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DAS GESPENST VON CANTERVILLE – Premiere Volksoper am 18.10.2019
(Heinrich Schramm-Schiessl)
Die gleichnamige Erzählung von Oscar Wilde zählt zu den bekanntesten Werken der englischen Literatur und wurde insgesamt 14 mal verfilmt, unter anderem mit Charles Laughton, David Niven bzw.Sir John Gielgud.
Der deutsche Komponist Marius Felix Lange hat aus dem Stoff nun eine Familienoper – was immer man darunter verstehen kann – geschaffen. Das Libretto stammt von Michael Frowin. Er hat die Geschichte in unsere Zeit transfreriert. Aus dem amerikanischen Diplomaten Hiram B. Otis wurde der Immobilien-Unternehmer Georg König, der mit seiner Familie trotz zahlreicher Warnungen vor einem Gespenst in das Schloss Canterville einzieht. Trotz zahlreicher ungewöhnlicher Ereignisse glaubt die Familie nicht an den Spuk und beginnt das Schlossgespenst entsprechend zu nerven. Bei diesem Gespenst handelt es sich um den Geist des Sir Simon, der nach dem Mord an seiner Frau zum Spuken verdammt ist. Einzig die älteste Tochter Königs zeigt Gefühle für das Gespenst und kann es letztlich von dem Fluch erlösen.
Das Werk wurde 2013 in Zürich uraufgeführt und für eine weitere Produktion in Berlin 2014 vor allen Dingen vom Orchesterpart her erheblich geändert. Neben den normalen Instrumenten stehen auch Marimba, Donnerblech, Ketten und eine Windmaschine in Verwendung.
Nun hat sich Direktor Meyer also entschlossen, dieses Werk auch an seinem Haus zu zeigen. Die Beweggründe dafür sind für mich nicht wirklich nachvollziehbar. Wenn er damit ein weiteres Werk für Kinder am Spielplan haben wollte, so war dies ein Fehlgriff – aber davon später.
„Na ja, geht eh“ war ein in der Pause öfter gehörter Satz und eine solche Aussage ist eigentlich das Todesurteil für ein Werk. Wenn man dann nämlich in die Tiefe – soweit diese überhaupt vorhanden ist – geht, fällt nämlich auf, wie schwach das Werk ist. Dies beginnt hier bereits beim Libretto. Von Oscar Wilde ist bestenfalls das Handlungsgerüst übrig geblieben, ansonsten befleißigt man sich einer Sprache, die fatal an TV-Soaps oder schlichte Fernsehfilme erinnert. Der schwache dramatische Aufbau des Stückes fällt ebenso auf, wie der Mangel an psychologischem Tiefgang und die fehlende Ironie. Ähnliches ist über die Musik zu sagen. Man hört den Einheitsklang, den man von vielen Opern des 20. und 21. Jahrhunderts kennt. Nur wenige lyrische Passagen stehen vielen lauten Sequenzen gegenüber, die, wie so oft, vom Schlagzeug dominiert werden. Auch hier sind weder Tiefgang noch Ironie oder Humor spürbar. Gesungen wurde hauptsächlich in dem in fast allen zeitgenössischen Opernwerken üblichen Sprechgesang mit Ausschlägen in höchste Höhen. Ariose Stellen gab es kaum. Die einzige Ausnahme ist Sir Simon, der einige monologartige melodiöse Passagen hat.
Dass der Humor diesmal zu kurz kam merkt man auch daran, dass das sonst durchaus lachfreudige Volksopernpublikum praktisch stumm blieb. Für Kinder ist diese Produktion nicht wirklich geeignet. Das merkte man auch daran, dass Plätze die im 1. Akt von Kindern eingenommen wurden, nach der Pause frei geblieben sind.
In diesem Zusammenhang fällt mir ein, dass Freunde des sogenannten „Regietheaters“ immer wieder behaupten, die Oper würde zum Museum , wenn man die grossen Werke der Opernliteratur nicht für unsere Zeit aktualisiert. Diese Behauptung ist falsch, denn wenn Oper zum Museum wird – wobei einmal zu hinterfragen wäre, ob das etwas schlechtes ist – dann liegt es nicht an den Inszenierungen, sondern daran, dass in den letzten 50-60 Jahren kaum Innovatives auf dem Sektor der Opernkomposition passiert ist. Denn es ist letztlich nicht entscheidend, ob sich die Musikwissenschaft an den Werken abarbeitet, sondern ob sie vom Publikum angenommen werden. Zugegeben, es gibt eine Handvoll Werke, die sich einen Stammplatz in den Spielplänen sichern konnte, das Gros der Werke füllt aber nur zahllose Seiten in den diversen Opernführern – und ähnliches wird auch mit diesem Werk passieren.
Wenden wir uns nun dem konkreten Geschehen dieser Aufführung zu. Die Inszenierung von Philipp M. Krenn konnte die mangelnde Dramaturgie des Werkes nicht wettmachen und sorgte lediglich für einen reibungslosen Ablauf. Eine wirkliche Personenführung war nicht feststellbar. Die Ausstattung von Walter Schütze war vor allen Dingen in Hinblick auf das durchaus geschmackvolle Bühnenbild zufriedenstellend. Auch die Videos (Roman Hansi), sonst oft eine Plage einerAufführung, waren hier zweckentsprechend eingesetzt.
Das Orchester unter der Leitung von Gerrit Prießnitz war sicher ordentlich einstudiert. Den mangelnden Tiefgang der Partitur konnte es aber auch nicht kaschieren. Der Chor (Einstudierung: Thomas Böttcher) sang seine wenigen Passagen ordentlich.
Die zentrale Rolle des Sir Simon sang Morten Frank Larsen. Er bemühte sich, soweit es die Partitur zuliess, auf Linie zu singen, allerdings hat sein Bariton in den letzten Jahren etwas an Klangschönheit verloren. Gegen Ende schien auch seine Kraft nachzulassen. Darstellerisch war er routiniert. Die Rolle des Georg König musste, da sowohl Martin Winkler als auch die Zweitbesetzung Daniel Ohlenschläger krankheitsheitsbedingt ausfielen, der Sänger der Uraufführung Reinhard Mayr eine Woche vor der Premiere übernehmen. Er verfügt über keine besonders markante Stimme und bleibt auch darstellerisch blass. Anita Götz spielte die Virginia durchaus anteilnehmend, klang aber über weite Strecken eher scharf. Rebecca Nelsen gelang die Darstellung der exaltierten Geliebten Königs recht gut, stimmlich war aber auch sie eher schrill. Regula Rosin als Haushälterin hätte man eine etwas kräftigere Stimme gewünscht und Paul Schweinester als deren Sohn David ließ einen recht hübscheh Tenor hören, wurde aber in der Höhe etwas eng.
Lukas Karzel und Stefan Bleiberschnig als Königs Söhne fielen hauptsächlich durch wildes Herumgerenne und die Verwendung von Paintball-Gewehren auf und Birgid Steinberger ergänzte als Stimme von Virginias Mutter.
Am Ende natürlich der übliche Volksopern-Premierenjubel, aber etwas schaumgebremster als sonst.
Heinrich Schramm-Schiessl