Elissa Huber. Copyright: Johannes Ifkovits/Volksoper
Wien Volksoper
JA SO EIN TEUFELSWEIB: GRANDIOSE NEUINSZENIERUNG VON KALMANN‘S „CSARDASFÜRSTIN“(16.9.2018)
Da sage noch jemand, die gute, alte Operette widersetze sich einer modernen „Neudeutung“. An der Wiener Volksoper ist es dem Berliner Peter Lund zum 3.Mal gelungen, dieses Vorurteil zu widerlegen. Nach „Frau Luna“ und „Axel an der Himmelstür“ hat er das wohl populärste Werk von Emmerich Kalman, „Die Csardasfürstin“, so unterhaltsam wie klug herausgebracht. Und die musikalische Seite – am Pult des Volksopernorchesters brilliert Alfred Eschwé – kann der Regie durchaus Paroli bieten.
In der Titelrolle zieht die attraktive Volksopern-Debütantin Elissa Huber alle Register ihres Könnens: eine dramatische Stimme nicht nur beim Singen sondern auch in den Prosastellen; sie tanzt und wirbelt wirklich wie ein „Teufelsweib“ über die Bühne (Choreographie Andrea Heil), ihr männlicher Gegenspieler – Lucian Krasznec als Edwin – ist vom Typ her ideal :ein hübsches Muttersöhnchen, der sich in eine Tingel-Tangel-Diva verknallt hat und nun droht, nicht standesgemäß zu heiraten. Der junge Mann hat eine helle, dramatische Tenorstimme, die in der Ferne an einen möglichen Lohengrin gemahnt. Auch er punktet obendrein mit der Prosa, die Peter Lund offenbar sehr ernst nimmt. Das gilt auch für das Buffo-Paar: Jakob Semotan als etwas molligen-drolliger Boni und Juliette Khalil als herzige Stasi sind ebenso dominant wie das Eltern-Paar Fürst Leopold – Maria – „Hausherr“ Robert Meyer und seine köstlich – zänkische Ehefrau Sigrid Hauser als Anhilte (die ebenso trotz ihres Gehabens eine Tingel-Tangel-Vergangenheit verheimlicht). Diese vier Persönlichkeiten sowie Christian Graf als Baron Eugen, Boris Eder als Ritter Ferenc und Nikolaus Hagg als Diener bringen das Publikum mit den bekannten „Ohrwürmern“ von Emmerich Kalman in „Siedehitze“: „Das ist die Liebe, die dumme Lieb“.….“Die Mädis vom Chantat“… „Machen wir‘s den Schwalben nach“…“Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht“ oder „Joi. Mamman Bruderherz, ich kauf mir die Welt“…Zugleich lässt er die Schatten des 1.Weltkrieges immer dunkler über dem munteren Treiben dahinziehen.
In der Tat: Kalman und sein Textdichter Leo Stein arbeiten an der „Csardasfürstin“ als der 1.Weltkrieg ausbrach. Erst nach einer 1jährigen Pause setzten die beiden ihre Kooperation fort. Bei der Wiener Uraufführung der „Csardasfürstin“ im November 1915 (im Johann-Strauss-Theater) war jedenfalls klar, dass das Völker-Ringen noch Jahre dauern könnte. Peter Lund zieht diese Weltuntergangs-Grundstimmung („Wer weiß wie lang der Globus sich noch dreht“) durch Film-Sequenzen in die Handlung mit ein (Andreas Ivancsics) und steigert diesen historischen Kontrapunkt so lange, bis mit dem Satz „Es ist alles Theater“ die musikdramatische „Augenöffnung“ erfolgt.
Das Publikum ist jedenfalls begeistert, es erklatscht viele „Encore’s“ und bejubelt zuletzt nicht nur die Sänger und den Dirigenten, sondern auch den Regisseur Peter Lund und sein Team (Ulrike Reinhard Bühne, Daria Kornysheva Kostüme)..Man sollte sie öfters holen!
Peter Dusek