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WIEN/ Volksoper: DER MANN VON LA MANCHA . Premiere

18.10.2015 | Operette/Musical

17.10. 2015: „DER MANNN VON LA MANCHA“. – Souveräner Robert Meyer als Ritter von der traurigen Gestalt

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Er ist aktueller denn je: der unmögliche Traum von der besseren, schöneren Welt. Mit der aktuellen Produktion von „Der Mann von la Mancha“ hat man in der Volksoper den Nagel auf den Kopf getroffen und ein Musical, das ein halbes Jahrhundert alt ist, neu an den Puls der Zeit gelegt.

1965 wurde „Der Mann von La Mancha“ in New York uraufgeführt – allerdings „off Broadway“. Nach dem Buch von Dale Wasserman und mit Gesangstexten von Joe Darion hat es den Roman von Miguel de Cervantes zum Inhalt. Kaum drei Jahre später (und noch vor der eigentlichen Broadway-Premiere) war es bereits dank Rolf Kutschera, dem damaligen Intendanten, als deutschsprachige Erstaufführung im Theater an der Wien angesetzt – in der legendären Besetzung mit Josef Meinrad, Blanche Aubry und Fritz Muliar. Später war dann neben  Josef Meinrad auch Gedeon Singer auf der Suche nach dem unerreichbaren Stern zu erleben; mit Dagmar Koller als Aldonza/Dulcinea und Heinz Petters als Sancho. 1994 wanderte das Werk in die Volksoper mit Karlheinz Hackl, Dagmar Koller und Robert Meyer in den Hauptrollen. Zeit also für eine Neuproduktion: In der jetzigen Fassung von Regisseur Olivier Tambosi setzt er das Stück ins „Jetzt“, bezieht auch den Zuschauerraum mit ein und verlegt das Orchester hinter die Bühne. Damit ist man auch als Publikum mitten im Stück. Dieses Konzept passt sehr gut hierher, schafft von Anbeginn mit der offenen Bühne eine intime Nähe zwischen Darstellern und Zuschauern. Um diese Spannung durchgängig zu halten hat das ursprünglich zweiaktige Werk hier keine Pause. Dieses Musical ist ein leises, feines Kammerstück und keine laute, publikumswirksame Show. Es gibt keine schmissigen Tanzszenen; die tänzerische Bewegungsgestaltung (Choreografie Stephan Brauer) entsteht wie zufällig, unvermutet und fügt sich damit bestens ins Gesamtbild. 

Die Handlung ist bekannt: der Dichter Cervantes kommt mit seinem Gehilfen ins Gefängnis, um vor der Inquisition auszusagen. Im Streit um seine wenigen Habseligkeiten gelingt es Cervantes die Mithäftlinge, allesamt „schwere“ Kaliber an Dieben und Mördern, dazu zu bewegen, mitzumachen, wenn er seinen Roman erzählt. Das Spiel im Spiel beginnt. Und wenn im Stück Don Quixote, der Ritter von der traurigen Gestalt von seinem unmöglichem Traum singt, öffnet er damit das Herz seiner Angebeteten Dulcinea, der rauen Aldonza, die diesen Traum schließlich für sich übernimmt, als im Spiel Don Quixote in ihren Armen stirbt, aber Cervantes in der Realität zum Verhör der Inquisition aufgerufen wird.    

Während man gerade parallel dazu in der Staatsoper in üppigem Bühnensetting die klassische Ballettversion von „Don Quixote“ in der Choreografie von Rudolf Nurejew sehen kann, wo der Titelgeber nur als Randfigur des Bühnengeschehens letztlich dafür sorgt, dass das Liebespaar Kitri und Basil im tanzend Glück vereint ist, bestimmt er hier im Musical als zentrale Hauptrolle maßgeblich das Geschehen auf der Bühne. In der minimalistischen Ausstattung (Bühnenbild und Kostüme von Friedrich Despalmes) genügt es, einige Metallkisten zu den nötigen Requisiten um zu funktionieren – u.a. als Spiegel im Duell mit dem Ritter oder als Bett für den sterbenden Don Quixote. Die Gefangenen tragen schwarz-blaue Overalls, die Rüstungsteile und das Manuskript bringt Cervantes mit ins Verlies, das nur von oben über eine ausziehbare Leiter betreten werden kann. Der Improvisationscharakter ist Teil des Konzeptes, wenn u.a. statt des Seidentaschentuchs ein Putzfetzen auf Don Quixotes Lanze befestigt wird oder für den Kampf mit den imaginären Windmühlen durch den Saal hinaus gestürmt wird, um durch eine andere Türe wieder vom Gefecht gezeichnet herein zu wanken.

Man muss sich auf das Stück einlassen, Fantasie wird gebraucht, und doch ist alles nachvollziehbar, präsent. Präsent ist auch Robert Meyer in der Titelrolle. Als Mann von La Mancha zeichnet er feinsinnig das Bild des weltfremden, liebenswerten Verrückten, ist Held oder Narr oder beides und zugleich der Dichter, der seinen Roman verteidigt – er bewältigt den hauchdünnen Grat zwischen Komik und Tragik mit Verve und ist in der Doppelpartie als Cervantes und Ritter stets rollenentsprechend. Er trägt das Stück, überzeugt nicht nur in den vielen gesprochenen Sequenzen sondern auch und vor allem im Gesang. Er berührt und stimmt nachdenklich, er zieht nicht nur seine Mitspieler auf der Bühne in seinen Bann. Eine bestechende Rollengestaltung mit viel Seele und Tiefgang.

Im zur Seite Boris Pfeifer als Gehilfe bzw. Sancho. Vom Typ her eher groß und schlank, wandelt er sich mit ausgestopftem Bauch und breitspurigem Gang in den treu ergebenen Sancho; ist als herzhafter Gehilfe stets vif sofort mitgestaltend zur Stelle, wenn es darum geht das Spiel Realität werden zu lassen.

Patricia Nessy gibt eine sehr herbe Aldonza, steigert sich stimmlich im Lauf des Abends und findet auch zu berührenden Augenblicken als Dulcinea.

Im kompakten wie stark agierenden Ensemble sticht Christian Graf positiv als gefälliger Gastwirt wie als führungsstarker Gouverneur hervor; bietet Wolfgang Gratschmaier als Haushälterin grandios gewollt witzige Szenchen und Mehrzad Montazeri als Padre die stimmlich schönsten Momente. Glaubhaft auch Christian Dolezal als strenger Duke bzw. als um seinen Ruf besorgter Dr. Carrasco. Solide Martina Dorak, die sich als seine Verlobte sehr bekümmert wegen des kranken Onkels Don Quixote zeigt.

Die weitere Rollen neben der achtköpfigen Truppe der Gefangenen waren mit Thomas Sigwald (Barbier) und Susanne Litschauer (Maria, Frau des Gastwirts) passend besetzt; bestechend die Stimme von Peter Matic als Hauptmann aus dem „Off“.

Dem Orchester in eher kleiner Besetzung gelingt es als stimmiges Instrumentalensemble unter der umsichtigen und sensiblen Leitung von Lorenz C. Aichner, die bekannten Melodien von Mitch Leigh entsprechend zum Klingen zu bringen; unterstützt durch den Gitarristen Jonathan Bolivar auf der Bühne.

Viel Beifall für diese gelungene Premiere im Opernhaus am Gürtel!

Ira Werbowsky

 

 

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