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Wien/ Volksoper: CABARET von John Kander- mit dem Prädikat wertvoll. Premiere

15.09.2019 | Operette/Musical

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Wiener Volksoper:

„CABARET“, 14.9.2019 – mit dem Prädikat wertvoll

Liedtexten von Fred Ebb und dem Szenario von John Masteroff wurde vor über einem halben Jahrhundert in der Blütezeit des US-Shows am  Broadway geschrieben und erweist sich heute als ein Bühnenstück der edlen Sorte – sowohl mit den frisch gebliebenen musikalischen Erfolgsnummern wie mit seinem feinfühlig aufbereiteten Tiefgang.

Die Vorgeschichte: Der englische Schriftsteller Christopher Isherwood hatte damals am Ende der ‚Goldenen Zwanzigerjahre‘ in Berlin gelebt, hat mit jungen Weggefährten wie Wystan Hugh Auden den aufgekommenen Libertinismus voll genossen und in seinen autobiografischen ‚Berlin Stories‘ literarisch einfühlsam psychologisierend über humane Befindlichkeiten und die tragische politische Entwicklung geschrieben. Auszüge aus diesen Erzählungen wurden nach dem Krieg in New York als Bühnenstück adaptiert, und 1966 erfolgte die groß gefeierte Uraufführung von John Kanders musikalischem Meisterwerk ( …. so darf es auch im Genre Musical gesagt werden). Und schließlich folgte noch der filmische Welterfolg mit Liza Minelli und Joel Grey in der Regie von Bob Fosse.

„Cabaret“ ist in der letzten Jahren wiederholt auf den deutschen Bühnen zu sehen gewesen. Nun auch in die Wiener Volksoper geholt, vermögen Kanders sehr profilierte wie eingängige Musik und die kunstfertig aufbereitete menschlich-politische Geschichte ihre Wirkung zu erzielen. Ein Musical-bewährtes deutsches Team unter Führung von Regisseur Gil Mehmert setzte es in der zu Zeit in Deutschland gepflegten Art in Szene. Mehemert vermag weniger auf Stimmungszauber zu zielen, schafft keine spannende Dialogregie, sondern es geht in Richtung aufgekratzter Showpalast-Manier. Gewiss wohl auch mit den geforderten tragischen Untertönen. Das funktioniert dank so eindringlicher Hits wie „Money, Money“ oder „Willkommen, Bienvenue, Welcome!“ und einigen anderen stimmigen Songs. Die Szenerie: Eher nüchtern und leicht düster sind die Bildwirkungen auf der rasche Szenenfolgen erlaubenden Drehbühne gehalten, überschneidend wird von der Pension des ältlichen Fräulein Schneider zum Laden des jüdischen Obsthändlers Schultz gewechselt. Ruppig-frivol aufgemascherlt ist der Kit Kat Club mit seinem in derberem Gender-Stil herumwirbelnden Personal. Melissa Kings Choreographie beschränkt sich dabei auf schrullenhaftes Statieren.

Die Besetzung vermag unterschiedlich zu gefallen. Bettina Mönch als die in Berlin gelandete englische Nachtklubsängerin Sally Bowles ist gesanglich mit Abstand die Ausdrucksstärkste, wirkt aber im Spiel etwas fahrig, ist vom Regisseur nicht zu einer klaren Charakterzeichnung geführt worden. Entsprechend stimmig, dabei nicht übertrieben scharf umrissen gezeichnet: Jörn-Felix Alt als der in Berlin angekommene dichtende Amerikaner Clifford Bradshaw (Bradshaw = ist Isherwoods zweiter Familienname). Dagmar Hellberg sucht als vereinsamt gebliebenes Fräulein Schneider nach Partnerschaft. Robert Meyer als Herr Schultz bemüht sich um ebensolches, muss aber als jüdischer Berliner vor den faschistischen Schlägertruppen flüchten. Peter Lesiak ist der sich schmeichelnd anbiedernde, doch verbohrt denkende und rücksichtslos zuschlagende Jungnazi Ernst Ludwig. Und Johanna Arrouas sucht in Fräulein Schneiders Absteigequartier ebenfalls nach einem Liebesglück.

Und die Paraderolle, der so prägnante „Willkommen!“-Conférencier im Kit Kat Club? Ruth Brauer-Kvam mimt einerseits eindrucksvoll eine schauerliche wie auch zerbrechliche Groteskfigur. Quecksilbrig springt sie herum, voll in ihren Emotionen aufgehend. Andererseits kann man ihre schrilles, herausschreiendes „Willkommen!“ mögen – oder hier als unpassend eingesetzt ansehen. Dirigent Lorenz C. Aichner brachte das Ensemble am Premierenabend mit Fortdauer richtig in Schwung, und ein interessiertes Publikum hat den Wert der Aussage dieses qualitätsvollen Stückes zu schätzen verstanden. 

 

Meinhard Rüdenauer

 

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