Endlich wieder eine „echte Operettendiva“ an der Volksoper: Elissa Huber. Copyright: Volksoper/ Barbara Palffy
WIEN/ Volksoper: DIE CSARDASFÜRSTIN – Premiere – 16.9.2018
(Heinrich Schramm-Schiessl)
Was ist Operette? Laut Duden ein leichtes, unterhaltsames, musikalisches Bühnenwerk mit Tanzeinlagen. Diese Beschreibung sagt eigentlich alles über das Genre aus und erklärt auch, warum es in den letzten Jahrezehnten sehr viel von seiner Popularität eingebüßt hat. Natürlich hat auch der Umstand, dass es heute kaum noch Sängerpersönlichkeiten gibt, die Operette wirklich singen und spielen können, dazu beigetragen, aber der Hauptgrund ist sicher, dass es zu einem absoluten No go geworden ist, sich im Theater „nur“ zu unterhalten. Das hat dazu geführt, dass man in den meisten Operettenproduktionen den Werken einen sozial- und/oder zeitkritischen Touch verpasst hat, wobei das sehr oft mit dem Holzhammer geschehen ist. Ein dafür besonders anfälliges Werk ist Emmerich Kalmans „Csardasfürstin“, spielt sie doch in der Zeit unmittelbar vor und zu Beginn des ersten Weltkrieges und wurde ein Jahr nach dessen Beginn uraufgeführt. Nun glaube ich nicht, dass der Komponist und seine Librettisten Leo Stein und Bela Jenbach ein Antikriegsstück schreiben, sondern den Menschen einige wenige Stunden Unterhaltung und damit Abstand von der grauen Wirklichkeit bieten wollten. Die von manchen aus der Handlung herausgelesene Gesellschaftskritik – Fürstensohn liebt Revuetänzerin – ist ein alter dramaturgischer Baustein der Operette und als solche nicht überzubewerten.
In der nunmehrigen Neuproduktion der Volksoper tappt der Regisseur Peter Lund zwar nur kurz und mit einem Fuß aber doch in diese Falle. In der Zwischenaktmusik zwischen zweiten und dritten Akt zeigt er ein Video – die Verwendung dieses Stilmittels wird langsam auch schon fad – alte Wochenschauaufnahmen aus dem 1. Weltkrieg und am Ende des Finales überfliegen Kampfflieger die Bühne. Das war völlig unnötig. Das Argument, was ich nachher hörte, dass wir doch heuer den 100. Jahrestag des Endes dieses Krieges begehen, hält einer Überprüfung nicht stand, da wir ohnehin in nur allen möglichen Medien mit diesem Thema befasst werden. Dabei ist Lund, wie schon zuvor bei „Frau Luna“ oder „Axel an der Himmelstür“, eine sehr gescheite und schwungvolle Inszenierung gelungen. Die Personen – egal ob Solisten oder Chor – werden gut geführt und auch der Humor kommt nicht zu kurz, wobei hier eine angenehme Dezenz festzustellen ist. Die Bühnenbilder von Ulrike Reinhard sind hübsch anzusehen, auch wenn das Revuetheater etwas surrealistisach anmutet. Die Kostüme von Daria Kornysheva entsprechen der Zeit der Handlung. Lediglich die Kostüme des Chores im zweiten Akt sind etwas ein Stil-Mischmasch. Lebendig auch die Choreographie von Andrea Heil.
Juliette Khalil und Jakob Semotan. Copyright: Volksoper Wien/ Barbara Palffy
Auch musikalisch konnte man zufrieden sein. Das beginnt schon beim schwungvoll aufspielenden Orchester unter Alfred Eschwé, der diesmal wieder sein Können als Operettenkapellmeister unter Beweis stellt. Sehr gut war die zentrale Rolle der Sylva Varescu mit Elissa Huber besetzt. Hier konnte man nach langer Zeit wieder eine echte Operettendiva auf der Bühne des Hauses sehen. Sie verfügt über eine technisch gut geführte und auch höhensichere Stimme. Was ihr vielleicht fehlt, ist ein etwas verführerisches Timbre. Auch darstellerisch war sie überzeugend. Ihr leider nicht ganz ebenbürtig war Lucian Krasznec als Edwin. Er verfügt zwar über einen an sich gut geführten Tenor mit schöner Mittellage, aber leider wird die Stimme in der Höhe etwas eng. Darstellerisch hätte man sich etwas mehr Eleganz gewünscht. Sehr gut das „zweite“ Paar mit der spielerisch quicklebendigen und stimmlich sehr zufriedenstellenden Juliette Khalil als Komtesse Stasi und dem angenehm dezent komischen und stimlich sehr guten Jakob Semotan als Boni. Boris Eder als Feri Bacsi gestaltet seine Rolle mit einer Mischung aus Skurilität und Altersweisheit und war auch stimmlich in Ordnung. Köstlich war Sigrid Hauser als Fürstin Anthilde, Robert Meyer als ihr Gatte Leopold Maria zeigte diesmal, dass er auch dezent komisch sein kann.Von den übrigen Rollen sei nur noch Christian Graf als Baron Rohnsdorff erwähnt, der kraft seiner Bühnenpersönlichkeit erstaunlich viel aus dieser kleinen Rolle herausholte. Der Chor in der Einstudierung von Holger Kristen sang ebenfalls sehr zufriedenstellend.
Mit dieser „Csardasfürstin“ ist der Volksoper nach den beiden veritablen Flopps im Vorjahr endlich wieder eine Operettenproduktion gelungen, die der Tradition des Hauses entspricht.
Am Ende verdienter Jubel für alle Beteiligten inklusive dem Regieteam.
Heinrich Schramm-Schiessl
PS.: Es stimmt übrigens nicht, dass die TV-Übertragung die erste aus der Wiener Volksoper war (wie von uns in der Vorschau vermeldet). Übertragen wurde bereits „Das Land des Lächelns“ (28.9.1996) und „Die Bernauerin“ (20.12.1997).