Volksoper
DER MANN VON LA MANCHA oder VOM TRAUM EINES UNERREICHBAREN STERN’S (2.2.2019)
Wer eine makellose Produktion eines Erfolgsmusicals aus den 60er Jahren besuchen will – nun in der Volksoper hat er in den kommenden Wochen hinlänglich Gelegenheit. Der „Mann von la Mancha“ mit Musik des US-Komponisten Mich Leigh nach dem Hauptwerk von Miguel de Cervantes reitet wieder gegen Windmühlen und böse Magier, es wird wieder der „unmögliche Traum“ geträumt, die Phantasie strapazierende Inszenierung von Oliver Tambosi fängt jeden in ihren Bann. Und der Hausherr Robert Meyer ist in einer seiner Glanzrollen zu erleben. Der „Ritter von der traurigen Gestalt“ zieht alle Register seines schauspielerischen Könnens, ist auch vokal mehr als beachtlich und als Direktor kann man ihm nur für das ausgewogene Ensemble gratulieren. Woher der Riesen-Erfolg dieses Stückes, das in der Mitte der 60er Jahre zunächst in Connecticut und dann erst am Broadway herauskam und sofort Musical-Geschichte schrieb? Und das im Theater an der Wien bald danach mit dem Trio Meinrad-Muliar-Aubry ein Sensationserfolg war. Es ist die geschickte Adaption eines Stoffes, den das Leben schrieb. Der Sohn eines verarmten Provinz-Adeligen, Miguel de Cervantes Saavedra (1547 – 1616), durchlebte alle Höhen und Tiefen, die man sich nur vorstellen kann. Er studierte Theologie und brachte es bis zum Kammerdieners eines Kardinals, wurde Soldat auf Seiten von Juan de Austria gegen die Türken, kam zweimal ins Gefängnis, musste sich vor der Inquisition verantworten, war 5 Jahre lang ein Sklave in Algier, heiratete eine 19 Jahre jüngere Frau, begann aber eine fatale Affäre, schaffte es mit seinem Roman über Don Quixote zu Ruhm und Geld – und starb verarmt und vergessen mit 69 Jahren in Madrid.
Eine einzigartige Biographie und eine Bühnen-Figur, die gerade besonders aktuell zu sein scheint. Der Traum von einer besseren Welt, dieses „jetzt erst recht“, dieses Durchhaltevermögen – es wird in der Produktion von Oliver Tambosi ohne jeden Aufwand beschworen. Eine leere Bühne, eine „Himmels-Leiter“, das Orchester der Volksoper – unter der ambitionierten Leitung von Lorenz C. Aichner – und davor eine kleine Truppe von Gefängnis-Insassen, die sich in Soldaten, Schenken-Besucher oder Handwerker verwandeln.
Mit Hilfe ganz weniger Requisiten (Rüstung, Perücken, Bärte etc,) verwandelt sich die Gerichts-Szene, die über Cervantes urteilen soll, in die jeweilige „Phantasie“-Szene. Und Robert Meyer, der bei der Volksopern-Premiere des „Mannes von la Mancha“ noch als Sancho Pansa (neben Karlheinz Hackl und Dagmar Koller) agierte, zeigt wirklich was er kann. Pathos und lockere Rhetorik, die Stille der Sterbeszene oder die Zuversicht über das „Gute im Menschen“ – man lacht, man schmunzelt und man bekommt die sprichwörtliche „Gänsehaut“. Und das gilt auch für Boris Pfeifer als Sancho Pansa – er verwandelt sich vom jungen Burschen zum in die Jahre gekommenen Dieners des „Ritters von der traurigen Gestalt“. Und grandios auch die Aldonza von Patricia Nessy, die sich von der Dienstmagd zur „Frauen-Idealgestalt Dulcinea“ verwandelt und dies auch vokal zum Ausdruck bringt. Dazu ein perfektes Ensemble mit Christian Graf (Gastwirt/Gouverneur), Alexander Pinderak (Padre), Christian Dolezal (Duke), Martina Dorak (Antonia), Thomas Sigwald (Barbier), Wolfgang Gratschmaier (Haushälterin), Susanne Litschauer (Marie).
Der unerreichbare Stern – zumindest im Musical kommt man ihm doch sehr nahe!
Peter Dusek