souverän mit lustigen Pointen auf, über die sich das Publikum vor Lachen zerkugelte. Juliette KHALIL in der Rolle der Margot (Verkäuferin) ist natürlich mit Julia Migenes in keiner Weise vergleichbar, wenn wir uns an die zauberhafte ZDF Operettenverfilmung „Die Dubarry“ unter anderem mit Heinz Zednik als Marquis de Brissac und Gail Robinson, Barry McDaniel als René, Peter Pasetti und meiner Wenigkeit (Lucille) noch erinnern. Ebenso gab es zum Vergleich zauberhafte Bühnenfassungen, die ich hier jetzt nicht alle aufzählen möchte.
Die Khalil spielte hier offenbar auf Anweisung der Regie die Rolle mit einer ungeheuren Schnoddrigkeit, wobei sie zwar durch ihr Emporkommen zur Gräfin aber keineswegs ihre Kinderstube verheimlichen konnte. Wolfgang GRATSCHMAIER obwohl seines schauspielerischen Talents, schien hier eher fehlbesetzt. Denn ihn als alten, schon eher überwuzelten, sexbesessenen und reichen Krösus darzustellen passte einfach nicht zu diesem Stück. Ebenso ein sich ständig an die Eier kratzender Adeliger. Aber auch Worte wie „Leck mir nicht die Hand, du perverse Sau!“ wenn Lucian KRASZNEK in der Rolle des René de Lavallery, Kunstmaler in seiner schmachtenden Arie seiner einst so geliebten Dubarry einen höfischen Handkuss verleibt, sind die Spitze des Eisbergs, und hier sollten derart provokante Aussagen besonders in der Operette vermieden werden. Obwohl gerade Krasznek stimmlich besonders hervorstach.
Gesamt gesehen bestand diese Inszenierung eher aus einem Mix von Herz, Schmerz und Bitterkeit, der widersprüchlicher nicht hätte sein können. Selbst ernstzunehmende Szenen wurden oft mit einem Zynismus überspielt und auch derart überspitzt dargestellt, dass der eigentliche Charme der Operette dadurch total verloren ging. Vom königlichen Know-how war hier wenig zuspüren. Wäre da nicht das spielfreudige Ensemble, das zumindest zu einen gelungenen Abend beitrug , wo jeder einzelne, neben Orchester, Chor und Komparserie für einen vergnüglichen Abend sorgte, wäre dieses Werk aufgrund der Inszenierung bereits zum Scheitern verurteilt gewesen.
Doch sehenswert ist es allemal unter der neuen Ära, wobei man natürlich keinerlei Vergleiche mit früheren Produktionen ziehen darf. Denn so wie die Welt so verändert sich auch das Theater und wir stehen nun einmal an einer Zeitenwende, wo man auch dem neuen Regietheater aufgeschlossen gegenüberstehen muss, auch wenn es uns manchmal nicht in den Kram passt.
Als operettenhaftes Revuestück in der Neubearbeitung mit all seinen berühmten Schlagern wird es schon seine Anhänger finden. Ja, so ist sie, die Dubarry wird man in der großartigen Besetzung mit Annette DASCH nicht so schnell vergessen – und was die Inszenierung betrifft, da unterscheiden sich ohnehin die Geister.
Es zeigte sich Begeisterung beim Publikum nicht nur für die Solisten, auch für das Orchester unter dem Dirigat von Kai TIETJE.
Was will man mehr, wo soviel gelacht und einzelne Szenen mit Harald SCHMIDT beklatscht wurden. Wobei Humor in Zeiten wie diesen durchaus vonnöten ist!
Manuela Miebach