Das Wiener Staatsballett, die kleinere Abteilung – zuhause in der Volksoper
EIN ERFOLGSLAUF MIT „CARMINA BURANA“ UND DEM „BOLERO“ am 21.12.2016
Probenfoto. Copyright: Wiener Staatsballett
„Carmina Burana“, groß am Programmzettel geschrieben, etwas kleiner darunter „Bolero“ und „Nachmittag eines Fauns“: Dies ist ein erfolgreiches Ballettprogramm der Wiener Volksoper, welches im Jahr 2012 seine Premiere erlebte. Und erneut hat sich die diesjährige Wiederaufnahme, die 46. Vorstellung nun bereits, als ein Publikumserfolg erwiesen. Klar, die Rhythmen von Maurice Ravels „Bolero“, von András Lukács zwingend mit strigenten Bewegungsabläufen choreographiert, oder Carl Orffs grandiose „Carmina Burana“-Historienphantasie – hier mit der Unterstützung des Volksopern-Chores und feiner Gesangssolisten – sind nun einmal richtige musikalische Reißer. Doch es ist als ein Erfolgsabend des zweigeteilten Wiener Staatsballetts anzusehen. Hier in der Volksoper: Die Abteilung Nummer zwei, die kleinere Gruppe, welche nicht in der Staatsoper probt und trainiert, sondern im Haus am Währinger Gürtel. Hier in den Operetten, Opern, Musicals tanzt, aber auch in allen Balletteinlagen in der Staatsoper aufzutreten hat. Eingesetzt an insgesamt rund 140 Abenden in der Saison.
Vesna Orlic. Copyright: Wiener Staatsballett
Viel Arbeit wird somit täglich den rund zwei Dutzend Mitgliedern des Ensembles abverlangt. Und ein besonders breites künstlerisches Spektrum. Vesna Orlic, langjährige Solotänzerin im Haus – von der Swanilda bis zur Witwe Bolte – und nun in der Volksoper als Vertreterin des Wiener Staatsballett-Chefs Manuel Legris die Verantwortliche, weist nachdrücklich darauf hin: „Aufgebaut ist alles auf klassischer technischer Grundlage. Es sind sehr gute Tänzerinnen, Tänzer mit durchaus verschiedenen Charakteren. Und sie haben sich in den unterschiedlichsten Sachen zu bewähren. Unsere Spezialität? Wir müssen in vielen Vorstellungen auftreten, und somit haben wir auch viel Erfahrung; auf der Bühne wie mit dem Publikum. Alle müssen singen können, sich als Schauspieler in Operetten bewähren, müssen in den Musicals steppen ….“ Dabei wird die Kompanie immer wieder mit zumeist von der Ballettakademie der Bundestheater übernommenen blutjungen Mädchen aufgefrischt. Positiv. Orlic: „Man muss schon besonders achtsam sein. Wir unterstützen uns untereinander sehr. Die Älteren helfen sehr viel, die Jungen bemühen sich wahnsinnig.“ Ob sie auch als deren Ballettmutter angesehen wird? „Ich habe nicht das Gefühl, dass ich Mama bin. Ich habe das Gefühl, dass ich eine Kollegin bin. Ich schaue, dass sie sich gut entwickeln, bemühe mich zu helfen, sie in ihrer Karriere weiter zu bringen. Die Aufgabe ist, die jungen Talente zu führen, zu sehen, wie sie Fortschritte machen, besser und besser werden.“
Der Erfahrenste im Ensemble, Samuel Colombet, früher Tanzpartner von Orlic und nun auch als Probenleiter engagiert, weiss seine Kollegin zu schätzen, völlig unpathetisch: „Vesna hat jedesmal den organischen Weg gefunden, sämtliche Rundungen sind immer gelungen. Harmonisch ist alles bei ihr gewesen. Nun, jetzt, für mich, für einen Probenleiter ist es oft ein großes Geduldspiel. Proben können manchmal mühsam sein. Doch die Energie, welche man von sich gibt – man bekommt immer etwas zurück. Wichtig ist die menschliche Seite. Mit menschlicher Beziehung erarbeitet verbessern sich ständig die Rollengestaltungen.“
Eine der ganz Jungen, Dominika Kovacs-Galavics aus Sopron, strahlt vor Glück – sie darf als alternative Besetzung die Aschenbrödel-Titelrolle in Sergej Prokofiews „Cendrillon“ tanzen: „Ganz toll, die erste Hauptrolle für mich, eine echte Freude. Das habe ich nicht erwartet. Und Cinderella ist eine nette Person.“ Dominikas Stärken, eigene Einschätzung: „Große Sprünge!“ Bezüglich der Charakterisierung ihrer Rolle? Noch schwierig, ganz so sicher ist sie sich nicht. Keine Angst, die Chance wird ganz sicher genützt.
Probenfoto. Copyright: Wiener Staatsballett
Länger bereits Mitglied des Ensembles ist Tainá Ferreira Luiz, muntere Jungdame aus Rio de Janeiro. Sie fühlt sich wohl in Wien, fühlt sich auch auf der Bühne durchaus sicher: „Man sagt, dass ich immer stark bin. Bei uns in der Volksoper tun wir alles, müssen wir alles können – man muss immer bereit sein!“
Vesna Orlic hat ihre choreographische Gestaltung von „Carmina Burana“ genau den Tänzern angepasst. Der mehrjährige Erfolg dieser Einstudierung sagt: Die Produktion unter der musikalischen Leitung von Guido Mancusi ist auf das Volksopern-Publikum so richtig zugeschnitten. Als Ensembleleistung. Und mit schon sehr, sehr guter, die Gefühle treffender Musik des frühen 20. Jahrhunderts.
Meinhard Rüdenauer